67 EL USSITZKY: PROÜN B111 1922 aus der Sammlung Gabrielson, Goeteborg den man nie gekannt hat. Oie Leute aber, die vor dadä waren und noch vor dadä sind, haben dadä noch nie über wunden. „Aber,“ sagen die kleinen Kunstgeiehrten, „haben wir auch nicht selbst dadä überwunden, so ist doch die Zeit über dadä hinweggeschritten.“ Mithin wäre dadä tot getreten, ganz platt. Die kleinen Kunstgelehrten irren fortgesetzt, wie nur Kunstgelehrte zu irren pflegen. Wer sollen solche Leute nach dada etwa sein? Ich z. ß Sie sehen, obgleich ich Merz bin, lebe, male, dichte, obgleich ich Gegner von dadä bin, muß ich doch zugeben, daß dadä lebt, und bediene ich mich zeitweise dieses Mittels. Oder etwa van Doesburg? Er ist die Zeitschrift Styl, die konsequenteste Kunstzeitschrift von Holland, jedoch fördert er aktiv den Dadaismus als bestes Werkzeug um aufzulockern, um umzugraben. Oder meinen die kleinen Kunstgelehrfen etwa Hans Richter, den Heraus geber von G, den konsequentesten deutschen Filmkünstler? Richter sagt: „Eine moderne Zeitschrift ohne dadä ist nicht denkbar.“ Meine Kleinen Herren Kunstgelehrten, was meinen Sie nun? „Dadä wäre tot, weil es sich nicht weiter entwickeln könnte?“ Sie irren, wie Sie sich immer geirrt haben. Denn: jgf Denn stets ist Reinigung der Kunst durch irgend welche Art von dadä nötig, zur Beseitigung der Fäulnis produkte, die durch Absferben entbehrlich gewordener Zellenkomplexe entstehen. Nun fragen die kleinen Kunst gelehrten, wie sich dadä würde weiterentwickeln können. Es ist eine undankbare Aufgabe, zu prophezeien, aber ich möchte wetten, daß der reine Dadaismus sich ent wickeln wird in Richtung „abstrakte Nichtkunst.“ Ich füge einige Vorschläge hinzu für reine Dadaisten, was sie in Zukunft tun sollen, wenn sie gesund bleiben wollen. Zum Beispiel Stelle sich ein Dadaist zu Beginn eines Dadävortrags auf die Bühne und tue weiter nichts, als von eins anfangend ganz gleichmäßig zu zählen, ohne sich um die Resonnanz im Publikum irgend zu kümmern. Oder man lasse die Bühne leer, ziehe den Vorhang auf und lasse das Publikum vor der leeren Bühne sitzen. Die Wirkung wird außerordentlich sein und Manchem Anregung geben. Wenn mehrere Dadaisten verwendet werden, so stelle man einen Tisch mit Tasse auf die Bühne. Langsam gehen ohne Unterbrechung die Dadai sten an der Tasse vorbei und sagen monoton, einzeln, je bei Passieren der Tasse: „Das ist eine Gabel.“ Hat der letzte dieses gesagt, so beginnt der erste wieder mit derselben Feststellung, ohne Unterbrechung, monoton ganz leichmäßig, und so weiter. Jetzt haben Sie eine Ahnung davon, was abstrakte Unkunst sein wird, und welchen erzieherischen Wert sie haben kann. Merz. X P)FR TAP^ Aus dem R o ma n „Ypsilon“ L^L_l\ iniOi von Chr. Spengemann. Eines Tages stand Y mit einem Taps vor einem Kunstwerk. (Portrait vastehste). Da sagte der Taps: „Wo hat der nun den anderen Arm?“ — „Welchen anderen Arm?“ fragte Y. „Den zweiten,“ sagte der Taps, „er hat doch 2 Arme.“ „Woher wissen Sie, daß er 2 Arme hat?“ — „Na, das weiß man doch,“ ereiferte sich der Taps, „er muß doch 2 Arme haben!“ — „Dann zeigen Sie mir den zweiten,“ sagte Y ganz ruhig.“ — „Ja, den hat er eben nich,“ rief der Taps stark bewegt. — „Also hat er nur einen,“ lächelte Y. - „Aber er muß doch zwei Arme haben,“ stieß der Taps heftig hervor. — „HERR TAPS!" sagte Y keftig, aber bestimmt, „wenn er ihn nicht hat, so kann er ihn doch auch nicht HABEN.“ — „Aber er muß ihn HABEN,“ krähte der Taps zum dritten Male. „Dann also frage ich Sie, wo hat er ihn?“ rief Y jetzt mit einiger Schärfe, „wo hat er ihn?“ - „Danach frage ich Sie doch,“ entrüstete sich der Taps. „Nein, ich frage Sie,“ schrie Y und umklammerte] die Gurgel des Tapses, „Ich frage Sie, ICH SIEI Ver stehen Sie! ICH SIEI Ich frage Sie: wo hat er seinen andern Arm? Herr! Sie behaupten mit unerhörter Dreistigkeit, er müsse ihn haben. Darum frage ich Sie: wo hat er ihn? Wo haben Sie ihn gelassen? Sie wissen um diesen Arm! Schaffen Sie ihn heran! HERRI Ich verlange von Ihnen den zweiten Arm!“ Mit einem Ruck der Verzweifelung befreite sich der Taps aus Ypsilons Händen und floh, ohne über den FEHLENDEN ARM auch nur das GERINGSTE" Zusagen. CHR. SPENGEMANN