10 der Ruf: „meine Schuhe“, und barbarisches Gelächter. — Da sagten wir uns gemeinsam, daß diese Lynchungen nicht auf Erregung, sondern auf System und Instruktion zurückzu- führen seien. Gegen Abend hatte Herr K. eine nochmalige Unterredung mit seinen Bekannten (darunter ein Offizier), die übrigens Zeugen dieser Szenen waren, und erfuhr von ihnen sowie gleichzeitig vom wachhabenden Unteroffizier, daß zwei Galizier totgeschlagen worden seien. — Das Geschrei der Frau, erklärte der Wach habende, sei nicht von einem Opfer ausgegangen, vielmehr von einigen der sehr zahlreichen Soldatenliebchen, die sich Tag und Nacht in dem Gefängnis aufhielten und denen das Blut der Er schlagenen ins Gesicht gespritzt sei. Wir glaubten diese Aus sage nicht, und am nächsten Morgen (Montag) erwies es sich, daß die Angaben falsch oder ungenügend waren; denn aus der Zelle, in welche am Abend vorher nach dem Weibergeschrei ein menschlicher Körper, der die Galerie entlang geschleift worden war, hineingestoßen wurde, vernahmen wir nunmehr entrüstetes Schimpfen einer Frau über die tierische Behandlungsweise, die ihr am Vorabend zuteil geworden war. Der Wachhabende gab auch zu, es handele sich um eine Frau Hauptmann Barthel (?). Man hätte sie auch sicher totgeschlagen, da sie 20 Offiziere an die Spartakisten verraten habe, nur dank eines an ihr befestigten (?) Zettels „Lebend eingeliefert“, den der Transportführer sich quittieren ließ, habe man die Lynchung eingestellt. Sie sei an den Haaren nach der Zelle geschleift worden (?). Wir fragten, woher sie das angebliche Verbrechen der Frau wüßten. Antwort: Bei jedem ankommenden Transport wird uns 10 Minuten vorher mitgeteilt, wer die Gefangenen und was ihr Vergehen sind. Wir sahen also unsere Vermutung, die Lynchungen seien auf System zurückzuführen, bestätigt. Die späteren Ausführungen über den Fall S. und die „Lichtenberger“ bestärken diesen Ver dacht.*) Montag Nachmittag kurz vor 3 Uhr kündigte man uns Ab transport nach einem anderen Gefängnis an. Ich äußerte so gleich zu meinen Genossen, das bedeute Übles, denn schwerlich ließe man uns vor Anbruch der Dunkelheit abmarschieren, so daß wir den ganzen Nachmittag lang der Willkür der Sol daten preisgegeben sein dürften. Es kam so. Etwa 320 Mann standen wir inmitten des Gefängnishofes, uns gegenüber der- ®) Bei dieser Gelegenheit erzählte man uns, Radek und Ledebour seien ständig von Doppelposten bewacht, deren ausdrückliche Aufgabe es sei, im Falle eines Angriffes auf das Gefängnis diese beiden Männer zu töten. Eine Prüfung des wahren Sachverhalts wäre jedenfalls angebracht.