53 J^annß Qttarftn &züx: ©te JStfßer^d'ufe Merkwürdiger Name für eine Buchreihe: Dichtung, Graphik, Essais! „Die Silbergäule“! „Verstehe ich nicht“, kopfschüttelt der Bürger: Und trifft damit sofort die ganze Falschheit seiner Einstellung. Schon hier, bei dem Namen der Buchreihe ist nichts zu verstehen, mit dem Verstände zu zergliedern, denkend, erkennend auseinanderzulegen. Schon hier ist nur zu fühlen. Fühlst du nichts, wenn du hörst „Silbergäule“, erschaust du nichts, wenn du liest „Silber gäule“? Ich fühle Heiterkeit, innere Freiheit, seelisches Gehobensein. Ich sehe helle, silberne Linien, in Rhythmus springend wie galoppierende Gäule. Das Wort „Silbergäule“ gibt meinem Innern eine Lebensstimmung, läßt mich erleben, daß ich da bin, daß in mir das Da-Sein das All ist. Und so ist es auch gemeint, das Wort „Silbergäule.“ Lieber Mitmensch, wenn du es nicht fühlst, du wirst es nie begreifen! Ent weder wird dir sofort beim Aufspringen dieses Wortes seine innere, seine geistige Spannung und sein Gehalt offenbar, oder du bleibst ewig stumm. Nicht weil — wie dein kalter, nüchterner Verstand will — etwa das Wort sinnlos, verrückt wäre. Sondern weil in dir nicht der Sinn, das Gefühl ist, die aller Kunst zugrundeliegen. Hier scheiden sich in der Tat die Geister und die Wege, hier stehst du, lieber Mitmensch, am Scheidewege von Impressionismus und Expressionismus, am Scheidewege von „alter“ und „neuer“ Kunst, obwohl es keine alte noch neue Kunst, sondern nur Kunst gibt; hier stehst du an der Grenze einer vergehenden und einer aufsteigenden Zeit, der verwesenden und der werdenden Menschheit. Wir alle erleben die schweren Erschütterungen, unter denen ein Neues ge boren wird. Dies Neue ist doch das ewig Alte: das rein Menschliche. Der Mensch besinnt sich auf sein Wesentlichstes. Auf das, was sein Leben wert voll macht, sein Gottsein bedeutet: auf das Gefühl. Nichts ist er ohne das Gefühl, nichts wird in ihm und außer ihm ohne das Gefühl. Freilich, es ist kein Gefühl im Alltagssinne. Sondern jenes, das atmend lebt in jedem Kunst werke, das von jeher aus religiöser Tiefe hervorbrach, das den Einzelnen verknüpft mit dem All, mit Gott: das Weltgefühl, das Schauen der Mystiker, die Sehnsucht der Gotiker, die Ekstase der Fanatiker, die Hingabe der Ver zückten. Das Allgefühl als Mittelpunkt des Menschseins, als dessen Wesent lichstes, weswegen allein zu leben sich lohnt, der Quell alles Schöpferischen. Die Jugend hat diese Klarheit im chaotischen Zusammenbruch einer auf den Verstand, den materialistischen Willen und den Historismus eingestellten Welt in sich erlebt, in sich erfühlt. Nicht erfahren nach stofflicher Bewußtseins methode. Sondern als Gewißheit seelisch erlebt! Getrieben von dieser Ge wißheit und von der Sehnsucht nach ihrer Erfüllung, lebt sie nun ausschließ lich diesem Allgefühl. Es ist ihr Ziel, Richtungspunkt, Anhalt, Aufgabe, Ur teil, Maßstab, einzige Lebensmöglichkeit: in allem, was du tust, das All fühlen lassen und alles, was du tust, im Zusammenhänge mit dem All, dem Ewigen, Unendlichen tun, das allein ist leben, ist schaffen, ist Kunst. Leidenschaftlichste Ehrlichkeit ist ihr bei der Offenbarung und Verwirklichung ihres Gefühlserlebens durch ihr Werk erste Pflicht. Alles, was hemmen, ver zerren, auf eine falsche Bahn schieben kann, wird bekämpft. Die schaffende Jugend stellt die Welt heute absolut ein auf das reine Allgefühl, auf die rest los erfühlte Menschlichkeit: damit muß sie revolutionär sein und wirken. Aus Ehrlichkeit; Aus Reife. Aus Sittlichkeit. Weil sie erlebt hat, wie jedes