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ihn auch nicht mehr holen, da sie auch gleich mit verhaftet
wurde. Man beschuldigte ihn, ein bis sieben Offiziere ermordet
zu haben, was mir Herr S. eidlich als totale Unwahrheit be-
zeichnete. Er führt seine Verhaftung selbst darauf zurück, daß
er am Vorabend seiner Verhaftung die Nachricht der Lynchung
zweier Offiziere auf dem Alexanderplatz aus der Zeitung vorlas
und seine persönliche Meinung, die nicht offiziersfreundlich sei,
dazu geäußert habe. Wahrscheinlich habe jemand, da die Fenster
geöffnet waren, seine Worte gehört und sie zu einer verleum
derischen Denunziation mißbraucht. Er könne es sich nicht
anders erklären. S. versichert mir, er sei wohl nur deshalb am
Leben geblieben, weil der Freiwillige, welcher ihn verhaftet hatte
seiner Verhaftungsprämie nicht durch Tötung des Verhafteten
habe verlustig gehen wollen,*) außerdem wurde auch er mit
dem bezeichnenden Vermerk „lebend und gesund ein-
gefiefert“ ins Lehrter Gefängnis gebracht. Zu verstehen ist
solch ein Vermerk wohl derart: Der Transportführer will ver
meiden, daß man von Leuten, die im Gefängnis gelyncht werden,
nachträglich etwa behaupte, sie seien tot oder halbtot eingeliefert
worden.
In Plötzensee angelangt, hofften wir, nun den Freiwilligen
entronnen zu sein. Wir täuschten uns. Denn im Hofe kom
mandierte ein beleibter Herr, der dauernd mit einer Hand
granate in der Luft herumfuchtelte: „An die Wand stellen.“
Dieser Trick, obwohl nicht zum ersten Male angewandt, ver
fehlte auch diesmal seine Wirkung nicht. Die meisten glaubten
in diesem Augenblick wohl, füsiliert zu werden, auch ich im ersten
Moment, dann aber hielt ich es denn doch für zu ungeheuerlich,
daß man über 300 Menschen einfach niederschieße, außerdem
sprach dagegen, daß wir vier Glieder tief an die Wand gestellt
wurden. Allerdings ließen uns die bereits bei unserer Ein
lieferung im Lehrter Gefängnis laut gewordenen Drohungen:
„für jeden toten Regierungssoldaten wird ein Spartakist er
schossen“, vor allem aber die Lichtenberger Schauermär, das
Unglaublichste für möglich halten. Der beleibte Herr brüllte
auch, die Zellen seien für uns zu schade, — aber man erschoß uns
nicht; vielmehr hieß es: „Die Lichtenberger absondern.“ Das
geschah eigentümlicherweise einfach derart, daß man vom linken
Flügel 20 bis 30 Mann als Lichtenberger bezeichnete, obwohl die
Leute doch ganz zufällig beisammen standen. Sie verschwanden
unter starker Bedeckung durch ein großes Tor, das in einen
anderen Gefängnishof führte; derselbe beleibte Herr rief nach:
*) S. hörte einen diesbezüglichen Streit mit an.