AUSSTELLUNGEN Zeichen & Wunder Niko Pirosmani (1862-1918) und die Kunst der Gegenwart Dass die dreissig Bilder des georgischen Malers Niko Pirosmani in Zürich und anschliessend in Santiago de Compostela gezeigt werden konnten, erschien den Betei- ligten selber in einem gewissen Moment als Wunder. Die Verhandlungen verliefen wegen der eingeschränkten Kommunikationsmöglichkeiten mit Georgien schon schwierig genug. Dann brach mitten in der Vorberei- tungszeit ein Bürgerkrieg aus, der das Ansinnen, die im Westen viel zu wenig bekannten Bilder des «Douanier Rousseau des Ostens» zusammen mit Kunst unserer Gegenwart zu zeigen, für einige Monate als irreal erschei- nen liess. Als die Bilder in Begleitung des Restaurators des Staatlichen Museums der Kunst, Tbilisi, in Zürich ankamen, war noch genug Zeit, um sie - wie mit den georgischen Partnern vereinbart — unter seiner Aufsicht hier im Kunsthaus zu restaurieren. Eine Aktion, die dank der finanziellen Unterstützung der Fondation Nestle pour l’Art ausgeführt wurde. Im Bührle-Saal wurden die Bilder des Autodidakten Pirosmani, der um die Jahrhundertwende für Essen und Unterkunft seine eindringlichen Bilder von den grundsätzlichen Dingen, von Menschen, Tieren, Gela- gen und Landschaften malte, in vier separaten kleinen Räumen gezeigt. Diese innen grau gestrichenen «Pavil- lons» waren so in den Ausstellungsraum verteilt, dass die zum Teil raumgreifenden Arbeiten der Gegenwarts- künstler sich darum herum in natürlichem Wechsel aus- breiten konnten. Einige Künstler und Künstlerinnen präsentierten sich ebenfalls in separat abgetrennten Räumen, so etwa Ilya Kabakov, der einen gespensterhaften Korridor in einer sowjetischen Klinik simulierte, bei dem man Zeuge eines hochfliegenden Patientengesprächs wurde. Pipilotti Rists hypnotische Multimediainstallation «Search WOLKEN/SUCH Clouds (ein elektronischer Heiratsantrag)» zog gewisse Besucher so in den Bann, dass sie sich für längere Zeit am Boden im Halbdunkeln niederliessen. Es entspricht einer Tendenz der Kunst heute, keine Berührungsangst vor theatralischen Effekten zu haben, ja diese bewusst als Teil unserer von massenmedialen Spektakeln bestimmten Welt in künstlerischem Zusam- menhang wirksam einzusetzen. So richtete der junge ita- lienische Künstler Mario Airö ein an das «Lightning Field» von Walter de Maria anspielendes «Blitzzimmer» ein. Im Finstern entluden sich, ausgelöst durch den Ein- tritt des Betrachters, einfache Fotoblitze, welche von der Decke hängende, dürre Äste zum Leuchten brachten. Auch Toni Oursler spielte auf das anrührende Potential an, das eine elektronisch simulierte menschliche Exi- stenz im Kunstraum entwickeln kann. Viele dieser Künstler und Künstlerinnen, so auch Robert Gober, Lily van der Stokker, Stephan Balkenhol, Cindy Sherman, Roman Signer oder Katharina Fritsch, hatten für «Zeichen & Wunder» neue Arbeiten gemacht. Bei den Vorbereitungen zur Ausstellung fanden inten- sive Gespräche über die «Aktualität» von Niko Pirosmani statt, was ım Katalog in Form von zahlreichen Künst- ler-Statements seinen Niederschlag gefunden hat. Als verbindende Kraft darf wohl die Tatsache gewertet werden, dass Pirosmani sowie die hier versammelten Künstler in ihrer Arbeit das Überindividuelle suchen und ihre Kunst eine betonte Direktheit zum Betrachter hin aufbaut. In Santiago de Compostela wurde «Zeichen & Wun- der» im ganz neu erstellten, vom Architekten Alvaro Siza entworfenen «Centro Galego de Arte Contemporanea» gezeigt. Diesmal ohne Einbauten für Pirosmani, was eine noch stärkere Konfrontation seiner Bilder mit den Werken der Gegenwartskunst zur Folge hatte. BC