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©er QIXarfifaff
ZEIT- UND STREIT-SCHRIFT DES VERLAGES
HEFT 112
(pauf Jlfeegemattn
4.— Mark
INHALT
Gegen den Bürger.........von Wilhelm Michel
Das enthüllte Geheimnis der Anna Blume
Briefe und Kritiken von Anonymen / Ärzten f Freunden
und Feinden ( dada / Unfreiwillige Beiträge von Alfred
Kerr / Theodor Däubler / Adolf Behne / Victor Aubertin
Paul Fechter f Johann Frerking / Franz Lafaire u. a.
Dr. Paul Erich Küppers, der geistreiche Spötter
Hindenburg schreitet zur Wahl................
Das gesprengte Massengrab f Ein Bankebang
von Bruder Martinus______von Johann Frerking
Neue hollandbche Kunst.......Jan van Mehan
Wer bt Dadaist?..............vom Oberdada
Die Dadakratie..................von Klabund
Geschichte des Dadaismus ... von Huebenbeck
Die Dada-Kongresse in der Schweiz............
Über Hans Arp................von Otto Flake
Die gelösten Welträtsel......von Dr. Serner
Noske, Ebert, Frau v. Tirpitz / von Melchior Mischer
Schwarze und weiße Magie: Paul Verlaine
Der geschäftstüchtige Eros / Lothar Brieger / Das Börsen-
blatt / Der Staatsanwalt / Der Volksbund gegen Schmutz in
Wort und Bild l Beiträge von Dr. Paul Block / Dr. Hans
Bethge / Dr. Manfred Georg / Dr. Leo Matthias / George
Schejfauer / Paul Steegemann
Leonhard Frank / Marietta / Ernst Schütte
Scherenschnitte von Ernst Moritz Engert
Die Silbergäule.... von Dr. Hans Martin Elster
O Mensch / Zeichnung.......von Ernst Schütte
Mitteilungen für Bücherfreunde...............
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Die Zeitschrift erscheint unregelmäßig. Jede Nummer kostet
2.~ M; 6 Nummern im Abonnement 10.— M. Bestellungen
nimmt jede Buchhandlung entgegen oder sind direkt an den
Verlag: Hannover, Marienstraße 33, zu richten. Für unverlangte
Manuskripte, auch wenn Rückporto beiliegt, wird keine Gewähr
übernommen. Verantwortlich für den Inhalt ist der Verleger.
Den Druck besorgt Edler 81 Krische, Hannover. Inserate kosten:
Eine ganze Seite 300.— M., eine halbe Seite 200.— M. Letzte Um-
Schlagseite 500 - M. Der Inseratenteil ist vollkommen unabhängig
AUS DEM VORAUSSICHTLICHEN INHALT DER
NÄCHSTEN NUMMERN:
H. v. Weber und die „verfluchten" Homosexuellen I Der gute
Europäer / Der Chauvin / Der Revoluzzer / Der Strohhalm
it? d t % t n b etße ($£t d § t e:
Das Reich ohne Raum I Alelier Kuron / Die spanische Reise
Der Verlag Gustav Kiepenheuer / Die Sittlichen von Ignaz Wrobel
3 c| u n b mein ® e r f 4 g :
Die Silbergäule im Spiegel deutscher Mentalität
(JUfimtr (Bbfclijwtb: Die Nacht des Angeschossenen / Offtf:
Der Wüstling / Der feine Hund of Baskerviile / Stnfon
Jkßnadt: Nackt in der Landschaft / Offtp Q&ttfenbcr* Die Les-
bierin / (Httboff Jleonßarb i Margit / S. HD9. HEagner: Der
Ballon/(Koßerf Qörenbef:DiePeitsdie/ 0arf 55 aujif mannt
Herr Rosa / ©er (Dßerbiiba: Anti-Huelsenbeck u. a.
Qßern$arb J&ßam: Der Box*Matsch / QRuboff tf. ©eftuß:
Entscheidende Bücher / 3t)cin pj)cmß; Kapellmeister
Orpheus / Jf5<mß (tlftfoneß: Geburt der Erotik
(Bffatß über: QRafttmr (ßbfcßmtb / QD. 0. $5aßtcßf / (Kurf
%mr I Effreb (gerr/'ntttfßefm (gfemm /'(guboff Äeon*
ßarb / %t\mitXf Qflßann / Qftgnona / JidJteßefßuflJ
0, Jlfernßetm u. a. / (Brnff J^djüffe: Stadtpariament
Qttttf etfuttgen für (güc§erf reunbe
(güc^erßef^rec^un^en / £ # e d f e tt
(pauf ^fee^emann / ®erfd<$ / 5§dnnot>er
HXKfßefm : Q&ßer bte ben QBür^ers
Wir brauchen den Bürger. Er zwar glaubt unserer nicht zu be-
dürfen. Er nennt unsere Qual mit argen Namen, er feiert unsere
Feste nicht. Aber wir wissen, daß wir seiner nicht entraten können.
