Charles Baudelaire (1821-1867) Der Dichter der «Fleurs du Mal» und der «Paradıs Artifi- ciels», der als erster Eugene Delacroix als das bildkünstle- tische Genie der Epoche feierte, hat ebenfalls gezeichnet, vor allem intensive, obsessive Selbstbildnisse und Hommages an seine Geliebten und ihre Reize. Nicht viele Zeichnungen sind es. Das mag der Grund sein, weshalb sie noch unbekannter sind als die Zeichnungen von Victor Hugo. Erstmals konnten wir als Beitrag zu diesem Festival der französischen Romantik zwei Originalzeichnungen und zwölf 1 : 1L-Reproduktionen aus einem bisher nie ausge- stellten Album zeigen, erste und «grösste» Präsentation von Baudelaire als Zeichner. Passagen — Paris 1815-1871 Ein kulturhistorisches Zeitbild Die Juni-Festwochen 1987 widmeten sich dem Phänomen «Französische Romantik» in seinen zahlreichen Facettie- rungen mit einer Reihe von Ausstellungen, Konzerten, szenischen Aufführungen etc. Angeregt durch die künst- lerische Leitung, die im vergangenen Jahr dem Kunsthaus zugekommen ist, veranstaltete die Präsidialabteilung in Zusammenarbeit mit diesem in der Halle am Heimplatz eine kulturhistorische Ausstellung, die gleichsam den Hintergrund skizzierte, vor dem sich die romantischen Abenteuer entfalten konnten. Durch die unmittelbare Nachbarschaft zum Kunsthaus einerseits und andererseits zum Schauspielhaus sollte die Halle Heimplatz den dritten Pfeiler einer Art «Forums der Romantik» bilden. Die Aufgabe der Ausstellung «Passagen» bestand darin, mit relativ wenig Raum und beschränkten Mitteln einen Einblick in die wichtigsten politischen und kulturellen Strömungen und Ereignisse zu geben, die die französische Metropole in den Jahren der Restauration nach 1815 bis zum Ende des Zweiten Kaiserreichs bewegt hatten. Die «Passage», der Durchgang mit «Schaufenstern», schien dafür ein sinnvolles Bild abzugeben: In den 10er, 20er und 30er Jahren des letzten Jahrhunderts — jener Zeit also, in der die romantische Bewegung ihren Höhepunkt erreichte — bereiteten die Pariser Passagen den Luxuswaren ihren noblen Weg. Der Eisenbahnbau der 40er und 50er Jahre schloss Frankreich an die industrielle Revolution an. Das dafür notwendige Grosskapital konzentrierte sich im sprunghaft wachsenden Wirtschaftszentrum Paris. Der Durchschlag der breiten Boulevards in die verwinkelte, noch mittelalterlich geprägte Metropole, Mitte der 50er und Anfang der 60er Jahre unter Baron Haussmann vehe- ment vorangetrieben, säuberte das Pariser Stadtbild von den Hindernissen bürgerlicher Macht- und Prachtent- faltung. Um den Fluss dieser Entwicklungen darzustellen, griff die Ausstellung das Sinnbild der Passage als inhaltliches, aber auch als architektonisches Gerüst auf, das zahlreiche Erscheinungen dieses Jahrhunderts formal zusammen- fasste: In einer eigens eingebauten Architektur, die mit einem rechtwinklig gebrochenen «Schiff» die räumliche Wirkung der Pariser Passagen hervorrief, wurde der Betrachter durch einen kulturhistorischen Rundgang aus Bild-Text-Tafeln geleitet, die, jeweils paarweise gekoppelt, Daten und Abbildungen zu den wichtigsten zeitgeschicht- lichen Fakten und kulturpolitischen Ereignissen vermit- telten. Der so entstandene Umgang öffnete sich im hinteren Teil in eine Quergalerie zur Stadtentwicklung unter den Präfekten Berger und Haussmann und lud zum Besuch von acht gegenüberliegenden, an «Boutiquen» erin- nernde Kojen ein. «Schaufenster», die den Blick auf Karika- turen zum «Bürgerkönig» Louis-Philippe, die Verbreitung der frühen Photographie, die Pariser Weltausstellungen von 1855 und 1867 sowie Zeugnisse zur Pariser Oper lenkten, gliederten und akzentuierten den chronologi- schen Fluss des didaktisch gehaltenen Umgangs. Die acht Kojen, die im Unterschied zum kulturhisto- rischen Rundgang fast ausschliesslich mit Originaldoku- menten bestückt waren, dienten der Vertiefung von beson- ders herausgearbeiteten thematischen Schwerpunkten: «Barricades!» dokumentierte die revolutionären Ereignisse der Jahre 1830 und 1848. Eine «Galerie Romantique» widmete sich den Protagonisten der französischen Roman- tik und deren Werken. Mit «Haute Couture» war die Entwicklung der Modeindustrie zwischen 1815 und 1871 überschrieben. «La Presse — et ceux qui sont presses» wies auf die dynamische Rolle des Journalismus und auf das Verkehrswesen hin. Drei weitere «Boutiquen» gingen auf