— 4 NEUE JUGEND 23-5-17 L m H rekltune K,*jß Neue Jugend eklame RE KLAME B wt r w t M NG! BHMIHBHl Telephon: Tempelhof 988, 988, e»s Lützow 3553, 3553, 3553 Die Bearbeitung der Propaganden^ 11el erfaßt den individuellen Kern der Waren MEHR LIEBEN „Was haben wir mit Babel zu thui, wir reden mit uns selber, und mit uns p rs Leibes Gliedern und denen, die da wohnen in den Vorhöfen Gottes, mit dene.i so itzt mit uns traurig sind, welcher Tiaurigkeit soll in F eude ver kehrt werden“. Jakob Böhme. M. H. Wo Weltanschauungen, Religionen, Geistesformen ver sagen, da hat immer ihr Kompaktes, Offizielles, orthodox Gewor denes die Schuld. Also genau genommen etwas, was schon nicht mehr mit ihnen identisch ist, was Fälschung, Verrat, Abfall be deutet. Doch makellos und unverwirrt lebt irgendwo bei den Wenigen, desto härter durch Leid Gestählten, die wahre Gestalt, deren unvergänglich Wesentliches für die Augen der zutiefst Getreuen um so heller leuchtet. Was die mit dem Staat ver schwägerten Falsifikate, unter der Kreuzesfahne zu Unrecht segelnd, sündigen, bezeugen mir Angelus Silesius, Jakob Böhme, Dosto jewski als Verleugnung des heiligsten Heilandes selbst, was Streberei, Vorteilsjagd, Rehabilitationsdrang um jeden Preis, „dank- verdienerische Geschäftigkeit“ für das Judentum verbricht, wird mir aus einem Buche Martin Bubers „Vom Geist des Judentums“ (bei Kurt Wolff, Leipzig) ins Reine gebracht. Dieses Buch, das in sechs Stücken — bisweilen geruhig sachwal- terisch, oft unverkennbar von herzlicher Ergriffenheit zitternd — dem Wertvollsten jüdischer Religion Teilnahme werben will, gibt mir Erkenntnisse, die eine schon sehr schwer gewordene Zuneigung als dennoch vor jedem Altar meines Herzens zu Recht bestehend befestigen. Hauptsächlich aus den drei Abschnitten, die der jüdischen Mystik, dem Rabbi Nachman von Bratzlaw und dem Leben des Chassidim gewidmet sind, steigen Klänge, die allem Gütigen, Echten für ewig blutsnah bleiben. Immer wacht eine kleine Schar Versprengter, Verlästerter, Schutzloser vor der Macht der „Rechtgläubigen“, die ihnen nichts erspart an öffentlicher und maskierter Mißhandlung, und auch des jüdischen Geistes Fackel wird von solchen Abseitigen unversehrt gehütet und unversehrt an die Jahrtausende weitergegeben. Immer heißt ihr Schmuck Schlichtheit und ihr Glück Selbstaufopferung, immer gilt von ihnen diese wundervolle Charakterisierung, von der ich ersehnte, daß sie eindringlich zur Seele einer in Kompromissen eifrigen Gruppe unserer Tage schlüge: „Wie die Propheten Israels, so waren auch diese seine späten Söhne keine Reformer, sondern Revolutionäre; sie forderten nicht das Bessere, sondern das Unbedingte; sie wollten nicht erziehen, sondern erlösen.“ Die Blumen, die unter ihren zarten Händen blühen und von Enkel zu Enkel das Leben reicher und vollkommener zu machen Sesam sind, welken nie. Weisungen auf einen Gipfelweg, die man sich und den andern wiederholt,, bis wir wirklich, Körper und Seele, nach ihnen wandeln. Da heißt es: „Die ganze Welt ist voll des Streites, jedes Land und jede Stadt und jedes Haus. Aber wer in sein Herz aufnimmt die Wirklichkeit, daß der Mensch an jedem Tage stirbt — denn er muß jeden Tag ein Stück von sich seinem Tode abgeben —, wie soll der noch seine Tage mit Streit verbringen können?