SAMMLUNG
Das herausragende Ereignis für die Sammlung des Kunst-
hauses im Berichtsjahr ist die Schenkung von zwölf
Gemälden von Herrn Walter Haefner. Schon rein wert-
mässig dürfte es sich um die gewichtigste, die das Kunst-
haus je entgegennehmen durfte, handeln; ihre besondere
Bedeutung liegt aber darin, dass sie den beliebtesten Teil
unserer Sammlung, die französische Kunst zwischen
Impressionismus und klassischer Moderne, entscheidend
verstärkt. Seit den zwanziger Jahren täuschen hervorra-
gende Leihgaben, die teils sehr langfristig, teils wenigstens
für mehrere Jahre gezeigt werden dürfen, darüber hinweg,
wie schmal der Eigenbesitz in diesem Bereich ist. So tritt
die Rennplatz-Szene von Edgar Degas neben ein einziges
anderes Pastell seiner Hand; das Stilleben von Gauguin ist
das erste Werk aus seiner reifen Zeit in Tahiti; Seurat war
bisher überhaupt nicht vertreten, und die «Mas blancs A
Saintes-Maries», die den Durchbruch van Goghs zur
leuchtenden Farbigkeit seines für den Expressionismus
grundlegenden Stils markieren, finden neben sich nur die
«Chaumieres a Auvers», wenn man von zwei eher beiläu-
figen, dunkeltonigen Frühwerken absieht.
[m Zentrum der Schenkung Haefner stehen die Werk-
gruppen von Monet und Magritte - zwei ebenso bedeu-
tenden wie gegensätzlichen Künstlern, die beide den heu-
tigen Betrachter wie wenig andere faszinieren. Die drei
Gemälde von Claude Monet bilden ein beglückendes
Ensemble in sich und mit den bereits vorhandenen sieben
Werken seiner Hand. Sie verbinden in idealer Weise die
«Meule au soleil» mit den beiden grossen Seerosen-
Panneaux. Damit kann dieser Hauptmeister des Impres-
sionismus, dessen Bedeutung für die Kunst des zwanzigsten
Jahrhunderts sich noch stets deutlicher herauskristal-
lisiert, in Europa ausserhalb von Paris nirgends so gut
studiert werden wie in Zürich, wobei zwischen die Früh-
und Spätwerke im Kunsthaus die nicht minder hervorra-
genden Gemälde der klassisch-impressionistischen Zeit in
der Sammlung Bührle treten.
Ganz anders verhält es sich mit den vier Gemälden von
Magritte, der bisher nur mit «La vie secrete», Inspirations-
quelle von Giacomettis «Boulle suspendue», im Kunst-
haus vertreten war. Mit dem programmatischen «A la suite
de l’eau les nuages» und den drei beispielhaften späten
Bildern — darunter der romantisch zauberhafte «Seize
septembre» und «La chambre d’&coute» mit dem verblüf-
fenden riesigen Apfel — setzen nun seine eigenwillig poe-
tischen Bilderfindungen einen neuen Schwerpunkt.
In seiner Grosszügigkeit ergänzte Walter Haefner die
Schenkung der zwölf Gemälde mit der Publikation eines
Kataloges, der anlässlich der Generalversammlung und an
die Mitglieder der Vereinigung Zürcher Kunstfreunde
gratis abgegeben werden konnte; er ist noch stets zu
einem Vorzugspreis erhältlich. Wir können uns deshalb
im zweiten Teil des Jahresberichts darauf beschränken, die
Werkgruppen von Monet und Magritte eingehender zu
betrachten. Um die Schenkung in ihrer Bedeutung zur
Geltung zu bringen, wurden die Gemälde, die sich zum
Teil schon seit den späteren siebziger Jahren als Leihgaben
im Kunsthaus befinden, vom 30. Mai bis zum 2. Juli im
zweiten Obergeschoss im ersten Saal links zusammen
präsentiert. In einer Feierstunde am 31. Mai würdigte
hier im kleinen Kreis Stadtpräsident Estermann mit
einer gehaltvollen Ansprache die Leistungen Walter Haef-
ners, der seine mäzenatische Tat aus Dankbarkeit für die
während seiner Ausbildung von Stadt und Kanton Zürich
erhaltene Förderung vollzog. Im Namen des Schenk-
gebers sprach Herr Erwin Hottinger, Verwaltungsratspräsi-
dent der Amag, die vor 50 Jahren von Walter Haefner
gegründet wurde.
Zu einem kleinen Familientag der Nachkommen von
Frau Emma Haab-Escher gestaltete sich die Übereignung
eines anderen Geschenkes, das schon seit drei Genera-
tionen als Leihgabe neben seinem von dem Urgross-
onkel August Abegg vermachten Gegenstück im Kunst-
haus hängt: es ist der rechte Flügel eines Altars des älteren
Berner Nelkenmeisters mit dem Christkind, das so nun
wieder auf Dauer mit Maria und Joseph auf dem anderen