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■dem Volksganzen nutzbar zu machen. Statt planvoll allen erdenk
lichen öffentlichen Bedürfnissen Rechnung zu tragen, versuchte
man ohne Rücksichtnahme auf gemeinsame Interessen, ohne an
die Zukunft zu denken, lediglich das Tagesbedürfnis zu befrie
digen. Verantwortung über den Tag hinaus wurde unbedenklich
zurückgestellt. Daher fehlt den Großstädten jede organisierende
Gestaltung. Ihr Hauptcharakteristikum ist daher ihre Desorgani
sation. Der organisatorische Geist, wie er etwa in der Betriebs
führung großer Industrie- und Handelskonzerne zum Ausdruck
kommt, wurde bei der Anlage und dem Ausbau der Großstädte
völlig mißachtet. Dort hat das Prinzip der Arbeitsteilung planvoll
den gesamten Betrieb organisiert, hier geht alles bunt durchein
ander. Wohnviertel sind mit lärmenden und qualmenden Fabrik
anlagen oder mit lebhaften Verkehr hervorrufenden kommer
ziellen Bauten durchsetzt. Die notwendige Raumnutzung der City
wurde völlig unbedacht auch auf die Wohnviertel übertragen.
Straßen wurden schematisch angelegt, ohne Rücksicht auf ihre
besonderen Zwecke. Es wurde nicht erkannt, daß Straßen und
Baublocks nicht einfach willkürlich über das Gelände ausgebreitet
werden dürfen, sondern ganz bestimmte Bedürfnisse zu erfüllen
haben. Lage zur Sonne, Durchlüftbarkeit der Blocks, Forde
rungen, die bei jeder Kleinsiedelung als selbverständlich ange
sehen werden, wurden bei Großstadtplanungen völlig ignoriert,
die Bauordnung einseitig auf alle Gebäudearten zugeschnitten,
ohne Differenzierung nach Zwecken, Straßenbreiten wurden
ebenso nach einem Schema bestimmt. Die Folge ist der chaotische
Zustand, in dem sich heute fast alle Großstädte befinden. Diese
Chaotik kommt zum vollen Durchbruch, wenn, wie das heute in
allen Weltstädten der Fall ist, das Verkehrsproblem unlösbare
Aufgaben stellt. Denn während das Wohnungsproblem immer
ignoriert wurde, drängt das Verkehrsproblem unerbittlich zu
Lösungen, von denen die Weiterexistenz der Großstädte abhängt.
Wie beim Wohnungsbau sich alle Reformtätigkeit der Architekten
der Fassade zuwandte, das Grundlegende, die Grundstücks
teilung, blieb Spekulanten überlassen, und über den Grundriß
wachte die Baupolizei, so. auch im Städtebau, dem wesentlichsten
Problem aller Architektur. Der Architekt betrachtete den
Städtebau als eine Möglichkeit, Dekorativität entfalten zu
können. Aber die Aufgabe des Städtebauers ist keine dekora
tive, sondern eine organisatorisch-gestaltende, deren Lösung
höchste Verantwortung voraussetzt. Die Elemente des Städte