“ Oder: „In jedem Menschen ist Köstliches, das in keinem anderen ist. Daher soll man jeden, ehren nach seinem Verborgenen, das nur er hat und keiner der Gefährten Wer über einen Menschen das Urteil spricht, hat es über sich gesprochen. Der Baalschem sagte zu einem Rabbi, der über einen Sündigen eine harte Buße verhängt hatte: Du hast noch nie den Sinn der Sünde gefühlt und noch nie den Sinn des gebrochenen Herzens.“ Himmlische Demut neigt kummervoll das Haupt: „Das Lehren und Erziehen, das er so ver herrlicht hatte, schien ihm in solchen Augenblicken wie ein Unrecht, fast wie eine Sünde. Denn das Wesen des Dienstes in jedem Ding sei doch, daß der Mensch seiner Wahl gelassen werde, daß das Ding auf seiner Einsicht bleibe und kein Gebot ihm gegeben sei,, und ihm nicht befohlen werde, so zu tun, sondern daß er tue nach seiner Wahl. Auch schien es ihm da, daß er wenig gewirkt hätte, und er empfand, wie schwer es sei, einen Menschen frei zu machen.“ Ueber dem Allen und in dem Allen leibhaftig gewärtig, Atem, Gewißheit, Quintessenz: „Eines der chassidischen Grundworte ist dieses: Mehr lieben.“ Täglich 10-7 Uhr (Sonntags geschlossen) ÖFFENTLICHES INTERESSIERE^! FESTHALTEN! ZUPACREN! llilU!l!ii!UIIUl!lllllliUliili!!j!l!lii!!l!lllll!!!l!lli!lll!lll!!!! IBI!,, 1 . Hpollo-Varietä-Tl)eater. Cüelda Braafz, Sport-Äkt mit Stepptanz. Fritz Steidl, Humorist. Mau und Älfred Ree, Tanz^Parodien, dann die 5 Veras, eine ausserordentliche Drahtseiltruppe (Ragtimetanz auf dem Seil!), als Einlage ein interessanter Prinz-Fjeinrich-Film, abermals Parodisten Pepi und Gusti Gantzer in ihrer Szene „Im ßutladen“, zwischendurch die amüsante 10 Minuten - Revue (wir Mädels, wir Mädels aus dem COesten, wir halten die Männer nur zum besten . . . und so . . .) Ä* und UI. Äsra. Die phänomenalen Billardkünstler, neben den 5 Veras, durchaus beste Leistung des Äbends. Den Schluss bilden die Markgraf u. Rovellls als Musik-Phantasten. (Christliche Wissenschaft) 32, Dessauerstrasse Berlin B8S588888S8888SS83SSS^ Wintergarten Das Programm ist überaus geschickt zusammen gestellt. Die sid) bekämpfeneen Grundrichtungen im Variete zwischen Massenbezwingung und Kulturfaxerei einschließlich besd)läfernder Weinkabinen kommen glän zend heraus. Das letztere liefert hauptsächlich die Rudolf Nelson-Gesellschaft, etwas um die Zensur balan- zierende Käthe Erlholz-Nelson, ganz Weinstube, die alte Berliner Spieluhr (Erna Rlberti-Urude Dusedann) Grude Groll und Curt Fuß, berühmtes Tanzpaar, Fuß als gelehriger Schüler amerikanischer Exentriks- Dahin gehören noch der 3auberkiinstler Paul Scheldon, Fritzi (Geiser, Jodlerin (?) und Sylvia Fjerzig in ihren Ganz schöpfungen (??). Äm anderen Ufer: 3 Ciucinnatis, sachgemäße Jong leure als Eröffnungsnummer, die 2 3^ias, Trapezakt, Äda und Ernst Lanos, Exentriks, denen noch einige zeitfüllende Ideen fehlen, Riblo „mit seinem Wunder- hund“, das Raimund-Grio (vielleicht als „musikalischer Akt“ das schwächste Programm (die Riesenposaune kommt als Groteskwirkung zu spät). Geradezu klassisch die 4 Claires (Reckturner). Das Kostüm des Komikers wirkt fabelhaft, die Leistungen der Truppe sind außer ordentlich. Die sehr wache Direktion mußte nach Nelson ihre FJauptnummer setzen: Die Paetzold-Gruppe, komische Radfahrer, hervorragend — das wahre ursprüngliche Variete schlägt