Der (Maiers Konversationslexikon, Bd. XIII, Ma — Mi, S. 9237.) Mitteleuropa, lebt in Rudeln; wohnt in Villen, kommt aber auch in Häusern mit Zentralheizung' und Fahr stuhl vor. Geschlecht der Wulstträger (es handelt sich um eine der weit verbreitetsten Spielarten des unbehaarten Halbgotts, der auf den Schultern eigen tümliche Auswüchse aufweist, vom Volksmund Epau- letten auch Achselstücke genannt). Die Marlolis zerfallen in drei Abarten: solche von Marloh, solche mit Monokeln (welche stets das E. K. I tragen) und solche, die sich mit Noske duzen. Alle drei Arten werden täglich in zahlreichen Fällen geboren. Nicht selten als Zwillinge. Der junge Marloh hat eine Amme, zwei Dienstmädchen und darf mit dem Portierkind nicht reden. Er tut es doch, dafür muß er im Nachthemd zwei Stunden lang nachexer zieren. Dann betet er: „Ich bin klein, mein Herz ist rein, jeder Matrose ist ein Schwein.“ Sodann gibt ihm die Mama einen Kuß, und bald wird er größer. Dann bekommt der junge M. einen Schulranzen, aus dem ein Schwämmchen hängt. In dem Schulranzen befinden sich zwei Stullen mit Gänsefett, welche in Butterbrotpapier gewickelt sind. M. muß das Butter brotpapier zweimal geknickt und glatt gestrichen aus der Schule mit nach Hause bringen. Zuweilen hat der junge M. eine Hauerei. Er bringt dann den Schulranzen nicht mit nach Hause, auch das Butter brotpapier nicht. In solchen Fällen läßt Vater M. den Onkel durch den Burschen zum Familienrat bitten. Der Onkel M. ist entweder asthmatisch oder syphilisch, er ist im Auswärtigen Amt oder Besitzer eines Renn stalls. Der Onkel bringt Bleisoldaten mit, und wenn der Junge gut damit zu spielen, d. h. die Soldaten dergestalt anzubrüllen versteht, daß das Dienst mädchen vor Schreck die Tassen fallen läßt, so wird ihm verziehen. Der junge M. weiß stets gut mit Soldaten zu spielen; und so fließt seine Jugend un getrübt dahin. Trotzdem muß er das Abitur machen. Daran sterben in Deutschland jährlich 2000 Privat lehrer, und 4000 Oberlehrer werden pensioniert, auf daß dem jungen M. das Abitur gelinge. Wenn M. das Abitur bestanden hat, muß er sich im Elternhaus be trinken. 7 Monate später wird das Dienstmädchen unter Schimpf und Schande aus dem Hause gejagt. Inzwischen ist M. Fähnrich geworden. Des M. Gesichtspickel schwinden. Er trägt Tag und Nacht Handschuhe und schläft auch bei seiner Reitpeitsche. 14 Tage disziplinarische Strafe sollen einen hervor ragenden Offizier aus ihm machen. M. ist der Lieb ling der Damenwelt: Er kann 10 bis 15 Tausend Mikoschwitze, tennis-spielen, regatta-rudern, reiten, kennt jede Operette, hat einen Hund, der täglich 30 Mark Verpflegung kostet, und duldet keinen Widerspruch. Wenn Krieg ist, wird M. im ersten Monat ver wundet. Er nimmt mit einer Patrouille von 8 Mann 500 Franzosen gefangen, verbietet seinen Leuten zu requirieren, treibt dafür aber selbst doppelt soviel Kontributionen ein, als vom Oberkommando dem Etappenort auferlegt wurden. Im Lazarett hat M. ein eignes Zimmer, die Schwester stellt ihm täglich zweimal frische Blumen auf den Nachttisch. Auf diesem liegt Faust, ein Ullsteinbuch sowie ein Hand schreiben seines Kommandeurs. Wenn die Revolution ausbricht, führt M. eine Studentenkompagnie zum Schutz der revolutionären Errungenschaften (vgl. Runge, Bd. XVIII, S. 12317). Zu Mittag speist M. abwechselnd bei Sklarz, Parvus (woselbst er Noske und Ebert kennen lernt) und bei seinem zukünftigen Schwiegervater, einem Pfarrer, der Spalierobst zieht und allabendlich den Exkaiser sowie die kaiserliche Familie ins Gebet einschließt. M. erkennt keine Soldatenräte an. Seine Leute müssen in der Kaserne schlafen, pünktlich zu Hause sein und dürfen