AN EINEN BURSCHENSCHAFTER. VEREHRTER KOMMILITONE1 In den beiden Mai-Heften der »Burschenschaftlichen Blätter« er örtern Sie anläßlich einer kritischen Besprechung der »Wartenden Hochschule« die Frage: Wie ist eine neue studentische Gemeinsamkeit auf dem Fundament des Geistigen als absoluten Wertes und der sozialen Verpflichtung möglich? Ihr schöner Ausruf: »Fort mit trennendem konventionellen Formelkram! Fort mit allem, was der Rechtfertigung aus dem Geiste entbehrt!« umschreibe auch die Grundstimmung meiner Antwort, zu der ich mich herzlich gedrängt fühle und deren Abdruck in dem Organ der Deutschen Burschenschaft mich wie eine frohe Gewähr für die Ernsthaftigkeit jener Forderung berührt. Es sei zunächst, um unsere Aussprache deutlich genug aus dem Bereich bloß taktischer und prak tischer Verhandlungen herauszuheben, dies an den Anfang gestellt: Wenn Sie als Burschenschafter sich mit fieistudentischen Erlebnissen und Erfordernissen auseinandersetzen, und wenn ich als Freistudent zu einer burschenschaftlichen Öffentlichkeit sprechen darf, so ist dies ebensowenig ein Zeichen irgendwelcher gut gemeinten Burgfriedlichkeit, wie es etwa unsere freistudentischen Be mühungen um das Gedächtnis Ludolf Wienbargs und der Urburschenschaft sind. Vielmehr wäre im Gegenteil jeder aufrichtige gedankliche Streit zwischen uns eher ein Zeichen einer gemeinsamen Teilnahme und inneren Verwandtschaft, als jenes Kirchhofsschweigen, das zwischen unsern Gruppen bisher meist waltete. In freistudentischen Traditionen aufgewachsen, gelangte ich, je mehr mir die geistige Aufgabe der Hochschule zum grundlegenden Erlebnis einer studentischen Gemeinschaft wurde, zu immer schärferer Kritik des Vorgefundenen Freistudententums bis zu dem Grade, daß mir von offiziellen Vertretern unseres Verbandes das Recht, mich »Freistudent« zu nennen, abgesprochen wurde. Ganz ähnlich, wie Sie davon reden, daß die Deutsche Burschenschaft, wie eine jede Korporation alten Schlages, einer Neuorientierung bedürfe und vor einer Entscheidung stehe, — so fordere ich un sere Abkehr von einer Freien Studentenschaft des üblichen gewerkschaftlichen Typus, eine Hin wendung zu jenem Bilde einer studentischen Gemeinschaft, welche die Arbeit ihrer Glieder auf baut auf der gemeinsam gesetzten, freiwillig anerkannten Idee der Universität, wie sie uns Fichte erschlossen hat und deren schöpferische Kraft in der religiösen Gebundenheit von Geist und Tat, Erkenntnis und Erfüllung, Wahrheit und Verwirklichung, Akademie und Staat verbürgt ist. Nunmehr gestatten Sie mir, auf eine merkwürdige und sehr fruchtbar zu verwertende Tatsache aufmerksem zu machen, — übrigens mit dem Vorbehalt, daß ich sie hier nur ganz abgekürzt und deshalb ein wenig vergröbert vortragen muß. Es besteht in unsern Bemühungen nämlich eine Analogie derart, daß Sie — inhaltlich — besonders auf die Ideen der freideutschen Jugend und einer reinen Jugendkultur hinweisen, an welchen teilzunehmen Ihnen eine entscheidende Lebens frage der Deutschen Burschenschaft erscheint/ ferner, daß Sie — formal — eine Einigung der Gei stigen in der Studentenschaft nur in losem Bunde, offener Umfassung gewährt sehen, hiermit aus dem ausschließlich Korporativen herausdrängen in eine größere Weite, und so in Ihrem Streben nach einer studentischen Gemeinsamkeit, einer lebendigen Einheit, dem urburschenschaftlichen und freistudentischen Ideal einer wahrhaften civitas academica eng verwandt sind. Auf der andern Seite steht jener Kreis von Freistudenten, der sich zum Teil aus der Freideutschen Jugend her leitet und welchem »Jugendkultur« das Zeichen eines ganzen, innig erlebten Gedankenkreises be deutet. Diese jungen Freistudenten, von ihren Altmitgliedern vielfach wie Abtrünnige behan delt, dennoch stetig wachsend, suchen sich in einen lebhaften geistigen Zusammenhang zur alten Burschenschaft und ihren großen Lehrern zu stellen, und gehen im Formalen den Weg von der vielfach nur illusionären, in Wahrheit höchst zerfallenen civitas zurück zum Korporativen, zur Herauslösung aus der Masse, zur fraternitas, — wie das besonders kräftig in Erich Mohrs Arbeit »Von der studentischen Gemeinschaft«, ferner auch in meiner Zeichnung einer Jugendgemeinschaft 1Ö2