alle Richtungen. Än Komik, Ideen reichtum an an erster Stelle, das Rad aus Militärstiefeln wie ein Rekord. Die Darstellung, die nur vorüber- busdjt, bleibt im FJirn. (Das Publikum erholt sich zum Variete). Theatrum germanicum clausum. Unser zwanghafter Existenzbezirk trägt das Zeichen der Ab- gesperrtheit, der Isolierung, des Erstarrens. Der gleiche Geruch der Unfruchtbarkeit weht aus Gedrucktem und aus dem Gestus des nur noch automatisch Getanen. Wo das Dasein so zum um schränkten Theater sank, könnte das Theater zur unbändigen Leb haftigkeit des restlos sein Ich manifestierenden Daseins wachsen. Ueber Brücken, vom Bestand des Bewährten zum Frühling des Aufbruchs geschlagen, könnte die Fülle der Innerlichkeit, die immer irgendwo vorhanden ist, — auch jetzt —, heraufsteigen. Stampft etwas unterm Boden? Ibsens Borkmann hält verbissnen Gerichtstag — hält er ihn durch? Erschüttert noch etwas aus seiner Litanei den Teil in uns, der der Erschütterung bedarf zur Wiedergeburt? Was erschüttert, sind die Inkarnationen durchbluteter Menschlichkeit, die mit seinen Worten ihre eigene Bloßstellung und Auferstehung erkämpft. Und manchmal noch bleibt eine Handbreit Heiliges Land im himmlischen Lichtkreis: zwei Abgewirtschaftete sich zerkrehlend am siechen Versuch einer letzten Selbst-Bestätiguug durch kitzliche Kameraden- Spiegelfechterei; Jugend, die sich in dem rosenroten Irrtum der unzulänglichen Schicksals-Abenteuerlichkeit verschwendet; und Hingabe wie Haß letzten Endes ratlos vor dem einmal gespürten Blicke des Allmächtigen, der den brennenden Flecken jeder Brust entblößt. Aber das fühlt sich heute im Nu mit und bedarf nicht so vieler Requisiten, den leisesten Pulsgang der zitternden Medien hören zu lassen. Was vor einem Jahrzehnt als knapp gerühmt werden konnte, bedeutet bereits dreifache Unterstreichung und grundlos verschärften Kriegszustand. Auch der Schauspieler Wegner ermattete eckenweis vor dem Zuviel des Wortes und ließ das Wort für Strecken rollen, bis er es mit ausbalancierter Festigung wieder an sich riß. Pallenberg: wundersame Demut eines maus grau-nordischen Schlucks, und der Lehmann ohne jeden Hochmut vom Grunde der eigenen Sehnsucht herauf geholte Mütterlichkeit (den Begriff in seinem streng metropsychischen Sinne genommen) besternten den Abend, den Rosa Bertens mit dem Blitzstrahl ihrer pathetischen Inbrunst durchzuckte. Vor ein härteres Tribunal bindet Strindberg. Seine Toten sind nicht einbalsamiert; ihr Fleisch zerfällt vor unseren Augen und ihre entkernten Skelette weisen die peinlichsten Ver- häkelungen auf. Dann, wenn der Engel des Herrn sie beruft, geht durchs zermorschte Gebein feines Flötenklingen der ewigen Um- armtheit, das allzulange in ihnen verschlossen lag, vom leidvollen Zynismus der Existenz-Angst abgeleugnet. Irene Triesch, als die Furia Dolorosa, war ein Gipfel jener Schauspielkunst, die vom Zentrum der eigenen Lebensnot oder Lebenserhöhung aus die Stufen zum nachbarlichen Stimmungstor gräbt. Verlassen hing ihr Leib am Kreuze, und aus ihrem gekrümmten Munde flutete Haß, der sich mit Tränen sättigte. Hartau gehörte der neuen Epoche an, die Mimisches zum endgültigen Symbol des umfassen den Triebes werden läßt und den geschlossenen Kampf einer expulsiv überwältigenden Aktion meistert. Marionette in der