Reklame-Beratung Tempelhof 988 LUtzow 8168 NR. 1 MAI 1917 Mittwoch, 23. Mal 1917 ii ilTiffl WOCHENAUSGABE (erscheint vorerst zwelwochentlich) 2>ci STlalifi- fyeiJacf, cBciUn-cßalctiMe, 76, Kurfürstendamm. Halensee. JW r * Ueber das Wunder haben viele Jahrhunderte garnicht nachgedacht, und das letztverflossene, das die Frage des Wunders zu einem Problem erhoben hat, war der Summe seiner Tendenzen nach das menschlich peinlichste. Ein Zeitalter der Aufklärung, in dem Brutanstalten, flüssige Luft und die Erkenntnis, dass der Mensch kopfsteht, der psychologische Gehalt alles Phi’osophierens, von Er- kenntniskrit k und Ethik sind, verfällt in seinen aus dem Erlebnis des Einzelnen heraus notwendig als Verzweiflung auftretenden Uebertreibungen des psychischen Sauve qui peut der komis^ hen Verzerrung. Einer Komik, die dem heutigen Bewusstsein als Leid projeziert ein Teil des gegenwärtigen Erlebens ist Es bleibt verwunderlich, dass sich nicht mehr Leute aufhängen. Nur in diesem Zusammenhänge ist jeder Krieg in Erkenntnis zu setzen. Keinem wird mehr einfallen, etwa das dem Einzelnen anscheinend Aufgezwungene nationaler Auseinandersetzungen im Rahmen technischer, aus der Masseneins ellung hervorgegangener Vernichtungsmittel als Bewegung oder Willen gleichem Massenprinzip fol gender Gemeinschaft, Organisation und Staat ansprechen zu wollen. Garnicht zu reden davon, dass alten Ueber- iieferungen des Kchlerglaubens nach derartige Gemein schaften wieder nur Träger eines einzelnen zufälligen Willens sein sollen. So weit ist es noch nicht, dass die Gemeinsamkeit aller Verdrängungen für jeden Einzelnen gleicherweise wärmend der erstrebte Schimmer einer restlos strahlenden Lüge ist Die Wärmeschwankungen zwischen auf dämmernder Erkenntnis — konfliktkrank als Welteinsam keit — und überstrahlender Glut des SL hverlierens ins Ungewisse persönlichen Heldentums — gemütstrunken als Neuschaffende wie als Zerstörer — sorgen dafür, Hat jeder längst in der Tasche. Wer wirklich das Ende weiss, wünscht nicht zu triumphieren, dass andere glauben — sofern er gegen sich selbst, gegen Sonne und den Weltenraum zu sein sich anschickt. Wir brauchen keine Sprache mehr. Wir glauben bereits gegen unseren Glauben. Und so fort. Beachten Sie die M ONA TS^ CH RIFT „Neue Jugend“ Letztes Heft: Doppelheft 1M2, 1917. EINE MARKI Beträge von: Däubler, Davringhausen, Ensor, Fried länder, Grosz, de Heredia (Deutsch von Däubler), Held, Herzfelde, Lasker-Schüler, Reinelt kompromiß als in dieser Atmosphäre höchstmögliche Form des Erlebens. Ich finde, daß lediglich um die D.fferenzierungen dieses Kompromisses noch heute aus schließlich ges'.ritten wird. Ein Für und Wider gegrn derartiges schaltet hier völlig aus. Eine Beziehung gegen einander wurzelt in allem jenem Kompromiß Feindlichen, in der Härte darüber hinaus und in der Sentimentalität eines daran splitternden Zusammenbruchs. Man wird leicht daraus folgern können, daß eine Be ziehung zu einander im Vergleich zu dieser nur eine Frage atmosphärischer Einstellung ist. Das psychische Wetter kann darüber entscheiden. Zu oder Gegen wird immer der Ausdruck des tappenden Ichs sein, Unsicher heit, Schwäche. Darum liegt die Entscheidung: Das Gegen so zu differenzieren, daß es nicht mehr Pro gramm wird. (Zu ist immer Programm.) Den Wider spruch im Kreis zu bewigen, den Widerspruch gegen sich selbst. Endlich immer nein sagen, neinl MMHS CH RON I , , - r - r> -1 auijo v.Tv 4->ai u.JCC gtgciiöui lt'.i Kunipi unirbbbiiuurtg sich von Generation zu Generation zwar festigen kann Aller dingswerden die Ausschläge und Erschütterungen schärfer. Darum kann jeder Krieg niemals und gottlob der letzte sein. Vielmehr: werden die in solchen Zuckungen Ver endenden eine Partei formieren und mit jedem Tropfen Blut eine Festigung hinausstrahlen, die von gerade noch Verendenden aufgenommen fortgesetzt weiterstrah t, eine Stabilisierung des Weltgeschehns durchsetzen wird, die auf das