nur dann requirieren, wenn die Presse mit Nachrichten über Plünderungen der Spartakisten versehen werden soll. Der junge M. (besonders zu Zeiten, wo er ver lobt ist), ist sehr gefühlvoll und läßt daher von jener Sorte Menschen, die diesen Namen nicht verdient, nur ein Fünftel der Zahl niederschießen, die sein Vor gesetzter im Leichenschauhaus eingeliefert wissen will. Wegen Ungehorsams läßt dieser Vorgesetzte den jungen M. demzufolge vor Gericht stellen, wo selbst er zu 1 Monat Festung verurteilt wird. Diesen Monat verbringt der junge M. stundenweise auch im nüchternen Zustande. — M. wird mit Vorliebe Ver treter seines Volkes im Auslande oder in Zabern oder in Oberschlesien: wo auch immer er sein Volk ver tritt, vermehren sich Witwen und Waisen zusehends. Man findet M. häufig auf Postkarten abgebildet; so schmückt er das Heim junger Mädchen und in Ehren ergrauter Patrioten. Falls seine Schulden der Familie über den Kopf wachsen, wird er Film schauspieler oder Reisender. Das kommt nur selten vor. Meist erlebt der M. ein hohes Alter, welches er mit dem Schreiben von Memoiren ausfüllt. Er zeugt zwei bis acht Nachkommen. W. H. — insofern der Mensch beim Leutnant anfängt, — oder höhere Schulbildung genossen hat. Will jemand ernsthaft behaupten, daß der Tod auch für den einfachen Mann eine Strafe sei in unserer deutschen Republik. Noske sagt doch selbst, die Matrosen hätten es erst zum Leutnant bringen sollen; dann hätte ihnen kein Mensch Raub und Plünderung vorgeworfen. War doch über 4 Jahre lang Rauben und Plündern die offizielle Losung, die Losung von oben herab, wer wollte jetzt dafür Strafe erteilen? Das hieße ja Deutschlands Männer aus rotten! Nun! — der gebildete Deutsche braucht nichts zu befürchten, Sozialdemokraten sind ja am Ruder, und die hassen die Todesstrafe. Man läßt Deutschlands Männer einsichtigerweise nur dezimieren, soweit es sich nicht um Offiziere oder andere satis faktionsfähige Herren, sondern lediglich um Matrosen, Arbeiter, Revolutionäre und sonstigen Müll handelt. P'ür solche Leute ist das Umgebrachtwerden doch fürwahr eine tunlichst zu fördernde Erlösung von der Not des Daseins. Der nur oberflächlich kultivierte Ausländer könnte fragen: „Wozu Marloh-Prozeß? Die Matrosen, sagt Noske in die „B. Z.“, sich selbst umgebracht haben, wozu Prozeß, warum?“ Kann einer dümmer fragen? So ein Ausländer ist doch zum Lachen: wozu? warum? Überhaupt — was soll die Entente denken! Gott, auch feine Leute zanken sich von Zeit zu Zeit. Und wenn sich dabei herausstellt, daß ein neunund- zwanzigfacher Mörder nicht nur unschuldig, sondern nicht einmal zu Roheiten geneigt, ja gewissermaßen das Schulbeispiel des edlen Deutschen ist, an dessen Wesen die Welt genesen soll, so ist damit der gesamten Kulturmenschheit endgültig der Beweis erbracht, daß am deutschen Wesen die Welt in der Tat genesen wird und muß, da es sich (dank den Sozialdemokraten, die die Todesstrafe abgeschafft haben) heute hemmungsloser als je entfalten kann: in absehbarer Zeit dürfte die gesamte proletarische Bevölkerung der Erde nebst dem übrigen der Kinderstube ermangelnden Menschenmaterial aus gerottet worden sein. Darauf stehen zwar etliche Monate Festung, doch bleibt diese Erholung hin fällig, denn wer soll die Herren während ihrer Haft dann bedienen? Nein: nachdem der letzte nicht standesgemäße Erdbewohner infolge seines unbot mäßigen Benehmens irgendwo an die Wand gestellt worden ist, werden sie (das läßt sich mit Bestimmtheit Voraussagen) nach einem dreimaligen Hoch auf das Haus Hohenzollern standesgemäß zu verenden wissen. Bezweifelt jemand, daß dann die Welt genesen ist? W. Ii. GOTT und der Staatsanwalt MST UNS!