4 die Einfachheit und Ueberzeugungskraft von Paradigmen. (Darum nicht zuletzt halte ich die Marionettenbühne für den gegebenen Aufführungsort Wedekindscher Dramen; hier kann jedenfalls nicht die Hysterie einer modernen, an Ibsen geschulten Schauspielerin die grandiose Geschlossenheit der Lulu in kleine Raffinements zersetzen.) Stählern, wie seine Figuren als ungeheure, erschüt ternde Symbole unserer Zeit ragen, bauen sich die Gefüge der Dramen Wedekinds auf. Es sind keine mühsam-klassi zistisch verknotete Handlungen. Ihre Notwendigkeit ruht nicht in einer komplizierten Konstruktion, sondern allein in der eigenen Schwere, die Geschehnis auf Geschehnis, Akt auf Akt sich sicher zur Höhe türmen läßt. Verwirrend und unheimlich ist das erste Aufleuchten der Dramen Wedekinds. Tragik, Komik, Zynismus, Ironie und Groteske stehen so dicht nebeneinander, daß es scheint, als stritten sie vergeblich um die Kunst. Ein unruhiges Flackern geht hierhin und dorthin. Aber aus dem Genie dieses Dichters wächst es doch immer wieder zur Einheit und Größe: Und die verzerrte Maske leuchtet starr und grell auf über Widerspruch und Wirrsal. Es mag mancherlei einzuwenden sein gegen das Ziel, die Weltanschauung und die Dichtung Wedekinds; aber es ist wichtiger, begeistert zu sein, daß ein Dichter endlich! wieder wagt, eine Weltanschauung zu haben und für sie bis zum äußersten zu kämpfen. Heute zu sagen „meine Weltanschauung ist wichtiger als meine Kunst“, heißt Heros sein. Und Wedekind, :an dessen bisherigen Werkes Ende Sim- s o n stolz und unerschütterlich steht, verharrt im Kampf, trotzdem der Pöbel seine Lehre verhöhnt und der Neid kleiner Literaten an ihr und seiner Dichtung mäkelnd herumhackt. Wenn auch der Philisterfürsten so viele sind, daß Simson sie nie ausrotten kann, er bleibt der Stärkere und später singt der Pöbel seine Lieder. Rudolf Börseh.