Nicht als ob er irgend etwas täte, um uns nützlich zu sein. Er
sträubt die Borsten, wenn er uns sieht. Er schnaubt durch die
Nase, er bläst seinen Schnauzbart auf, wenn wir ihn beschei-
dentlich vor unsere gemalten und gedichteten Erkenntnisse führen.
Und wenn er davor steht, peitscht er seine subalternen Hosen-
schläuche mit dem Spazierstock. Dafür läßt er uns hungern,
der Kamerad Bürger, bis wir schwarz werden oder berühmt
oder steinalt und steinkalt.
Und dennoch: der Demiurg erschuf ihn eigens zu unserm Nutz
und Frommen. Er konnte uns nicht denken, ohne zugleich
den Bürger zu denken.
Der Bürger ist unsere Vorbedingung. Er ernährt uns zwar
nicht, aber er ermöglicht uns. Er ist unsere metaphysische
Voraussetzung. Nicht etwa in dem Sinne, daß er den Staat er-
hält (in dem wir bis jetzt immer Ausgestoßene waren) oder die
Familie (in der wir als die verlorenen Söhne und Schwieger-
söhne im zugigen Korridor stehen) oder die Industrie und den
Handel (für die wir Ausbeutungsobjekte sind wie jeder ruß-
geschwärzte Proletarier). Sondern in einem höheren, fast reli-
giösen Sinne. Ich habe viel darüber nachgedacht, wie in dem
erstaunlichen, schweißtriefenden Machwerk des Demiurgen eins
ins andere greift. Ich bin noch nicht dahinter gekommen, wes-
halb er die Tsetse-Fliege erschaffen hat, die ihren Lebenszweck
darin erblickt, die Schlafkrankheit zu verbreiten. Aber wes-
halb er den Bürger erschuf — seht, dieses einzusehen ist mir
in einer guten Stunde gelungen.
Es ist aber schwer, es zu sagen. Denn wir reden von nichts
seltener und widerwilliger als von den Voraussetzungen. Ich
sage also: unsere Existenz setzt den Bürger voraus. Es gibt eine
gewiße Summe Feigheit und Dummheit in der Welt, die durch-
aus gefeigt und gedummt werden muß. Diese Arbeit nimmt uns
der Kamerad Bürger fast vollständig ab. Er ist Knecht, damit
wir frei sein können. Er ist Zerlegungsprodukt aus einem
Ganzen, aus dem wir uns luftig und leicht herausdifferenzieren
konnten, weil er, der Jammermann Voll und Ganz, als ober-
flächlich gestaltetes Schlammgebilde in der Tiefe sitzen blieb.
Seht euch die ganze Schöpfung an. Was findet ihr darin als
3
Haupttätigkeit des Demiurgen? Das Zerlegen. Und so sind wir
Produkt, der Bürger Residuum. Wo ihr ihn anpackt, sprudelt der
Urschlamm, die Schöpfungshefe. Er wirft uns heute noch gerne
vor,daßwirgähren. Darin kommtseine Hefennatur zum Vorschein.
Damit wir fein und stark, geistig und bewegt sein können, trampelt A
er geschäftig durch die Welt und trompetet mit hochgerecktem
Elefantenrüssel die Grobheit und die Ohnmacht, die Stofflichkeit
und die Trägheit über den Erdkreis. Ja, aus Angst, mit seinem
täglichen Pensum Schleimproduktion nicht fertig zu werden,
druckt er außerdem noch eine erhebliche Anzahl von An-
zeigern, Tageblättern, Volksblättern, wo alles Dumme und Feige,
das er in vierundzwanzig Stunden getan und gesagt hat, sorg-
fältig aufgeschrieben und erklärt ist.
Es ist nicht anders: wir brauchen ihn. Er ist unser Wider-
stand, unsere Bestätigung, unser Opferlamm, unser Komplement.
Er ist uns nötiger ais das tägliche Brot, das er uns aus Leibes-
kräften verkürzt. Wenn er nicht da wäre, müßte er erfunden
werden; nein, noch viel schlimmer: dann müßten wir ihn er-
setzen im Schweiße unseres Angesichtes.
Dem Volke muß der Bürger erhalten werden!
