Seine Geschichte. (Schluß.) „Und jetzt kommt die eigentliche Tragödie, wenn sie nicht so furchtbar alltäglich und selbstverständlich wäre. Unsre Studien und unser Fleiß oder, um es offen zu sagen, Strebertum war in den maßgebenden Kreisen nicht unbe merkt geblieben. Schon bald nach Absolvierung der Uni versität erhielten wir beide eine ehrenvolle Berufung als Assistenzärzte zu einem sehr bekannten Dresdner Amt. Doch diese Stellung brachte uns kein Glück. Etwa ein Jahr mochten wir dort gewesen sein, als in der Stadt eine furchtbare Diphteritis-Epidemie ausbrach. Hunderte und Aberhunderte von Menschen wurden nach den vor der Stadt gelegenen Isolierbaracken gebracht. Und dann eröffnete juns eines Tages unser Vorgesetzter, daß unsre Hilfe bei ihm überflüssig sei, daß wir aber uns sein unbe grenztes Vertrauen und Wohlwollen erhalten würden, wenn wir uns als Hilfsärzte in den Isolierbaracken anstellen ließen. > Was sollten wir tun? Zwei verwaiste Beamtensöhne ohne Vermögen in abhängiger Stellung? Wir nahmen an. Die Arbeit war nervenaufreibend, Kräfte verbrauchend, fürchterlich anstrengend — aber lehrreich. — Immer neue Ströme von Kranken überfüllten jedes Zimmer. Aus jedem Auge, aus jedem Mund erscholl immer dieselbe angstvolle, kindlich egoistische Frage entgegen: „Werde ich genesen?“ In der Krankheit wird der Mensch wieder zum Kind oder — zum Tier. Wir jungen Aerzte stellten alle unsere Kräfte in den Dienst der gemeinsamen Sache. Abends sanken wir tod müde sofort ins Bett. Wir durften uns keinerlei Erholung gönnen, durften die Baracken nicht verlassen. Gaben mit offnem Herzen und frohem Mut unser teuerstes Gut, unsere Gesundheit, der mörderischen Krankheit preis. Es wurde uns übel gelohnt. Schon war die Krankheit im Verebben, da wurden, ob aus Mangel an Desinfektion oder sonstiger Unachtsamkeit, ist nie aufgeklärt worden, wir beide fast gleichzeitig von ihr befallen. Sie, die wir so erfolgreich bekämpft hatten, hielt 20