nere Präsenz und Ausstrahlung, die das spätere, dem Monumentalen zuneigende Schaffen vorberei- tet. Eine zarte Scheu kennzeichnet zwar noch die verhalten aufblühende Mädchengestalt; die in sich vollendete Körperlichkeit jedoch strahlt in den Raum aus und beherrscht ihn. Dieses Schlüssel- werk der früheren Schaffensperiode Aeschbachers ist somit gekennzeichnet durch zwei sich scheinbar widersprechende Eigenschaften: auf der einen Seite in sich ruhende Geschlossenheit, zarte Oberflä- chenmodellierung und auf der andern Seite raum- beherrschende, schwellende Körperlichkeit. Das Werk ist einer Knospe vergleichbar, die eben im Begriff ist, sich zur Blüte zu entfalten. Durch die Wendung des Kopfes ist diese Figur —- wie alle spä: teren auch —- nicht auf eine Ansicht festgelegt; um sie als plastische Form erfahren zu können, muss sie von allen Seiten her betrachtet werden, nur so gibt sie den weichen Fluss der stets wechselnden Konturen preis. Nur ein Jahr später ist der «Weibliche Torso» (Abb. 5) entstanden: die Knospe hat sich zur prachtentfaltenden vollen Blüte entwickelt. Die mächtig schwellenden, voluminösen weiblichen Formen verleihen dem Werk irdene Schwere, ur- sprüngliche Kraft beherrscht die Masse des Steines. der zum Sinnbild von Gäa, Venus und lebensspen- dender Magna Mater wird. Nicht zufällig handelt es sich um einen Torso. Noch konsequenter als bei einer Ganzfigur wird durch das Weglassen von Kopf und Armen das Gesamtvolumen gestrafft. Trotz der prallen Formen entbehrt dieser Torso nicht einer ge- wissen, aufragenden Eleganz; dadurch, dass die Beine eng aneinander gepresst sind, verlagert sich der Schwerpunkt der Figur auf die Höhe der weit ausladenden Hüftpartie. Aeschbacher, der in seinen Skulpturen jedes anekdotische Detail vermeidet, ge- stattet sich hier ein leicht ironisierendes Detail, indem er die beiden grossen Zehen der Füsse über- einanderlegt. Dadurch vermeidet er eine allzu strenge Axialsymmetrie und nimmt dem gewaltigen Frauenkörper lastende Schwere. Zugunsten der reinen Form entfernt sich der Künstler vom Natur- vorbild und bringt die einzelnen Körperpartien mit- einander in ein das ganze Werk umfassendes Be- zugsschema. So entsprechen die zarten Wölbungen der beiden Knie den vollplastisch herausragenden Brüsten, und dem zarten Schwung der Unterschen- kel antworten die beinahe geometrisierend empfun- denen Kurven der Beckenpartie. So rein wie in die- sem Werk hat Aeschbacher die weiblichen Formen sonst nie zu einem in sich vollendeten Kräftespiel zusammengefügt. 1947 verlegt Aeschbacher seinen Werkplatz in die Provence, wo er bis 1965 arbeitet. Die mediterrane Jmgebung verstärkt zunächst die sinnliche Aus- strahlung seiner Steine, die zunehmend abstrakte- ren Formen folgen, ohne dabei ihre Sinngebung als weibliche Idole aufzugeben. Die Beziehung zum Stein intensiviert sich dergestalt, dass die Hand des Künstlers noch verhaltener in das Material eingreift: der kaum bearbeitete Findling wird zum Symbol dieser Phase intensivster Verschmelzung von Künst- ‚er und Werkstoff. Bereits das Gesicht «Abstraktion» von 1945 weist in dieser Richtung, vollends deutlich wird sie bei den gegen 1950 entstehenden Lava- figuren, von denen die 1948 datierte «Figur (Abb. 6) ain charakteristisches Beispiel ist. Das zunehmende Zurücknehmen der dem Naturvorbild folgenden For- men ist hier so weit entwickelt, dass die sinnbild- hafte Ausstrahlung allein durch eine rhythmisierte Folge von schwellenden Partien erreicht wird, die ainer dynamischen, sich aufbäumenden Kurve untergeordnet sind. Noch stärker als zuvor wecken dieses und verwandte Werke die Erinnerung an frühzeitliche Mahnmale, Kristallisationspunkte heiliger Haine, naturhaften Gottheiten geweiht. «Der Begriff des Kultbildes bietet sich an. Idole und Stelen sind Kultbilder im herkömmlichen Sinne durch ihr reines Dasein, das Distanz fordert und den Raum auf sich bezieht, zeitgenössische Skulp- turen aber durch ihren asymmetrischen und nicht- frontalen Aufbau sowie durch den Tastwert der Oberfläche des Steines;>, schreibt Harald Szeemann 76