35 Diebesehre und ihre „Zinken“ — im internationalen Verkehr, in den Winkeln der Hotelfoyers, und in den Speisewagen der Mitropa fällt die Maske des Geistes schnell, man hat zu wenig Zeit, um sich die Ideologie vorzubinden, die dem anderen ge fallen könnte. Manolescu, der große Hoteldieb, hat Memoiren geschrieben, die hinsichtlich der Diktion und des „esprit“ höher stehen als alle deutschen Memoirenwerke, die der Krieg her vorgebracht hat. Marinetti hat sehr viel von dem kommenden großen Literaturmagier, der ebensogut Golf spielt als er über Mallarme plaudert, oder wenn es sein muß, altphilologische Betrachtungen anstellt und dabei doch weiß, welcher Dame der Gesellschaft er ein Engagement zu zweien anbieten kann. In den Städten saßen sie, malten ihre Bildchen, drechselten ihre Verse und waren ihrer ganzen menschlichen Struktur nach trostlos deformiert, mit schwachen Muskeln, uninteressiert für die Dinge des Tages, Feinde der Reklame, Feinde der Straße, des Bluffs und der großen Transaktionen, die täglich das Leben von Tausenden in Frage stellten. Ja, das Leben! Der Dadaist liebt das Leben, weil er es täglich wegwerfen kann, ihm ist der Tod eine dadaistische Angelegenheit. Der Dadaist sieht in den Tag mit dem Bewuß;sein, daß ihm heute ein Blu mentopf auf den Kopf fallen kann, er ist naiv, er liebt die Geräusche des Metropolitain, er ist ein Habitue in Cooks Reisebureau und kennt die Praktiken der Engelmacherinnen, die hinter den fest verschlossenen Gardinen die Föten auf Löschpapier trocknen, um sie dann als Malzkaffee zerrieben in den Handel zu bringen. Dadaist sein kann jeder. Dada ist nicht auf irgendeine Kunst beschränkt. Dadaist ist der Mixer in der Teedielen-Bar, der mit der einen Hand Cura?ao schenkt und der anderen seine Gonorrhoe auffängt. Dadaist ist der Herr im Regenmantel, der schon zum siebtenmal die Reise um die Welt antritt. Dadaist ist der kleine Heini mit dem Wasser kopf. Dadaist sollte der Mann sein, der ganz und gar begriffen hat, daß man Ideen nur haben darf, wenn man sie im Leben umsetzen kann — der durchaus aktive Typ, der nur durch die Tat lebt, weil sie seine Möglichkeit der Erkenntnis in sich schließt. Dadaist ist der Mann, der sich im Bristol-Hotel eine Etage mietet, ohne zu wissen, von welchem Geld er dem Zimmermädchen das Trinkgeld bezahlen soll. Dadaist ist der Mann des Zufalls mit den guten Augen und dem coup du pere Fran?ois. Er kann seine Individualität loslassen wie ein Lasso, er urteilt von Fall zu Fall, er resigniert in der