psychische Walten übergreifend das Wunder bedeutet. Nicht etwa, dass das Verenden sich gerade noch Auflehnender eine neue Mass ist, noch dass diese Partei das Ziel einer Machtentfaltung und Herrschaft in sich trüge Der Kampf — das Ende — liegt eher im Auf lehnen gegen den Widerspruch zum Verbrechen, gegen die Verfolgung des Unrechts, gegen den Versuch auf halten zu wollen (mit jedem Mittel), dass einer von vorn herein aus dem eigenen Blute heraus alles Bestehende zerstört und sich Selbst, sofern er besteht — und doch so nötig hat, zu stehen (Das Stehen gegen Bestehen, wobei das Bleiben unerheblich wird). Nur der Krieg: Einer gegen Alle — ist Erlebnis. Auf was warten die Leute noch? Das Wunder ist, kann man sagen, die Bewegung der Objekte, wobei der zufällig Einzelne weder mit schwingt, noch Objekt ist. Die Projektion dieser Objekte von Philosophen als Weltanschauung gestempelt, kris tallisiert sich überragend als Schicksal oder Bestimmung oder sonst w r as, je ärmlicher der einzelne zu den Ob jekten steht. Der „Ich“ erkennt überhaupt Objekte, nicht an. In der Spannung zu einem weniger be wussten anderen Ich (wobei im Hinblick auf das oben gesagte die Spannung bereits das Verendende ist) vari iert und differenziert dem Einzelnen gegenüber die sfeh erschliessende psychologische Reihe des Geschehens, projeziert auf Objekte, beliebig verschieden. Und so verschieden nach der Erlebenskraft des Einzelnen, dass Masseneinstellungen, sich selbst gegensätzlich, davon erfasst werden. Die Sonne kugelt einem vor die Füsse, oder verständlicher: man bringt es fertig, dass vierzig Tage lang kein Tropfen Regen fällt Glaubt heute wirklich noch jemand, dass das so schwer ist? Worauf werten denn dann die Leute noch? Ursache und Wirkung, eigene Glaubenskraft, Epatez Ies bourgeois, steife Haarhüte, langweilige Orgien zittern der Lebensangst. Das Wunder, das Wunder-bare-, same-, volle-, schöne-, heilige-, milde Streikgelüste sind mit starker Hand niedergehalten, in Rio de Janeiro deutsche Läden geplündert, Washington triumphiert, American Parade - demokratiebesoffene russische Intellektuelle werden die Bauern im Namen der Freiheit zu Paaren treiben. Nicht so sehr, dass auch hier im Land es immer wieder vom Krieg heisst: (immer wieder) durchhalten. Dieser Privatsache wegen? - als Schrecken, Geissei, Welten verwirrung aufgemacht, niemand sollte darauf achten! Durchhalten gleich Dasein: Noch nicht sich aufhängen gleich Krieg - mehr Krieg. 1 Jahr 6 Monate Zucht haus, weil eine bereits abgestrafte Frau sich wehrt, weiter noch einzugestehen (5 Termine, aber doch endlich im Unglück Balance finden will). Graziöse Einbrüche auf Blusen, Schuhe, Speck und Zucker. Das Sich-Wehren steigt endlich im Kurs, Roheitsdelikte, Sentimentalität fällt. Entblättert zu Anqst, Leben-wollen, oh - die anderen etc. Nicht aber wollen - hier! - sondern leben! Leben! ! KRIEGSZUSTAND Es sei auf den Vorstoß Ludwig Rubiners: Der Kampf mit dem Engel (Aktion No. 16—17) dringend aufmerksam gemacht. For derungen und Eingeständnisse, die gerade heute in Geltung sind! (Nicht daß sie erst kommen sollen.) Rubiners Aufruf ist eine Tat. Sie weist in die Auseinandersetzungen, die zwischen uns und allen denjenigen, die sich vor drei Jahren als Brüder, Ge nossen, Kameraden und Menschen fühlten, jetzt beginnen. Eine Tat voll später Wunder und dem Wissen eines Menschen, der aus dieser Zeit heraus nunmehr zwangsweise sich selbst Menschlichkeit schenken und die Welt vermenschlichen will.. Das Bestehende der Rubiner Generation soll in dem Bewußtsein des Zuspät zer trümmert werden. Wozu das jetzt noch? In der Monatsausgabe dieser Zeitschrift wird um unserer Beziehung willen jede mittelbare Beziehung zu dieser Generation in einer Antwort auf Rubiners Aufruf abgebrochen werden. Wen ger seines Inhaltes noch der erstrebten Wirkung wegen — vielmehr der erzielten, gilt es das Wirken eines Dr. Franz Blei aus unserer Zeit auszuschalten. Mag