21 uns jetzt selber mit ihren Eisenarmen umpackt und for derte gebieterisch ihr Opfer.“ Ein Streichholz flammt jäh auf. Und, während er seine Zigarette anzündet, kann ich, nur für wenige Sekunden sein mir so bekanntes Gesicht noch einmal betrachten. Es ist keine große Veränderung mit ihm vorgegangen. Ruhig und ernst, wie im Schmerz versteinert, sieht es aus. Nur ein vibrierendes Zucken der Nasenflügel und der unruhige Blick, mit dem er den hastig ausgestoßenen ersten Rauchwolken seiner Zigarette folgt, verrät mir seine innere Erregung. Dann fuhr er, tonlos, mit einer rauhen Stimme, die an eine zerbrochene Glocke erinnerte, fort. „Nun, das Ende kannst du dir ja eigentlich denken. Nicht aber meine Verzweiflung. Nicht aber diese Hoffnung, die sich an jeden Strohhalm knüpft, und diese Angst, diese furchtbaren Ahnungen und nicht zuletzt meine eigenen Kör perqualen. Anfänglich hatten wir in einem Zimmer gelegen, waren aber bald trotz meiner Gegenanstrengungen getrennt worden. Das war für mich, der ich selber Arzt war, die Gewißheit. Dennoch wurde mir die wirkliche Nachricht noch lange nach seinem Tode verheimlicht. |Doch als ich es dann schließlich erfuhr, war mein Schmerz, meine Trauer, meine Wut unermeßlich. Mit einer direkt tierischen Wut warf ich zuweilen meinen Pflege rinnen die unmöglichsten Gegenstände an den Kopf. Doch, schreckliche Ironie des Schicksals, jetzt, wo mir nichts, aber auch gar nichts mehr am Leben lag, und ich, um möglichst bald zu enden, sogar des öfteren Selbstmord versuche machte, die aber immer vereitelt wurden, jetzt genas ich zusehends. Allmählich kam auch die Resignation des Rekonvaleszen ten über mich. Ich begann mich für anderes wieder zu inter essieren, ich wurde wieder Mensch, das heißt bis jetzt nur ein halber, wieder Arzt. Doch habe ich mich innerlich noch lange nicht abge funden. Und nur durch diese aus Höflichkeit, Arbeit und Pflichttreue aufgeführte Mauer, welche wir Leben nennen, dämme ich diesen großen, ungeheuren Schmerz zurück. Doch manchmal bricht er wieder durch, durch diese eisige Mauer, dieser ursprüngliche, natürliche Schmerz, der in seiner Maßlosigkeit Bahnen betritt, die man Irrsinn und Tobsucht nennt.