13 Sexualaufklärung. (Ein Beitrag zur Jugendethik.) M eine Freundin, die Baronesse A. von S., sagte mal zu mir: Als ich fünfzehn Jahre alt war, unternahm meine Mutter das Wagnis, mich sexuell aufklären zu wollen. Dabei stellte sich heraus, daß sie in manchem ganz falsch unterrichtet war, vieles überhaupt nicht wußte. Die von ihr geplante Aufklärung gestaltete sich also derart, daß ich ihre Un wissenheit korrigierte. — Hier setzt die ganze herrlich grausame Satyre ein, der wunderschöne Spaß, sich maßlos zu entrüsten. All die elter lich lehrhaften Ratschläge, in Klammern: Broschürenweis heiten, schrumpfen elend zusammen vor der erhabenen Potenz der Erfahrung am eigenen Leibe. Denn jenes ist: kraftlose unverständliche Phrasendreherei, dies aber: Läutet rung und Verständnis. Es wird hierbei vorausgesetzt, daß dem Kinde von An beginn seiner Existenz ein so großes Teil ethischer Kraft eingeimpft werde (zunächst: Aesthetik überhaupt — ein begriffen: Aesthetik des menschlichen Körpers — dann im Einzelnen: die Freude am Reinen und Schönen), daß es unbeschadet und ungetrübten Auges die Klippe seiner Entwicklung überschreiten kann. Hierzu gehört vor allem eine Umgebung von einer Lebensart, die des Reinen voll. Ich spreche zunächst von den Knaben. — Es gibt Häuser, in denen die Kinder und jungen Leute bis in die Mittagsstunden im Bett geduldet werden. (Ent schuldigung der Mutter: Der arme Junge — diese Ueber- bürdung in der Schule — sie ahnen gar nicht —). Das führt aber zunächst zu Trägheit, zweitens zu Lang weile. Schließlich greift Gedanke und Tun in die Kreuz- und Quergänge des Geschlechts. Das wird zur Uebung — die Folgen sind unabsehbalr. Dies aber ist das Schlimmste. Das langsame kriechende Abstumpfen von Körper und Geist, das ich an einem jungen hochtalentierten Menschen beobachten mußte, ist unsäglich erbarmungswert. — Jüngst traf ich ihn. Es war, als sei alles von ihm abgeschmolzen. Das langblonde Haar lag ihm strohig um den Kopf, seine Stimme klang hohl und zittrig, wie die eines Greises, seine Bewegungen waren jäh und scheu, der ganze Körper zer brochen und zerrissen; was er spjrach, irr. Ein weher Glanz in seinen Augen. —