107 Die Zoologische Garten-Lotterie Schulze bekam einen richtigen Brief mit der Post. „Donnerwetter", dachte er, „da wird wer gestorben sein, ich weiß nicht, wer mir sonst schreiben sollte." Aufgeregt riß er den Brief auf, da war es nur eine Anzeige der Zoologischen-Garten-Lotterie. „Du solltest dein Glück mal versuchen", sagte Frau Schulze, „ein Mann muß Unter nehmungsgeist haben. Denk mal, wenn wir zum Beispiel eine Gans gewinnen würden, die könnten wir billig schlachten und essen." — „Aber wenn wir nun einen Elefanten gewinnen oder ein Nilpferd, was wollten wir wohl damit anfangen?" In dem Augenblick kam Frau Schönwetter von nebenan aufgeregt herein und sagte: „Soeben habe ich einen Brief bekommen, und ich denke, es ist wer verheiratet oder gestorben. Ich reiße den Brief auf, und da steht da: „Gnädige Frau, versuchen Sie Ihr Glück, hier können Sie einen Elefanten gewinnen." Ich bin ratlos, was soll ich tun? — „Natürlich ein Los nehmen", sagte Frau Schulze, „wir nehmen auch ein Los." Da kam schon der junge Herr Gleiwitz von unten herauf und sagte atemlos: „Ich habe soeben einen Brief bekommen. Ich denke na türlich, Mutter ist krank, oder jemand hat sich verlobt oder ein Kind bekommen, aber es ist ein Los. Und richtig bedacht, warum soll ich nicht ein Los nehmen? Sehen Sie, ich kann einen Hund gewinnen, und ich wollte mir schon immer einen anschaffen. Ich werde ja wohl nicht gerade eine Riesenschlange bekommen, die mich nachts erwürgt, oder ein Lama, das mich dauernd anspuckt." — „Wir nehmen auch ein Los", sagte die Schulze, und da sagte ihr Mann: „Jawohl, und wenn wir einen Eisbären gewinnen sollten, wir können ja heizen." Die Tage bis zur Ziehung waren aufgeregte Wochen. Schulze hatte sich schon einen Reitanzug bestellt, um auf dem zu gewinnenden Zebra jeden Morgen zur Gesundung in den Tiergarten zu reiten, während Frau Schulze sich Schmalz gekauft hatte, um Gänseschmalz machen zu können. Und wie sie noch so redeten, kam ein einge schriebener und versiegelter Brief. Schulze wußte es jetzt, daß keiner gestorben oder geboren sein konnte, denn er hatte ja ein Los. Zitternd vor Aufregung riß er den Brief auf, dann setzte er sich wie gebrochen in seinen Lehnstuhl und sagte nichts. - „Was ist Dir, Alterchen?" fragte Frau Schulze. — „Wir haben den Hauptgewinn." — „Ach, Du Süßer!" — „Laß das lieber sein", sagte Herr Schulze, „wir sind ruiniert, denn wir haben den großen Löwen gewonnen, und der frißt uns alle auf." — „Aber Männchen, wir haben doch immer so viele Küchenabfälle, oder es wird mal etwas Milch sauer, und dann die viele Kartoffelschale, das kriegt alles der Löwe." - „Aber Liebste, denkst Du etwa, daß ein Löwe saure Milch säuft wie eine Ziege? Er ist doch kein Meerschweinchen. Da hast Du Dich aber geschnitten." In dem Moment kam Frau Schönwetter herein. Den Türgriff noch in der Hand haltend, sagte sie: „Ich habe das Nilpferd gewonnen, können Sie mir wohl Ihr Goldfischglas borgen?" — „Um Gottes willen", sagte Schulze, „da müssen Sie schon Ihre Bade wanne opfern, in unser Goldfischglas paßt es nicht rein." - „Aber machen Sie keine Geschichten, Herr Schulze, es muß rein." - „Aber wenn's nun doch nicht rein paßt?' — „Es wird schon rein passen." — „Aber wenn’s nun doch nicht rein paßt? — Da sagte Frau Schulze: „Ach, Quatsch, wir haben nämlich den ersten Preis, wir haben den großen Löwen gewonnen." — Frau Schönwetter stieß einen Schrei des Entsetzens aus. — „Warum schreien Sie denn so gewöhnlich?" — „Ach, ich dachte nur, wenn der Ihren Mann beißen würde." - „Ach- gottenee! so was braucht unser Löwe nicht, den füttern wir standes gemäß. So’n bißchen Kartoffelschale wird wohl noch übrig sein. Und wenn der das nicht mögen tut, denn muß er eben! Herrgott, an was haben wir uns selber im Kriege nicht alles gewöhnen müssen." Da stürzte auch schon Herr Gleiwitz herein: „Sie haben ja die Tür offen stehen." — „Macht nix, wir haben ja einen Löwen, uns kann keener." — Herr Gleiwitz sprang mit einem Satz auf die Kommode und fragte verwirrt: „Wo is denn der?" - „Noch isser im Zoo, der kommt morgen." — „Ach so", sagte Herr Gleiwitz und sprang wieder herunter, nahm eine königliche Miene an und sagte: „Ich habe zwei Paar Steinböcke gewonnen." - „Dann nehmen Sie nur Ihre Steinböcke ein wenig in acht, daß unser Löwe die nicht frißt." - „Wir müssen die Tiere aneinander gewöhnen", sagte Herr Gleiwitz. - „Und ich habe das große Nilpferd", sagte Frau Schönwetter. - „Wo wollen Sie das man bloß hintun?" - „Ich dachte in Schulzes Fischglas." -