3. Die Erklärung. Was den Alten einst eine Farbe, empfindet er im Heute als tausend schillernde Nüancen, und die Klänge, die er ersinnt, sind Spiele von urtausend Spiegellichtern und Kalei doskopen —; sein Gewand schillert und glitzert wie tau besprengt. All das aus den Tiefen heraufentwickelt. Ein Wort bedeutet ihm mehr, als den Ton C oder gis daraufzukleben, wo die traditionelle Unkompliziertheit eine Viertelnote malte, hüpft heut ein Sechszehntel, das logisch entwickelt und fein ergrübelt ist. Für den Alltag ist dies Spielerei — (wenn es überhaupt bemerkt ist). Dem Hinhorcher aber entgeht kein feinstes Pünktchen. An Richard Strauß ist alles elektrisch, seine Musik den Nervenströmungen unserer Zeit angepaßt, den Aufreizungen unserer Sinne innerst verwandt. Der Ausdruck ist verfeinert, in einem Gesicht sind Millionen neue verästelte Muskeln entdeckt worden; das ist es. Senkt Euch hinein. Eine (an sich) harmlose Achtzehntelpause ist bei ihm Kulturdokument. 4. Das Erlebnis. Königliches Opernhaus. Berlin. Sontag 12 Uhr. Matinee. Heiliges Raunen im Raum. Alle fühlen: dies ist unwieder bringlich. Am Pult: Richard Straußi. Eben verrauschte Symphonia domestica. Man spürte eine Löwenpratze uner bittliche Wunden schlagen. Man erlebte den subtilen Witz eines unerhört Feinsinnigen. — Man wirft einen Blick aufs Programm . . .; wie . . .? Wie . . .?? Moz. . .? Anklopfen. Man sieht eine* hagere Gestalt die Musiker wie an Fäden ziehen. (Seidenfäden — ganz dünne — die auf das leiseste kaum geahnte Zucken reagieren.) G-moll Symphonie von Mozart. Man ist erfüllt von leiden schaftlicher Ehrfurcht. Das Orchester klingt zum Weinen' schön. Man weiß plötzlich nicht mehr — wo man ist. Der ganze Opernsaal sinkt zusammen. Und während wir die Augen schließen, steigt eine ganz andere Welt herauf. Die melancholische Heiterkeit und der spaßige Ernst des längst erstorbenen Rokoko. A u s k 1 a n g. Ein Mann geht durch den Grunewald. Für ihn lebt der See, spricht zu ihm. Aus Erde und Grün steigt ihm wohl Verständliches herauf. — Was ihm die Natur gewährt, gibt er uns ehrlich und in seiner Sprache weiter. Denn das ist End und Anfang eines wahren Künstlers: die Ehrlichkeit. Friedrich Holländer.