Gottheit Hand, flocht er sich dem mystischen Puppenspiel mit fanatischer Wollust ein. Im Formalen flunkert W e d e k i n d um ein Haar nahe dem neuen Wollen. Die letzte Revision seines Prozesses ergibt, wie sehr seines Dialoges Ticken schon Tempo unseres eigenen war. Der Schauspieler Wedekind bringt dem Theatralischen die Steige rung zum Mythos, peitscht unser aller Haut, wenn zischende Schläge die eigene aufstacheln, und läßt auf improvisierter Szene Eros mit Psyche bedornte Schächer zeugen. Doch die vielge rühmte Orska zirkelt Elementares zum eitlen Raffinement mondäner Koketterie, Schigolch, Rodrigo, Rahmen und Rhythmus der Auf führung schlossen sich allein der gladiatorischen Vorturnerschaft Wedekinds an. Aus der dreimaligen Suche nach dem Gesichte neuen Theaters schält sich ein dreimaliger Cancan um den suggestiven Fetisch. Mit Würde gebockt, mit glühenden Kohlen abgerackert, sein Saho- mortale in Delinquenten-Baue zu einem Rekord zwingend. Aber wie ist das „neue Drama“ bestellt? Das neue Drama großen, menschlichen Formates muß — wie das alte, das diesen höchsten Wert behält — aus dem Blute der Menschen geboren sein. Kein Ziel unwesentlicher Objekte, sondern der schmerzhafteste, gefühlte Ringkampf des Ichs, jene unaufhör liche Auseinandersetzung um Sein oder Nichtsein, im Innersten des Herzens, die eben „das Leben“ i s t. Die Kreatur, am Rande des Abgrundes angelangt, der die Umwelt irdischen Nachbar- wollens vom Flammenbogen zu Gott empor scheidet, zerbricht sich, und wieder einmal ist das Wunder vollbracht, daß über der unwiderruflichen Aufopferung die schreiende Kluft des Forums sich schliesst. Unbedingtheit des Sakramentalen hat Schickeies Dich tung. Die Welten, die gegeneinander wogen, machen die letzte Zuflucht eines Kreuzträgers, seine organische Märtyrer-Geboren- heit, zum Kampfgefilde. Und die Liebe beharrt, wo sie im Anfang war, stirbt eher mit dem totgeweihten Ideal, als daß sie sich an das momentan triumphierende Widerspiel verrät, leidet eher Selbst auflösung ins Ewige, als Verwandlung zum Liebling einer (wenn schon — es kann ja sein — hundertjährigen) Zärtlichkeit. Die Heilands-Aufgabe des Blutes und des Hirnes wird so ernst ge nommen, daß Lockung und Drohung, Schuld und Scham, Zu neigung und Preisgabe schließlich ganz ohnmächtig vom Fuße des Scheiterhaufens zu Asche zerfallen, den der Stigmatisierte — schon weltenfern — schwindelfreien, doch nicht hüpfenden Schrittes besteigt. Die melodische Strömung, die unvergänglich hinblühende Musik des Gleichnisspieles kam in der Aufführung nicht heraus. Des Dichters Absichten wurden in manchen Punkten zum Gegenteil verkehrt, die Gallier Karrikaturen, die Anmutigkeiten des jenseitigen Ufers unterschlagen. Hinter der Szene sang Offenbach, auf der Szene oft beinahe der Trompeter von Säckingen. Die Frau, Madama im Ringe feuriger Zungen, wurde von Leonore Elm mit so schlichter Innigkeit beschenkt, daß an der gebenedeiten Echtheit solcher Durchleuchtung das Talmiglitzern modegefragter Kulissenpuppen zur kläglichsten Erinnerung verblich. Gustav Rodegg hatte viel: hatte Natürlichkeit — —; Grenzenlosigkeit wäre mehr gewesen. Lupu Pick ergriff stückweise, Eva Speiers Lachen war aus diesem Lande, Ernst Pittschau besass die Umrisse des Wirklichen. Die Berliner Kritik, der bei Ibsen