k 63 Tageblatts werden nun wieder nicht wissen, was Dauerbezieher sind, weil nämlich die Schriftgelehrten des Tageblatts wieder nicht deutsch können. Aber Stahl weiss, was Kubus heisst. Woraus er schliesst, dass der Expressionismus „eine zu den Ahnen ver sammelte Mode sei“. Ein kühnes Bild zwar, geschaffen von dem Kunstkritiker, der weiss, was Kubus heisst. Vor längerer Zeit hat Herr Stahl einmal folgendes festgestellt. Er habe ein Buch über Kubismus gelesen von einem Herrn, der in Paris gewesen sei. Dieser Herr habe von einem anderen Herrn gehört, dass der Kubismus gestorben sei und dass man nunmehr in Paris wie Ingres male. Herr Stahl persönlich teilt mit, dass er das immer gewusst habe. Der Herr Kubismus habe überhaupt nie gelebt. In folgedessen habe er ganz genau gewusst, dass dieser Herr Kubismus bald habe sterben müssen. Was ihm nunmehr von dem Herrn aus zweitem Munde bestätigt worden sei. Jetzt hinwiederum, im Februar 1922, habe er, Herr Stahl, persönlich der Eröffnungs feier der Marc-Ausstellung in der National- Galerie beigewohnt. Er habe sogar per sönlich Briefe des Malers vorlesen hören. Er sei sodann sogar persönlich in die Bilder säle hinaufgestiegen: „Aber es war ein Herab gleiten. Die hochgezogenen Brauen sanken in ihre alltägliche Lage zurück. Und als man einen der Getreuesten nach dem Ein druck der Bilder fragte, antwortete er: Aber die Briefe! So steht es schon heute um das Werk eines dieser Jungen, die man als ewige Werte ausgeschrieben hat.“ Dies mal hat Herr Stahl also aus erstem Mund etwas gehört, worauf seine Brauen in die alltägliche Lage zurücksanken. Und tri umphierend schliesst dieser Herr Stahl aus der Brauenlage, dass es so schon heute um das Werk dieses Jungen stehe. Anerkennens wert bleibt immerhin, dass Herr Stahl per sönlich in die Bildersäle hinaufgeglitten ist, wo [er doch ruhig abwarten konnte, bis er den Herrn einmal in seiner alltäg lichen Lage getroffen hätte. Aber so steht es nun einmal um den Herrn Stahl. Er schreit sich als ewigen Erkenntniswert aus und hat immer schon gewusst, was Kubus heisst und was sterben wird. Er persönlich ausgenommen. Schliesslich muss man sich doch für die Einheitsgemeinde erhalten. Ganz besonders aber weiss Herr Stahl auch in der Zoologie Bescheid. Er hat das Leben der Tiere in der Jerusalemer Strasse per sönlich so beobachtet, dass ihm der Franz Marc keinen Stier für ein Behkalb malen kann. Herr Stahl beruft sich sogar auf Franz Marc, der nach seinen Briefen sich selbst noch nicht genug vollkommen vor kam. Und das hat der Herr Stahl mit seinem Scharfblick auch sofort erkannt. Er brauchte nur die Bilder nicht zu sehen und wusste trotzdem schon, was Kubus heisst, dass Franz Marc nicht vollkommen und der Expressionismus bei den Ahnen sei. Da staunste! Immerhin wird der Mensch mit dem zunehmenden Alter vorsichtiger: „Ein Bild, ein Ganzes in Rhythmus und Farbe, wie er wollte, hat er in diesen Jahren des Suchens kaum geschaffen.“ Kaum ist die Vorsicht des Alters. Der Mensch kann schliesslich auch in fünf Minuten etwas übersehen haben. Aber man kann nie vorsichtig genug sein: „Was wirkte und den Glauben an seine Kraft aufrecht erhält, sind zwei Dinge“. Nämlich nicht das Reh kalb hat gewirkt, sondern Herr Stahl hält seinen Glauben an einen Hund aufrechf und auf einige Gelegenheitspostkarten: „Diese kleinen Bildchen stellen seine eigentlich schöpferischen Leistungen dar“. Nämlich: „Während sonst überall nur Absichten zu sehen sind, spürt man hier, wo er sich gehen lässt, einen aus dem Wesen strömen den Willen“. Der strömende Wille, der sich gehen lässt, fährt den Ansichten des Herrn Stahl in den Weg und zwar so, dass der kaum verstorbene Expressionismus aus den Wolken fällt: „Marc wusste garnicht, dass er hier die neue Malerei, die er bald hier, bald dort in zweifelhaften Vorbildern suchte, aus eigenem Gefühl gefunden hatte“. Das wusste Marc nicht. Dafür weiss es Herr Stahl, der ausserdem weiss, was Kubus heisst. Also, um es zusammen zu fassen: Marc hat aus eigenem Gefühl eine neue Malerei, wenigstens auf Postkarten und auf einzelnen Stellen von Bildern, gefunden. Diese neue Malerei aus eigenem Gefühl ist eine Mode, die gestorben ist. Nach ihrem seligen Tode hält sie aber den Glauben an ihre Kraft aufrecht und wirkt gelegentlich selbst auf Herrn Stahl. Für wen das nicht eine klare Analyse ist, der kann unmöglich die Bücher der „geistigen Führer dieser merkwürdigen Kunstgemeinde“ verstehen.