einer vorzeitig Richtiges sagen, oder expressiv die Atmosphäre der Zeit zu manifestieren gewillt sein, sich sogar auftun wollen für Hintermänner (der lose Vogel ieht wieder eine neue Bilanz) gilt nichts mehr. Auf die Art der Hintermänner kommts an. Man betrachte dieses selbst gefällige Gesindel eingekeih in die Not dieser Kultur sich west lich östlich orientiert kulturleidend betätigen zu wissen — als Mittelpunkt. Unschwer zu sehen, dass uns gegenüber Franz Blei verantwortlich tst. Er steige von seinen Schemel, er wird hier fortgesetzt angegriffen werden. DIE NOT DES WIDERSPRUCHS D e Exis‘enzspannung des Einze’nen zwischen Recht und Unrecht, richiig und falsch, Kain und Abel, Christus und Judas meinetwegen — gehört der Vergangenheit an. Einem Zeitalter, das zertrümmert we den mußte, weil mein und Dein Vater noch als Väter darin lebten. Dazu beigetragen hat nicht allein das Wissen um die Beziehung der Menschen zu einander und deren Wieder spie elung in al’en Erscheinungen des äußeren Lebens ablaufes, sondern die allmähli h heller durchdringende Erkenntnis von der Beziehung der Menschen gegen einander. Vorausgesetzt, daß alle Tage im Jahre der Mensch einsam ist, also vorausgesetzt, daß der Einzelne aus sich selbst heraus im Rahmen der Umwelt den Linien und Kurven des Ich zu folgen sich müht — Leute mit festem Lebensprogramm haben gerade noch den Arbeitsvertrag in der Tasche, höchstens Religionsstifter zählen noch mit — ist es inzwischen an der Zeit, auch diese Einsamkeit aufzulösen. Solange das In-Erscheinungtreten der Einzelexistenz aus der Erkenntnis der Unzulänglichkeit des Einzelnen, also aus der Masse heraus für ein Nebeneinander sich organisiert oder angenommeneweise organisiert werden muß, solange also das „Leben“ die Bedingungen ent scheidend beeinflußt — und nicht das „Erleben“, die Differenzierung des Ich auf die Erscheinungsformen der Umwelt, die Auflösung des Ich durch die Organisation des Nebeneinander hindurch in der Spannung eines ungeheueren Leids samt einem ungeheueren Glück, so daß das Ich den Tod oder die Verkrampfung der rest lichen Milliarden Lebewesen wissend, mitschwingend tragen kann, solange ist das Hineintragen von Ahnungen über die Wesenheit der Beziehung in diese Lebensform, in der wir noch alle von Stunde zu Stunde gleiten, der fatale lebensfeindliche Kompromiß, der in Konflikten schwelt, ohne das Wissen um deren Weiter. Was ge schieht schlieElic’i damit, daß jemand sich manifestiert, er liebe die Menschen. Im Höchstfall eine Religion. Wo es sich doch darum handelt, die Vorbedingungen für das Erleben jener Beziehungswesenheit (ein s Wir statt wir) im Ich zu gründen. Ich pfeife auf Verbrüde rung, Gemeinsamkeit und alle die letzten Zuckungen jahrhunderte alter Staatsmusik. Die Beziehung der Menschen nebeneinander er faßt das Gesetz, die Staatsordnung und der Lebens- Damit alle nein sagen. Alle, die über das Leben hinaus erleben und in diesem Erleben noch einsam sind (sein müsssen). Damit diese alle einmal sich aufzuheben entschlossen sind, für — vorausgesetzt, daß Ich einsam im Kreise und Du einsames kreissndes Ich und DU Ich — Und ich und du und Du alle mit einander erleben. Miteinander erlebensfähig werden. Miteinander ohne Zu und Gegen, ohne Klischees wie Hass und Liebe, Reli gion, We tgefühl und Zahnweh (Ichgeflihl). Ueberhaupt ohne „Gefühl“, sondern voll Wissen und Sein. Das Sein, das Dasein, tausendfach zersplitternd im Wider spruch mit allem als neues Sein. Wucht, Macht, Be ziehung. Die neue Beziehung hebt an, unzerstörbar, da sie sich selbst jede Sekunde zu zerstören daran ist. Geläutert, da sie sich müht, sich immer wieder zu be- drecken, glückhaft, da sie sich vor Leid krümmt. Diese Beziehung des Miteinander kennt nicht Ja^sagen, so lange Gesetze sind, d. h. so lange nicht alle Ja-sagen „dürfen“, so lange selbst der Intellekt noch zurück schreckt, gegen das Gesetz der Schwerkraft, gegen den plumpen