Seßhaftigkeit in mittleren Temperaturen nicht schwer fiel, vor Strindberg der Atem ausging, mit Wedekind Anlaß zur Rehabilitierung geboten war, machte vor Schickele aus schlechtem Gewissen Harakiri. Requiescat in pace! Nämlich: Die gemeinste Sünde wider den Geist ist Trägheit! Max Herrmann. &CHIUFT DES CEISfESi Selbst bis in die Niederschriften begrifflicher Art, wo es für den Autor leichter ist, subjektiv sich außerhalb zu halten, denn in einem Gedichte oder in einer Erzählung, bis in Aufsätze, bis in Kunstbesprechungen hinein, sage ich, drängt sich dem Leser zumeist als erster und hauptsächlicher Eindruck nicht so sehr der Inhalt und die reine Mitteilung der Worte auf, als die Wesenart und die Person dessen, von dem das Gedruckte abstammt. Es gibt zum Beispiel ein Buch von Maurice Barres, das über den Greco handelt; dies die Versicherung auf dem Umschläge. In Wahrheit handelt die Arbeit — sicher eine geschmackvolle und rassige Arbeit — nicht über den Greco, sondern ist ein Selbst befund über Maurice Barrfcs; der Greco steht dahinter, als Zufall und Nebenbelang. Er, Barres, verzeichnet seine Gefühlserglühun gen, er, Barras, führt seine Beobachtungsgabe vor, stellt Vergleiche an, lehnt ab, stimmt zu, entwickelt, prüft, zieht Schlußergebnisse. Ganz verdeutlicht wird seine Person, Entblößt liegen die Denk angewohnheiten desselben, ihre Urteilszusammenhänge, ihr fest bestimmtes Verhalten von Zuneigung und Abkehr. Wer das Greco- Buch liest, hat eine neue Bekanntschaft geschlossen, die Bekannt schaft mit dem Schriftsteller Maurice Barrfcs. Ein Gegenbeispiel zu dieser den Autor photographierenden Prosa ist das kürzlich erschienene Buch Theodor Däublers „Der neue Standpunkt“, auf das hinzuweisen hier nicht die Absicht ist, sondern das ganz so beliebig herausgegriffen wird als die Greco- ach nein! die Barres-Studie von Maurice B. In dem Buche Däub lers stehen in bunter Reihe Würdigungen neuer Maler und Bild hauer; mit „Munch“ und „Barlach“, „Marc“ und „Picasso“ etc. sind die einzelnen Kapitel überschrieben. Mag sein, daß Däubler ein interessanter Mensch ist: Aus dem Buch heraus wirkt als interessant nur der Stoff und die Aussage form. Es wirkt mit einer großen und reinen Nachdrücklichkeit. Die Frage, die sich ansonst so pünktlich stellt nach dem Lebensalter, dem Bildungsgrade, der Erfahrungsweite des Schriftstellers, eine Frage, die ganz unbewußt im Anblick der Sätze und der Einfälle geweckt und beantwortet wird und mit Dingen uns zu beschäf tigen heißt, die menschlich zweiten Ranges, der Sache nicht förd.er- sind — diese Frage schweigt sich hier aus. Darum, weil Däubler, gleichgültig ob aus Absicht oder Naturanlage, alles aufgeboten hat, die Spur zu ihm ringsum auszulöschen. Wir treffen auf niemanden mit den und den gut gekannten Denkwiederholungen, auf keinen endgültigen Umriß und Gestus, auf nichts von einem stehen gebliebenen Ich. Immer sind der Stoff und dieses Ich ineinander geflammt, verbrannt und die Asche ward in den Wind gestreut. Uns zurück tönt Gedankenschall und reiner Geist. Nachdem die Anzahl der Gesichter, denen man sich anzu freunden hat, schon im täglichen Leben zureicht und fortwährend neue Bekanntschaften zu schließen mehr verwirrt als lohnt, sollten die Bücher und jederlei Kunstwerk ganz fremd und namenlos sein, und den