zen der Kunst-Funktion und Modellhaftigkeit interessiert haben. Ralf Winkler drängte es, von Schilderungen ihn umgebender Alltagssituationen —die vor allem Gegenstand der bildnerischen Formulierungen eines engen Freundes- kreises um seinen «Lehrer» Jürgen Boettcher gewesen waren und sich bewusst vom Menschenbild des doktri- nären «Sozialistischen Realismus» abgesetzt hatten — zu einer eigenen Spielart von «Realismus» vorzustossen; zu Bildern, die allgemeine Probleme in Systembezügen zu objektivieren trachteten. «Für mich war es ein Problem», hat Penck über zwanzig Jahre später festgestellt, «Sachen zu machen, die in Kontrast stehn zu dem Raum, in dem ich war, dem Atelierraum... Das sollten Dinge werden, Signale, die sich aus dem Raum, aus dem sie kommen, eben ıbheben.»! Die «Mittel» dazu waren zum einen Abstraktion von der figürlich gebundenen, genrehaften Schilderung weg — und zum anderen Reduktion auf elementare Bild- zeichen und zurückgenommene Farbigkeit. Einen dritten Faktor, den Penck anführte, die Logzk, die er in die Bild- findung einzubringen gedachte, resultierte aus seiner Auseinandersetzung mit Kunsttheorie und Kybernetik, mit abstrakten Modellen: die Welt musste analysiert und in- terpretiert werden als «System von Haltungsbezügen»“; als Zeichenfügungen, die die Realität klären sollten. Am Anfang einer Reihe von nunmehr entwickelten «System-» und «Weltbildern» mit ihren Kompositionen aus Strichmännchen steht das erste Weltbild, das noch im Herbst des Jahres 1961 entstanden ist, gemalt unmittelbar anter dem Eindruck des Mauerbaus. Wie das im folgenden {ahr entstandene (zerstörte) Wandbild Gereiltes Deutschland thematisiert das Welzbild ein Aufeinandertreffen zweier Systeme durch deren aufs äusserste reduzierte Hand- lungsträger, wobei die Konfrontation im vorliegenden Gemälde ganz allgemein als West-Ost-Konflikt gelesen werden kann. Dass die solcherart beschworene kämpfe- tische Handlung als globales Ereignis verstanden sein will, deutet bereits die sich über dem unteren Bildrand wöl- bende Kalotte der Erdkugel an, die als einziges Bild- element von einer starken, rotbraunen Farbigkeit gekenn- zeichnet ist. Auf diesem flammend gemalten Untergrund erheben sich in unterschiedlichen Formationen die «Systeme» der agierenden Strichmännchen, die sich — mehr gezeichnet als gemalt — von einer weissen Fläche abheben, einem mehr oder weniger monochromen Hinter grund, der durch die graffiti-artigen Lineamente wie auf- gewühlt erscheint. Obwohl Penck sich auch später einer Interpretation seiner eigenen Werke stets widersetzt hat. kann das erste Weltbild (ebenso wie die in den darauffol- genden Jahren entstandenen weiteren «Weltbilder») wie eine Landkarte «gelesen» werden: Die Mauer ist gebaut (wenngleich sie im Bild selbst nicht erscheint, wohl um die Aussage allgemeingültig zu fassen) und teilt das Bild in zwei Hälften, wobei die rechte als der «Osten», die linke als der «Westen» gesehen werden darf. Die Menschen im Osten scheinen einen abwehrenden Schild über sich zu halten, der mit verschiedenen, gegen Westen gerichteten Waffen- und Abwehrsystemen bestückt ist; ım Westen ist, durch einen hierarchischen Aufbau strukturiert, eine Rampe entstanden, die ihrerseits gegen Osten zielende Waffenarsenale trägt. Überdeutlich bedroht eine mittlere Figur, die im Westen auf erhöhter Ebene plaziert ist, auf einer Art «Produktionsmaschinerie» anscheinend, Men- schen, die eben diese Maschinerie bedienen. Über dem Mittelbau gilt es noch weitere, höher angesiedelte Posi- tionen einzunehmen. Auf der östlichen Seite hingegen stehen alle Figuren auf dem gleichen Niveau, und keiner wird von einem anderen bedroht. Dem spielenden Kind und dem sich umarmenden Paar im Osten steht die sich mit verworfenen Händen abwehrende Figur am linken Bildrand gegenüber. Beiderseits halten Propagandisten Tafeln oder Transparente hoch, deren aufs einfachste beschränkte Mitteilungen sich für Penck grundsätzlich zu unterscheiden scheinen: «A = A» heisst es im Westen in einer sich selbst genügenden Botschaft. Der Osten ant- wortet demgegenüber mit «A = A plus annähernd A» und scheint bereit zu sein, diesen Unterschied dem Westen gegenüber auch zu verteidigen. Obwohl der junge Ralf Winkler den Bau der Mauer als «antifaschistischen Schutzwall» — wie die offizielle Leseweise der DDR-Organe lautete — zu diesem Zeitpunkt aus Überzeugung gutgeheissen hätte?, ging es ihm beim Weltbild aber mehr als um das Ausspielen zweier (poli tischer) Systeme; die. Konfrontation verschiedener (geist! ger und materieller) Werte zieht sich denn auch wie ein roter Faden durch sein Werk und bindet letztlich ein Ge mälde wie das 1982 entstandene TRR in der Sammlung des