aufgezwungenen Ausgleich von Tag und Nacht, gegen Wärme und Kalte, gegen die Existenz von Löwen, Meer, Schmetterlingen, Steine — gegen die Sinne zu revolutionieren. Warum ist niemand von uns „Natur“, dass er der Natur widerspricht! Unser Sein zu hämmern! Die Erscheinungen des täglichen Lebens werden zum wi lkommenen Rüstzeug. Die restlichen Milliarden Mitlebenden werden an unserem Sein erstarken, Du selbst wirst Selbst erstehen, wachsen, Dich ausbreiten in Leid, Verzweiflung, Freude und Schreien, Du sein. In jener glückhaften Zertrümmerung jeder Beziehung um der Beziehung willen, in dieser Zerstörung des Ich wird einmal jetzt und in ferner Zeit das Wissen entstehen, schamhaft, winselnd, verlogen, brutal, glückberstend — von Sein. Vom eigenen Sein um des Anderen Sein willen, und es ist. so schwer zu ertragen — um der Einsamkeit des Andern, um der Auflösung jener Ein samkeit willen, selbst einsam zu sein und diese Ein samkeit gegen sich selbst zerstörend aufblättern sehen und sich sehnen. Dass noch in uns die Kraft wühlt, Erlebnis werden zu wissen, daß Du gleich Ich sein sich vorbereitet. RELIGION PER VER5CHWENPUNG Die kriegswirtschaftlich abgestempelten Volkswirtschaftler reden bereits von kommenden Dingen. Als wenn es darauf ankäme, die Auseinandersetzungen um Produktions-Zwang und Zweck im Teeraum auszutragen — Wissenschaftler stieren in die verlassenen Seminare. Dr. Walther Rathenau vom lyrischen Zionismus über Gf'tbflrt Hann+tnqnn rtatn <-» •>„'■>.1 <■<->.• ,1 L"•~ i . r~ •* *• er-findet sozialisierend das Ethos innerer Volkskraft und zeitgemäß völkischen Organisationswillens — als Industrieritter von Maximi lian Harden especially excepted von den Rittern. Einschränkungen und Erdrosselungssteuern auf Geist und Grips. Berson ist vieles abzubitten. Bleiben nur Zwischenbemerkungen: Zahlungsmittel, näher liegend: Ein- und Ausfuhr trägt beherrschend nur jenes Ethos, das biegsam ist. Die Summe der Individuen im Volksethos zwangs weise organisiert — selbst als Wille — schaffen das niemals. Man veranstalte unter mitzählenden Köpfen eine Umfrage: Selbst heute noch schreit die Liebe nach Brot, obwohl die Mehrzahl der Leute bereits wissen werden, daß Liebe nicht gleich Zeugungswillen ist. Wie dasjenige, was man als Begriff Liebe umreißt, nicht einmal entmaterialisierter vergeistigter Zweck ist, woran so viele sich klammern möchten, sondern Auflösendes aus den begrifflich fixierten Verankerungen irriger, massenbeeinflußter Einzeleinstel lungen — wie Philosophie, Ethik und bei manchem Religion, so wird Luxus nie gesteigerter Verbrauch. Verbrauch ist volks psychologisch erfaßbar. Die sich durchsetzenden Erkenntnisse um Liebe und Luxus nie. Mögen in dem entstehenden Aufeinander- prall auch sehr Beträchtliche draufgehn — die Folgen für kom promißhaft aus Familie und Staat gezüchtete Schwankungen sind für das Individuum mörderisch. Dennoch wird der eine Einzige, der die Religion der Ver schwendung manifestiert, sich gegen Rathenaus Welt durch setzen. Einmal, weil er in diesen Folgen sich gerade von Sekunde zu Sekunde erlebt und rein das Existieren in unerschütterliche Sicherheit gibt, sodann aber auch, weil es nur ihm gegeben ist, Folgewirkungen anderer und gegensätzlicher Einstellungen auf sich zu nehmen. Dies wird die unbedingte Ueberlegenheit über alle erwecken, selbst für den Fall, daß suggestiv andere gestützt werden und mittun, und zwar diejenigen, die nicht Sklaven sein wollen. Mitgehender Intuition zugänglich, weil sichtbar die eigene Be grenztheit dem Herrn der Welt von Stunde zu Stunde wächst und obendrein forciert werden müßte, soll in der Forderung werk täglicher psychischer Arbeitsleistung — als Selbstverständlichkeit empfunden — auch nur ein Funken jenes Glücks, das man be kanntlich nicht aussprechen kann, der menschlichen Gemeinschaft im Individuum bewußt gemacht erscheinen. m a m p e £ .Hn allen Ecken Berlins o ■ a Ittampe’s Cikörstuben ; c i k $ Iflampe