Betrachtenden müßte nicht zugemutet werden, daß ein einzelner jemand, im Spiegel seines Werks, ihnen seine angeborenen Stellungen, Blicke, Tonfälle, Händedrücke Vormacht. Wenn Gott fried Keller ein Erdenbürger mit buntverschlungener Kindheit, mit krausen Ansichten, merkwürdigen Gaben, Plänen, Schicksalsfällen gewesen ist, so teilte er dieses Besondere mit Tausenden vor und nach ihm. Dafür den Nachweis zu erbringen, hat er seine Bücher geschrieben. Die Wichtigkeit! Hier trägt Seite um Seite die Gesichtszüge immer wieder Gottfried Kellers, des Züricher Stadt schreibers; umständlich und zeitraubend modelliert sich Mund, Auge, Stirn und das Innere hinter der Stirn. So daß Philologen, wenn sie bezeichnen möchten, was Kellers Prosa schön oder eigen tümlich macht, sie stets von dem Bleibenden, dem Stil unversehens auf den Menschen übergleiten müssen, auf Natur, Wuchsart, Männ lichkeit Gottfried Kellers. Der Stil gibt dem Künstler die Möglichkeit, schon hienieden die Erlösung durch eigene Inbrunst vollziehen und über sich hin weg in den Raum des Zeit- und Figurlosen dringen zu können. Die große Qual und Wonne G. Flauberts war eben dies, daß er seinem privaten Ich so grimmig zusetzte, bis es verging und Dich tungen dastanden, die allein mit dem Künstlerischen in sich aus- kommen und wirken. Weil Werke so unbedingten Wesens (also Schriften Flauberts, Heinrich Manns, Theodor Däublers) der psychologischen Wissens lust keine, aber auch gar keine Handhabe bieten, pflegt gegen sie der Vorwurf sich zu erheben, sie seien „unmenschlich“. Der Vorwurf trifft Richtiges. Von menschlichen Beziehungen zu ihrem Autor, vom Klange privater Erfahrung, von offenen Ich-Einge- ständnissen sind diese Bücher gründlich gereinigt. Notwendig müssen sie den unergriffen lassen, der sich aus ihnen von Mensch zu Mensch angesprochen und zu Frohsinn oder süßem Leid, zu Lachen oder Weinen, zu Trost oder Ansporn gestimmt sehen möchte, kurzum der mit der üblichen Verwechslung Bücher für eine Gelegenheit nimmt, hier Stunden des Anschlusses, der Ge selligkeit, des verwandtschaftlichen Verstehens zu verbringen. So wenig Teilnahme für den Menschen in den Dingen der Natur, in Tieren, Gewächsen, Wasser und Wind ist, so wenig in den reinen Kunstschöpfungen. Darum sind sie unmenschlich. Aber alle Kraft und Grenzenlosigkeit des Geistes ist in ihnen, des Geistes Flutung, sein Wunder, sein ewiger Zeugungstumult. In ihnen dichtet ein Menschsein ohne Zeit und Eigenperson; der vielfache Wille vieler fremdbrüderlicher Herzen vereinigt sich in ihnen; Gedanken aus allen Reichen des Todes und des Lebens fließen herbei, bilden mit, und die Schöpfung wird nie stille, sie bebt für immer an der eigenen Daseinsfülle, die gegen ihre Form brandet. Unsozial im Grade des Herkömmlichen, ist solche Kunst tätiger, herrischer, gewaltsamer denn alles Werk, darein ein Autor die Zeugnisse des eigenen Temperamentes unmittelbar verbucht hat. Aber was vor sich geht, sind rein geistige Erschütterungen oder Beunruhigungen. Der dräuende Wille, der solchen Büchern, Statuen, Malereien entströmt und aus ihnen sich auf die Seele des Aufnehmenden wirft, trachtet an ihm die höhere, die ewige Person zu gewinnen, sie zu bereichern, zu lockern und vom Boden zu heben. Schönheit teilt sich mit als unfaßbare Tat. Friedrich Markus