163 in der »Jugend vor der sozialen Frage«, aber auch in entsprechenden praktischen Verwirklichungen in die Erscheinung getreten ist. Ohne daß wir heute errechnen können, wie unsere Zukunft aussieht: — ich glaube, daß da, wo zwei Strömungen wie die eben gekennzeichneten sich kreuzen und durchdringen, Fruchtbarkeit entstehen muß. Diese nur zu erhoffende Fruchtbarkeit können wir nicht anders vorbereiten, als daß wir — jede Neuerung bei uns selbst beginnend — zu immer wachsenderem Verständnis unserer Herkunft und Gegenwart zu gelangen suchen und damit vielleicht zunächst in wenigen Einzelnen unter uns Engeren die Synthese zu vollziehen, die später möglicherweise Teil und Erbe einer ganzen Studenten-Generation werden mag. Wenn wir nun bei jener neuen studentischen Gemeinschaft zuerst an Freistudenten denken, so tun wir das keineswegs, weil wir von vornherein von deren größerer Eignung so fest überzeugt sind, sondern wir tun es aus dem gleichen Grunde, aus welchem Sie, verehrter Kommilitone, sich an Burschenschafter wenden, nämlich weil jedem von uns seine Kameraden am nächsten stehen. Uns, die wir wahrlich schärfste Selbstkritik geübt haben, deshalb einer oberflächlichen Negie- rung des Waffenstudententums zu zeihen, wäre ungerecht. Mohr sagt ausdrücklich nach Anführung eines wichtigen akademischen Kriteriums: »Hiermit ist der Typus Student verbürgt, mag er... FreistudentoderBurschenschaftersein.«Ichselbst spreche von der erstrebten studentischen Gemeinschaft, als von einer nicht mißzuverstehenden Absage »an alle . . .Korporationen und Antikorporationen, die ihre Arbeit zur Erhöhung des Lebensgefühls . . . zur Reaktion und persönlichen Entladung unternehmen«. — Wenn Sie daher <durchaus mit Recht) daran erinnern, daß die irrationalen Werte, daß auch das Brodeln und Gären in der heutigen Burschenschaft zwar von Außenstehenden schwerlich gesehen werden kann, doch darum nicht weniger da ist, so bitten wir unsererseits, unsere Forderungen und Lebensäußerungen nicht mit dem verwirrenden Maßstabe eines von uns längst verworfenen Alt-Freistudententums zu messen. Wir haben längst aufgeräumt mit dem völlig fiktiven Vertretungsprinzip, wir verwerfen ja auch grade den Mangel an Leitung, Zucht, Gliederung, Staffelung und Stetigkeit, wie er bislang in vielen freistudentischen Organisationen herrschend war. Uns liegt nichts an der umfangreichen Ziffer, und wir haben nicht im geringsten den vergeblichen Ehrgeiz, die »großen, trägen Massen« zu erschüttern. Daraus erklärt sich auch, daß wir unsere »Akademischen Kundgebungen« gar nicht an die ganzeStudenten- schaft oder etwa an die Nichtinkorporierten richteten, sondern auf die erste Seite die Widmung schrieben: »Den Kameraden«, womit wir zuvörderst unsere persönlichen Gefährten meinten, im weiteren Sinne aber jeden uns Unbekannten, dennoch Verwandten, der diesen noch werdenden neuen Typus Student darstellt, »mag er Freistudent oder Burschenschafter sein«. Möchten sich durch diese Feststellungen auch Ihre Zweifel an der Erfüllbarkeit unseres Willens ein wenig mindern. Möchte man uns Jungfreistudenten vor allem fürder nicht mehr mit dem Schuldkonto der Alten belasten, mit welchen wir selber schon Abrechnung gehalten haben. Be- denken Sie auch, daß, wie Sie sich doch durch Ihre Lebensformen mit mehr Erdenschwere begabt und besser vor Utopien gefeit finden, so auch wir in der sozialen Arbeit einen gewissen Erfahrungs- fonds von der Unbeständigkeit und Unberechenbarkeit der Menschenseele und den Verwickelungen und seltsamen Konstellationen der Umstände gesammelt haben. Wenn wir also trotzdem von der Wartenden Hochschule sprechen, so ist das nicht ein liebenswürdiger Einfall und eine freund liche Lockung, sondern ein realer Plan, an dessen finanzieller Durchführung zurzeit nicht weniger gearbeitet wird als an seiner geistigen. Damit komme ich schließlich zu den Fragen: Was wird aus der Freien Studentenschaft? und: Wie finden wir einen Weg zueinander? Ich antworte: Es ist zunächst eine Sorge zweiten Ranges, ob die von uns gezeichneten Gemein schaften sich nach dem Kriege Freie Studentenschaften oder sonstwie nennen. Falls es nicht sein soll: wir sind auf diesen Namen, wie überhaupt auf Namen nicht erpicht. Solche Gemeinschaften werden ja nicht durch irgendein Aushängeschild existent, vielmehr durch die einfache Tatsache, daß eine Anzahl junger Männer heute da ist, die so und nicht anders zu leben gewillt sind und