64 Herr StahFpersönlich soll Kunstschriftsteller sein, wie mir neulich ein Herr in London gesagt hat, der es von einem Herrn aus Heidelberg gehört hat. DasdBerliner Tageblatt hat auch eine ständige Rubrik für Geisteskrankheiten. Rubrik ist vielleicht übertrieben. Denn die betreffen den Artikel von Psychiatern und anderen Ungeistigen erscheinen durchschnittlich nur aller drei Monate. Die Geisteskrankheit dieser Psychiater besteht darin, dass sie die zeit genössische Kunst für eine Ausgeburt ihrer psychiatrischen Phantasie halten. Ausser Herrn Fritz Stahl dürfen im Rerliner Tage blatt sich nur Psychiater über die Kunst äussern. Ich vermute daher, dass Psychiater auf deutsch Kunstkritiker heisst, während Herr Stahl nach meinen obigen Feststellungen Kunstschriftsteller ist. Das Rerliner Tage blatt druckt seinen Text gewöhnlich. Nur ein einziger Satz im Text ist jemals halb fett gedruckt worden, weil er ein fetter Bissen für den hungrigen Stahl gewesen ist. Dieser halbfette Satz heisst: „Eine vor kurzem veranstaltete Ausstellung in Heidel berg hat gezeigt, wie nahe gerade die irren Künstler manchen modernen Malern in Linienführung und Farbenstil kommen. Die schöpferische Kräftesteigerung ist eben in gewissem Sinne nicht normal“. Da haben wir den Salat zu dem halbfetten Bissen. Was ist normal? Eine Kritik des Herrn Stahl, die ohne schöpferische Kräftesteige rung erfolgt. Oder ist die schöpferische Kräftesteigerung normal, die einen Normalen aus dem Häusschen bringt. Oder ist das Häusschen normal, in dem der Psychiater Kunst analysiert. Oder ist die Kunst normal, die sich von einem Psychiater behandeln lässt. Oder ist das Berliner Tageblatt nor mal, dass solchen Unsinn halbfett druckt, Wahnsinn für normal und schöpferische Kräftesteigerung für anormal hält. Herr Stahl soll übrigens zum Ehrendoktor der Psychiatrie ernannt worden sein, wie ich aus einem Brief weiss, der einem Irren in Heidelberg nicht ausgeliefert wurde. * Im Verlag der Freiheit ist ein Herr für Kunst angestellt, der eine Ausstellung des Sturm in Antwerpen bespricht, ohne sie gesehen zu haben. Das war bisher das Vorrecht der bürgerlichen Zeitungen. Ich stelle fest, dass dies jetzt auch in dem Ber liner Organ der U. S. P. gestattet ist. Die ser Herr weiss zunächst nicht, dass es sich um eine graphische Ausstellung handelt. Dieser Herr kann nicht wissen, welches Material für Ausstellungen dem Sturm je weilig zur Verfügung steht. Dieser Herr kann nicht wissen, was tatsächlich in Antwerpen zur Ausstellung gelangt ist, da er im güns tigsten Falle einen Katalog der Ausstellung besitzt, der sich bekanntlich in keiner Aus stellung mit den ausgestellten Werken völlig deckt. Dieser Herr weiss aber ganz genau, dass der Sturm keine Organisation deutscher Künstler, wohl aber eine internationale Organisation ist. Ich weise die Behauptungen dieses Herrn mit ihren Ausführungen und ihren Folgerungen als dolos zurück. Herwarth Waiden Druckfehler ✓ Berichtigung Heft 3 Seite 34 letzte Zeile: dans un carrosse Seite 45 Überschrift: Inquietudes somnolentes Seite 45 1. Spalte, dritte Zeile von unten: Scies asphyxiantes-serpents ä Seite 48 Überschrift: La vraie jeune France Inhalt Herwarth Waiden: Shimmy F. T. Marinetti. Der Mietsvertrag F. T. Marinetti: Jetzt kommen sie Willi Knobloch: Gedichte Claire Goll: Unschlaflied Franz Richard Behrens: Jeder Tod ist leicht Herwarth Waiden: Gedichte G. Ribemont-Dessaignes: Dada'isme Rudolf Blümner: Musique (Musik) Herwarth Waiden: Kunst in der Presse Oscar Nerlinger: Zeichnung Michael Larionoff: Ornement architectural Gontscharowa: Spanische Tänzerin Gontscharowa: Dekorationsskizze zu dem Ballet „Le Coq d’Or“ April 1922