Huebner, Der Berliner Theater-Jacob. (Man hat sich vorgesetzt, den Geschmack zu reinigen. Man fördert die Kunst, man hindert die Unkunst. Man hofft von dem Sieg der Kunst, noch immer eine Veredelung des Menschengeschlechts, das dergleichen wahrh ftig zebrauchen kann. Aber, ach! . . . Nach jeder neuen Nummer, seit sech gehn Wochen, ein neuer Anwurf. S. J., Schaubühne XIII. Jahrg. Nr. 10.) Jacobsohn serviert einen „Fall“! Es war höchste Zeit, dass in seiner Stadtküche, der Schaubühne (ihr erkennt sie am verstaubtem Umschläge!) ein Braten geschmort wurde. Was reicht man sonst dem nüchternen, deutschen Magen der viel- tausend Kunsttrachtenden und wahrheitsschmachtenden Kultur kämpfer (und wären es nur Theaterkulturhungernden!) zum goutieren. Es gilt die Vereinsfahne edler Kunstbestrebung hoch (makelrein!!) zu halten, deshalb muss man eine Frau be werfen. So tut Jacobsohn (denn es geht um die Kunst!) Er geht nicht gegen die Theaterbesitzer restlos vor, die streift er nur so mit) sondern er stürzt sich besessen auf die unwissende Frau. Sie ist die Ausführende (?), die „Zugkraft“, sichtbar! („das schv/arze Hexlein am Werk“) folglich: sie biosstellen, demütigen, demons- tieren! Wer ist sie? Unwesentliche Fr geü! Wer bist du? Wer bin ich!!! Sie ist die Schauspielerin der .... des desPublikums. Immer des Publikums!! Das Publikum ohr feigen, immer entohrfeigen, mich solange ich derartige Zusü’inde mög ich mache, dies ist: schaffe ich nicht die Unmöglichkeit dem selben. Warum zwingen wir das Spiel nicht um, ab! Vom Auditorium aus wird dirigiert. Und es gibt kein Abladen, keine Abschiebung aut v^iüte. Es gibt keine Opfer!! Aber so kommen die Grune-Ge. ixen wäldler um ihr beseligtes Wiederkauen. Dann ist » < Tal nicht als solcher beboxbar. Dann ist auch die Frau, eine Schauspielerin oder Nichtschauspielerin, nicht mit den Ex krementen eines bürgersteigtrottendan Intellekts bewerfbar. Ist diese Frau nicht mit ihr ungreifbarer Belastung hilflos hin gestellt, zum Weiterspielen gezwungen. Denn was soll sie? Gibt ihr wer den Weg? Was weiss sie, als dass sie auf der Bühne steht und spielt oder nicht, so beirrt oder verirrt sie von ihrer Umgebung dazu veranlasst wird. Nicht mal d es weiss sie! Spiegelt, spielt. Keiner ist da, der auflöst und auffängt, alles tilgt. Jacobsohn wollte den Wertnimbus, den die Berliner Kritiker dieser Schauspielerin schrieben, erledigen. Erzielte: Ein Revolver blatt zerschnüffelte nachttöpfelnd „seinen“ Fall. Bedenkt: sein Braten! all die Fladen: sein Braten! Wiederum roch Moral! Das deutsche Gretchen wird für des Volkes Bühnen gekreiert, das Reformkleid angepasst. In Deutschland kriecht aus jeder Ecke das Kunstgewerbliche. Professor Siegfried trägt unentwegt seine Fahnenstange ungeachtet eer Eierschalen aus den Berliner Grün derjahren, die an seinen Redaktionsrockschössen kleben, unentwegt durch den grossen, grünen Theaterwald. „Stramm sitzt der Kneifer auf dem Nasenrücken“. Michaelis sollte alle Theater, diese Steinbaukästen, für Speicher* zwecke aufkaufen lassen!!!!!!!!!! Mitarbeiter dieser Nummer: Friedrich Markus Huebner, Johannes Reinelt, George (irosz, Richard Huelsenbeck, Franz Jung, Max Herrmann, Helmut Herzfeld. Verantwortlich für den gesamten Inhalt: Helmut Herzfeld, ßerlln-Halenste. Druck: Maurer £ Dimmick, Berlin.