185 MITTEILUNGEN. Theodor Daubier, „Hesperien“, Georg Müller Verlag 1915. Erschöpfendes Verständnis für Däubler zu vermitteln und zu erwecken, ist mir unmöglich: Sein Werk ist unerschöpflich, mit unsern menschlichen Maßstäben nicht meßbar: es handelt sich bei Däubler nicht um die höchstdenkbare Begabung sich auszudrücken/ er ist zu umfassend, als daß man ihn Genie <entfaltetsten Gipfel des quantitativen Menschentypus) nennen könnte: er ist das hingebungsvolle Mundstück kosmischer Offenbarung, Träger von Geheimnissen des Ursprungs, die, sein Bewußtsein übertönend, ihn zu ihrem urbestimmten Verkünder machen. Es ist, als ob er von sonnennäherem Sterne Erkenntnisse geholt, die zu versprachlichen ihm allein möglich, die zu verstehen <d. h. darüber nicht mehr denken zu müssen) selbst ihm wohl nicht möglich ist. Unter Däublers Büchern: »Das Nordlicht«, »Hesperien«, »Der sternhelle Weg«, »Mit silber- ner Sichel«, »Das Sternenkind«, »Wir wollen nicht verweilen«, »Der neue Standpunkt«, »Hymne an Italien«, »Lucidarium in arte musicae« ist »Hesperien« das nahbarste in Form und Korn» Position, dennoch keinem nachstehend an Unbedingtheit des Themas und seiner Bewältigung. Es gibt nur ein Thema für ihn: Religion! Sehen, Erleben, Lieben alles Seins als Mitteilung einer gött lichen) Einheit,-Wollen, Handeln, Dürsten und Ringen als Werben um Bestimmung, um die ^gött liche) Einheit. Da der Horizont der Sprache Däublers sie von ihren tropischsten Blustmöglichkeiten bis zu den kristallisiertesten Abstrakten des Nordens umfaßt, findet man in »Hesperien« die prophetische Deutung so unterschiedlicher Erscheinungen wie Mandelbaum und Obelisk, wie Sternenbild und Zeitung, Ätna und Cafe,- erfährt die Neubelebung solch versteinerter Begriffe wie Zufall, Liebe, Ehrgeiz, Adel, Ewigkeit, Gott, Eile, Wirklichkeit, Ekstase, Abschied. Die Pole Blut und Hirn, Sinn und Logik, Affekt und Tat sind in Däubler so rein vorhanden, daß sie sich nicht reiben, sondern eine geistige Hochspannung erzeugen, die bei jeder Berührung mit der konkreten wie der ideellen Welt sich hemmungslos entlädt: produktiv wird. In »Hespe rien« sind die entsprechenden Ebenen dieser Polarität, das historische und das südeuro päische Italien. Däublers Symphonie zeugt von der unerhörten Tatsache, daß man, ungeteilt, ohne Zwiespalt, ohne Betäubung die Bedeutung des Vesuvs für tausend Generationen seiner Umwohner und gleichzeitig seine Silhouette am Abendhimmel erleben kann. Theodor Däubler vermag sich über die Zeit zu erheben, ohne sich ihrer Wirkungen zu entheben. Er kann Gott sein, ohne die Erde zu verleugnen. Wieland Herzfelde Die Galerie Hans Goltz Neue Kunst, München, Briennerstraße 8, eröffnete Mitte August ihre vierte Gesamtausstellung. Mit wenigen Ausnahmen stellt diese Ausstellung, welche 139 Werke zeigt, eine Kundgebung deutscher Expressionisten dar. Bei der Eröffnung hielt der Berliner Künst ler Hans Richter, der mit 9 Werken in der Ausstellung vertreten ist, einen Vortrag über den Willen der Neuen Kunst, welcher großen Beifall fand. Die Ausstellung, welche bis Oktober ge öffnet bleibt, erzielte bereits am Eröffnungstage namhafte Verkäufe. Ein Katalog mit 31 Abbil dungen und einem Vorwort ist zum Preise von M. 1.— durch die Galerie zu beziehen. Fritz Freiherr von Ostini (Biedermeier mit ei), Redakteur der Münchener Kunst- und Wochen schrift »Jugend« schreibt in der Abendausgabe der »Münchener Neuesten Nachrichten« vom 16. August 1916 über die Expressionistenausstellung bei H. Goltz unter anderem folgende be merkenswerte Auslassungen: »Die Ausstellung, die gegenwärtig im ersten Stockwerk der Kunst handlung »Neue Kunst« im Luitpoldblock zusammengebracht ist, will ganz offenbar eine Demon stration sein und uns vor allem sagen, daß die Hoffnung eitel war, die Schrecken dieses Krieges und die Schändlichkeiten unserer Feinde würden die hier vertretene Gruppe jüngerer Maler aus dem Einfluß der französischen Charlatans Picasso und Matisse, der Väter des Expressionismus und Kubismus, und etlicher Russen, die hier vor dem Kriege ihr Unwesen trieben, zu der Besin nung auf deutsche Art zurückführen. Nein! Der Kubismus entwickelt sich lustig weiter zu immer bizarrerer und unleidlicherer Art, Expressionismus und »Futurismus« treiben nach wie vor ihre Blüten, und die Phrase behält die Herrschaft.... Man kann himmelweit von jedem Chauvinis mus weg und der Überzeugung sein, der jetzt entfachte Völkerhaß dürfe uns nicht abhalten, künftig, wie vorher, das Gute auch in der Kultur der uns feindlich gesinnten Völker anzuerkennen und zu