SAMMLUNG Ausstellung und Sammlung, Erneuern und Überliefern, Ereignis und Stetigkeit, geistige Lockerungsübung und kollektives Gedächtnis - kaum ein grösseres Museum ist in gleicher Weise von dieser lebendigen Polarität geprägt wie das Kunsthaus Zürich. 1994 entfaltete sich dieses Wechselspiel besonders fruchtbar. Mit der Dada-Präsenta- tion wurde wohl erstmals eine Hauptausstellung fast aus- schliesslich mit Werken aus eigenem Besitz bestritten; der dazu publizierte, langjährig erarbeitete Katalog bildet zugleich den schwergewichtigsten Bestandeskatalog (vgl. S. 15). Ebenso standen die Erdgeschossräume für einen Termin der Sammlung zur Verfügung, um wenigstens vorübergehend die Werke jüngerer Schweizer Künstler sichtbar zu machen. Unter dem Titel «Einübung ins Chaos» entfalteten sich die unterschiedlichsten Tenden- zen, sinnvoll angeführt von den aus dem Treibholz Aus- schau haltenden Augen der «Schwimmer» von Markus Raetz inmitten einer Auswahl seiner Zeichnungen und der anamorphotisch zweiansichtigen Skulptur «Beuys/Hase». Gleich daneben hingen zwei stark von diesem geprägte Arbeiten von Corsin Fontana; sein «Goldrichtig» leitete zu den geometrischen Fügungen Helmut Federles weiter. Im übrigen dominierte Figürliches: Franz Gertschs gros- ser Holzschnitt, umgeben von ähnlich überformatigen, photographischen Erkundigungen des Körpers von Bal- thasar Burkhard und Hannah Villiger, die neuen Vertreter einer konzeptuell überlagerten, schlicht «realistischen» Malerei — Thomas Huber, Albrecht Schnider, Marc-An- toine Fehr -, im grossen Raum die Vertreter des malerisch- expressiven Aufbruchs der achtziger Jahre und schliesslich Fischli/Weiss und die Folgen bis hin zu Urs Frei. Umgekehrt werden die wichtigsten Neuzugänge der Sammlung direkt oder mittelbar der Ausstellungestätigkeit verdankt - abgesehen von dem Gemälde Bellottos, dessen Erwerbungsumstände bereits vor einem Jahr geschildert wurden. Dies gilt zunächst in extremer Weise für Walter de Marias «The 2000 Sculpture», die ja eigens für unseren grossen Ausstellungssaal geschaffen wurde; dank dem aus- serordentlichen Einsatz unseres Präsidenten Thomas Bechtler konnte sie nun in eine zu diesem Zwecke gegrün- dete Stiftung übergeführt werden, an der sich die Kunst- gesellschaft mit einer Rückstellung aus dem Überschuss der Klimt-Ausstellung beteiligen und so das Werk auf Dauer für periodische Präsentationen in Zürich sichern konnte. Ebenfalls nur dank einer Ausstellung konnte Füsslis Gemälde «Amor und Psyche» erworben werden, denn dessen Auftauchen war das unmittelbare Resultat der Recherchen für die gleichnamige Ausstellung, die ihrerseits als sammlungsinterne «Dossier»-Ausstellung an das entsprechende Werk von Angelika Kauffmann an- schloss. Einmal mehr fanden sich die Liebhaber sowohl der älteren wie der aktuellen Kunst in der Faszination vor einer frappanten Bilderfindung des Meisters vereint, so dass alsbald allseitig der Wunsch entstand, diese kühne und beziehungsreiche Komposition auf Dauer mit der so andersartigen Interpretation des gleichen Themas von Angelika zu vereinen - was denn auch dank einer grossen Spende der Schweizerischen Bankgesellschaft glücklich gelang. Ein altes Erwerbungsprojekt, das in einer Ausstel- lung auf seine Wünschbarkeit geprüft und im Berichtsjahr endlich ausgeführt werden konnte, war Giovanni Segan- tinis «Weisse Gans». Nachdem mit den monumentalen «Alpweiden» seine Kunst zu einem Schwerpunkt unserer Sammlung wurde, schien es wünschenswert, dass auch seine frühe, noch vom tonalen Realismus geprägte Phase mit einem charakteristischen Bild vertreten sei; dank der Genossenschaft zum Baugarten gelang dies nun aufs schönste: der Tour de force einer Malerei Weiss in Weiss entfaltet die virtuosen Fähigkeiten des jungen Segantini wie kaum ein anderes Werk. Auch der gewichtigste Ankauf der Kunstgesellschaft, unterstützt von der Vereinigung Zürcher Kunstfreunde, «Goethe in Italy», ein mehrteiliges Hauptwerk von Cy Twombly, und vor allem dessen grossartige Schenkung einer ganzen Gruppe von Skulpturen wären undenkbar gewesen ohne die unvergessliche Ausstellung, die Harald