VENEZIANISCHE NACHT. Die Nacht ist eine Mohrin, eine Heidin! Sie nähert sich soeben ruhevoll Venedig, Und dort bereitet man sich laut zu einem Feste, Um hohe Gäste hold und huldvoll zu empfangen. Am Himmel seh ich winz'ge Purpurwölkchen prangen/ Es hat der Wind sie wie Lampions gekräuselt und gezapft, Und eben zucken auch die ersten Sternlein auf: Da ist's, als wollten sie den Wolken sacht sich nähern, Um rings das Licht der bunten Lämpchen zu entzünden. Die Nacht ist eine Mohrin, eine Heidin! Nun tritt sie stolz, mit silberheller Mondessichel, Im Abendlande durch Venedigs Pforten ein. Wie würdevoll sie unterm Stemenbaldachine, Der höher als der edle Schmudc der Mondessichel schwebt, Nun übers Meer, mit wollustfreud'ger, güt'ger Miene, Sich immer weiter hebt und unser Ruheglüdk belebt! Es übersprühen ihre Schleierhüllen Prachtsmaragde, Und ihren untern Saum und die Sandalen Blutrubine: Vier schöne Königssöhne tragen hoch den Baldachin/ Zwei Bleichgesichter ziehen still in weißem Seidenkleid voran. Ihr Wamms ist goldbetreßt. Sie tragen einen lila Mantel Und müssen stets, wenn sie das Abendland beschreiten, Aus Anstand, einen Schurz um ihre Lenden breiten. Doch hinter ihrer Königin erscheinen holde Mohren, Die tragen ihr der Herrschaft herrliche Insignien nach: Das Zepter gar ist wunderbar, besetzt mit vier Planeten! Von vorne sind sie völlig nackt, doch überwellt in holder Pracht Das erste Morgenroth, als Mantel, ihre schwarzen Rüdcen! So tragen sie den Baldachin, den schönen, sternbesäten, Und können drum, voll Königssinn, den Westen stolz betreten. Die Nacht ist eine Mohrin, eine Heidin! Die Mondessichel glänzt und glimmt Als Silberschmuck auf ihrer kühlen Stirn, Und ihre volle nackte Brust befächelt sacht Der blasse Sklave Zephir mit dem Wolkenfächer: Er ist aus Flaum und leichtem Nebelschaum, Es färben ihn die letzten Abendgluten, Es kräuselt ihn sein Eigenwind, Da ihn der Sklave, schwebend, fächelt. Belustigt das die Königin, Denn seht, wie jugendlich sie lächelt?