ses als Modell eines Feldaltars, auf dem die Landleute der
Gottheit des Ortes die Erstlinge ihrer Ernten darbieten?®;
ganz unmittelbar geht hier zur symbolischen Förderung
der Fruchtbarkeit blühendes Leben in Verwesung, in
Kompost über, berührt sich höchst ausdifferenzierte und
strenge Gestalt mit Amorphem.
Die Modelle, die uns so umfassend über die materielle
Kultur des alten Ägyptens unterrichten, sind primär Grab-
beigaben, Geräte zur Verwendung im Jenseits: stets hält
die verwittert zerbrechliche Materialität, die bleiche weiss-
liche Schlemmung der Fügungen Twomblys diesen
Bedeutungshorizont wach. Modelle können aber auch
Spielzeuge sein, die von der Schwere der materiellen Tat-
sachen befreiten Dinge, die der ursprünglichen symboli-
schen Weltaneignung des kindlichen Spiels dienen und so
in ihrem reinen Wesen aufleuchten. Die Imagination
macht hier das faktisch Fehlende der lebenspraktischen
Funktionen wett, denn im geistigen Gebrauch lassen sich
die engen Schranken der Bedingtheiten überschreiten in
Räume, die dem Erwachsenen durch das Gedränge der
Alltäglichkeiten meist verstellt sind. So bildet in der
Moderne der Modellcharakter oft das wesentlich Vermit-
telnde zwischen Kunst und Wirklichkeit; er entspricht
dem Konzeptuellen der neuen Weltbilder und tritt an die
Stelle der Abbildfunktion der realistischen Tradition.
Sicher beruht das Faszinierende, das diese so schlichten
und zugleich vielfältige Gedanken und Gefühle wecken-
den Dinge ausstrahlen, nicht zuletzt darauf, dass
Twombly diese elementare Dimension so rein zur Gel-
tung bringt, ohne in leere Schemata zu verfallen.
Modelle sind die Objekte in gewisser Weise auch als
Skulpturen: Proportionierung, relative Grösse und Hier-
archisierung der übereinander geschichteten Teile ent-
sprechen zumal bei den früheren Werken der Massenver-
teilung grosser Denkmäler. Damit kommen wir nach dem
Material und dem Modellcharakter zum dritten Aspekt
der Dinglichkeit dieser Objekte: ihrer Zugehörigkeit zur
Gattung Skulptur. Sie stellen sich damit in ein weites Feld
von Traditionen, Ansprüchen, Beziehungen, das hier nur
angedeutet werden kann. Die Bedeutung des Modell-
begriffs für die moderne Kunst wurde erwähnt, ebenso
Picasso und Schwitters, die als Vorläufer für den Charak-
‚er der Konstruktionen als «Bricolagen» im Allgemeinsten
zu nennen sind. Die Beziehungen zu seinen Kollegen
Rauschenberg und Jasper Johns wären zu untersuchen,
die, von ihrem gemeinsamen Lehrer Motherwell angeregt
- er publizierte eine Dada-Anthologie -, Dinge des
Konsums ihren Werken einverleibten. Zwar greift auch
T’wombily Strandgut auf, aber von so primärer Art, dass er
schon dadurch der Ironisierung oder Heroisierung von
Zivilisationsmüll durch die der Pop Art näher stehenden
Künstler entgeht. Wie bereits beiläufig bemerkt, unter-
scheiden sich umgekehrt diese schlichten Fundstücke
durch ihre Lebenshaltigkeit prinzipiell von den Fabrika-
ten der Minimal-Art, auch wenn sie sich wie diese oft geo-
metrisch reinen Formen nähern. Noch eher wäre an eine
Verwandtschaft mit deren Ahnherrn, Barnett Newman
and dessen drei Stelen Here 7, II, IT zu denken, diesen
emphatisch modernen und amerikanischen Antworten
auf Giacomettis Grande figure. Gerade in dieser Bindung
ans Existentielle und an eine ins Abstrakte gewendete
anthropomorphe Anmutung stehen die tonnenschwere
Stahlobjekte Twombly näher, auch wenn er deren
geschichtslos abgehobenen Heroismus nicht teilt.
Vielmehr müsste eine andere Entwicklungslinie der
modernen Skulptur bedacht werden; sie führt von Gau-
guin zu Giacometti und sucht wieder an das Kultbildhaf-
te und Magische archaischer Figuren und Idole anzu-
knüpfen. Bei den zahlreichen mythologischen Bezügen,
die Twomblys Bildwelt durchweben, liegt diese Tradi-
tionslinie nahe; hier zeigen sich denn auch formale Ver-
wandtschaften, die über Äusserlichkeiten hinausgehen:
das Festhalten an Einheit und Präsenz des Werkes, eine
iierarchische Stufung der Teile, Frontalität, Verwesentli-
chung der Elemente, auratische Ausstrahlung. Hier
erweist sich der angeführte Vergleich mit dem «Feldaltar»
als besonders fruchtbar: das Kultische und Numinose
wird ins anonym Niederschichtige und naturwüchsig All-
ägliche, die erhabene Form ins Spontane und unempha-
isch Selbstverständliche gerückt, in dem die individuelle
Regung nicht in der Prätention der subjektiven Geste ver-
aarrt, sondern in eine allgemeinere Objektivität eingeht.
Hier findet auch das Nicht-Anthropomorphe in der sonst
;o völlig von der menschlichen Figur dominierten Skulp-
tur seine alten Wurzeln: in Kultsteinen und Altären, in
Menhiren, Obelisken und Omphaloi, in Grabmälern und