Glarners Anfänge waren konventionell, und seine Entwicklung spielte sich keineswegs so geradlinig ab, wie es in der harmonischen Zusammenschau seines Gesamtwerkes den Anschein hat. In frühen Bildern sind Merkmale seiner späteren Malerei in Ansätzen vorgegeben. Im mittleren Schaffen erfolg: ten Rückgriffe auf Erfindungsphasen der Moderne, die längst vorbei waren. Wenn man in der Kunst nicht nur am Glanz der endgültigen Leistung in- teressiert ist, an der es nichts mehr zu rütteln gibt, sondern auch an den geistig-schöpferischen Über- gangsetappen, dann bedeutet das Glarner-Legat gerade in dieser Hinsicht einen Glücksfall. Der Glücksfall betrifft ihn selbst, aber auch das Ver- ständnis konstruktiven Bilddenkens im allgemeinen. In den zwanziger und dreissiger Jahren beschäftigte sich Fritz Glarner auf recht eigenartige Weise mit der Thematik des Stillebens. Das heisst, er malte Interieurs in der Art von Stilleben: Schachteln, Trep- pen, Tische, Staffeleien, Raumecken, dann sind architektonisch betonte Innen- und Aussenräume die Versatzstücke dieser Leinwände. Die Atmosphä rik des Impressionismus und Neoimpressionismus, das Kolorit und die Geometrisierung von Gegen- ständen durch den Kubismus leben nochmals auf Composition von 1932 vertritt diesen Bildtypus. Schaut man jedoch genauer hin, finden sich bereits spezifische Glarner-Effekte. Drei Punkte sind es, die man beachten muss. Zunächst versammeln sich alle Bildelemente in einer Wahrnehmungsebene, sie wverflachen) ohne echte Perspektive. Sodann verlie- ren die farbigen Valeurs an Tiefe und fügen sich optisch eindimensional in die Bildfläche. Schliess: lich beherrscht eine grosse Diagonale das Bild- geschehen. Homogenität aller Form- und Farbelemente sowie Dynamisierung im Rhythmus der Schräge werden zu den Gestaltungsgrundlagen von Glarners Rela- tional Painting. Aber äussern sich nicht in dieser Composition suprematistische Gestaltungsprinzi- pien? Die Diagonale wäre dann als über den Bild- rand hinaus weisende imaginäre Bewegungsbahn zu interpretieren, in deren Anziehung das kreis- förmige und das rechteckige Element unten im Bild schwebend mit fortgezogen werden. In der Tat fing Fritz Glarner um 1940 an Bilder zu entwerfen, die eindeutig an die Kompositionstechniken der rus- sischen Konstruktivisten und des Suprematismus von Malewitsch erinnern. Painting von 1941 tritt da- für den Beweis an. Was suchte Glarner? Betrachtet man ein Werk wie Painting 1941, könnte man Glarners Konfrontation mit der russischen Avantgarde als Absage an die von ihm bis dahin durchstandenen Kunsterfahrungen werten und als Absage an seine Flächigkeitsidee der Malerei. Denn die Konzeption der Russen beruhte gerade nicht auf der Eindimensionalität des Bildfeldes, sondern auf der Vorstellung, die Leinwand gewissermassen als Sprungbrett für den Höhenflug ins geistige Reich der «gegenstandslosen Welt» zu benützen, symboli- siert durch den Kosmos der Geometriefiguren. Was Glarner offensichtlich faszinierte, waren die Rhyth- mus- und Dynamisierungsprobleme des Suprema- tismus, maltechnische Kniffe banal ausgedrückt, denn Kunstideologien und Kunstphilosophien lager seinem Temperament ohnehin nicht. Die ersten von Glarner als Relational Painting be- zeichneten Bilder, 1941, 1942, 1943 und 1945, setzer sich denn auch mit dem Schwebezustand recht- eckiger und keilförmiger Farbformen auseinander. Frei und unverbunden stehen sie in der weissen Bildfläche und gehen mit den ihnen zugeordneten schwarzen, waagrecht-senkrechten Balken lose Gruppenbeziehungen ein. Noch sprach er von einem «undeterminded space)» oder einem <un- organized space», den er da erzeugt habe: Relatio- nal Painting, Tondo No. 1 von 1944 entspricht diese Definition sehr anschaulich mit seinen in der Kreis- fläche frei liegenden Elementen. Ein rundes Format so zu beherrschen, dass alles caufgeht>, stellt über- dies eine kompositionelle Leistung von besonderer Schwierigkeitsgrad dar.