Ich fordere euch auf, zu seiner Erhaltung alles beizutragen,
was in euren Kräften steht, indem ihr ihn durch Kunst zu
wohltätigen Schlammsekretionen anregt und durch aufreizendes
Anders-Sein seinen Kamm zum Schwellen und sein Bierherz
zu nationalliberalen Evolutionen bringt. Ich reize euch auf zum
geistigen Klassenhaß! Das bekommt ihm, das ersehnt er, denn
aller Schlamm braucht Begrenzung. Rempelt ihn durch lyrische
Gedichte an! Werft ihm mit Aphorismen die Fensterscheiben
ein! Entpreßt ihm Interjektionen durch Novellen! Malt, daß
sich seine Schleimhäute kräuseln! Das tut ihm gut. Dann kann
er „Unentwegt“ sagen, dann kann er „Voll und Ganz“ drucken. 1
Das braucht er. Dann bläht sich sein Gebäuche, sein Vorhemd
bäumt sich, er sträubt seinen Schnauzbart gleich einem Stachel- '
Schweine, er rollt hörbar die Augäpfel. Er stampft die Fliesen
seines Stammlokals und fletscht uns mit grimmgestrafften Backen- {
laschen an — seht, so muß er sein, um seine gottgewollte
Mission als metaphysischer Weltkuli zu erfüllen: den Geist zu
ermöglichen durch seine eigene Unmöglichkeit, das Reine zu
verwirklichen, indem er alle böse, feige, unreine Schwere opfer-
willig und staatserhaltend an sich zieht.
Aus: Die Silbergäule, Band 33-33a — Wilhelm Michel: Gustav Landauer
Romain Rolland u. a. Essays, 4.— Mk.
]
Aus: Die Silbergäule, Band 85-86, Emst Schutte / O Mensch
Zeichnungen der Verwesung, 4.— Mk.
5
QtUrfin oßne Sfugefßfetb
AUCHaEINE GROTESKE/VON JOHANN FRERKING,
MIT EINEM ANHANG VON K. A. VARNHAGEN VON
ENSE. Eine Kampfschrift gegen Martin Frehsee. Die Silber-
gäule, Band 87—88, 4.— Mk.
Aus dem Inhalt: Der Klcibund-Klamauk / Das gesprengte
Massengrab / Das Flügelkleid ohne Martin / Ein Bänkelsang
vom Bruder Martinus / Blüten und Perlen deutscher Kritik, oder
der Wettlauf zwischen Johannes Wiegand und Oerhart Haupt-
mann / Shakespeare, Goethe und Wittenberg.
Gegenstand dieser Schrift ist Herr Martin Frehsee, seit sechs
Jahren Schriftleiter des Feuilletons, Schauspiel- und Literatur-
kritiker am Hannoverschen Kurier, zugleich Verfasser oder Mit-
verfasser der Theaterstücke „Cain“ (nach Byron), „Als ich noch
im Flügelkleide“, „Trutzig und treu“, „Tante Tüschen“, „Wie-
land“, „Heinemüllers Streiche“, „Frau Frohnatur“ u. a.
Die Absicht ist, das Wesen dieser Figur, die im Kunstleben
nicht nur der Stadt Hannover schon so lange eine verhängnis-
volle Position hält, in möglichst breiter Öffentlichkeit festzu- ^
stellen, zu zeigen, wer der ist, dem die Leser der für die bürgerliche
Geistigkeit weithin maßgebenden Zeitung, ohne viel lauten Wi-
derspruch, seit sechs Jahren zuhören. *
Die unfrohe Arbeit ist geleistet in der Hoffnung, damit nicht
etwa einem an sich unbeträchtlichen einzelnen Kunstrichter,
sondern einem vielerorts noch immer allzuüblichen, nicht un-
gefährlichen Typus zu vernichten.
6
J
Zwei Stücke als Probe aus dem Werk:
DAS GESPRENGTE MASSENGRAB
„Es mag eine offene Frage bleiben, ob Michael
Kramer ... zu den Bühnenstücken gehört, die in
dem am 1. August 1914 sich plötzlich öffnenden
Massengrab für Deutschfeindliches und Deutsch-
fremdes mitversunken sind oder hätten mitversinken
müssen“. Martin Frehsee, Hann. Kurier, 14. 10. 16.
Der schaffende Künstler Martin Frehsee ist, nach Kürschner
und anderen Quellen, schon ein älterer Herr und durchaus beste
Friedensware auf holzfreiem Papier — von ihm wird später
noch einiges zu sagen sein. Der Kritiker „mf“ tat am 1. August
1914 den entscheidenden Handschlag zum Werk des reifen
Mannes: er grub eine große Grube, in die er nicht selbst
hineinfiel, sondern andere Leute einpackte, einen neben den
anderen — alle, die er nicht leiden konnte, und von denen er
schlicht und einfach behauptete, sie paßten nun nicht mehr in
die Welt und müßten eiligst abkratzen — zugleich so ungefähr
alle, die bis dahin im Vordergründe des deutschen Theaters die
besseren und besten Plätze mit Beschlag belegt hatten. —
„Wer sind Sie — Henrik Ibsen — der olle Magus aus Norden —
Sie haben lange genug herumgespukt und Menschen und Tiere
gequält, mausetot sind Sie, alter Herr — rin ins Loch und Sand
drauf! . . . Gerhart Hauptmann — na warte, Ihnen wollt’ ich
schon lange gern mal die Wahrheit sagen, Sie Dussel! Jetzt ist
es aus mit Liebe und Sehnsucht und all so’nen seelischen Fest-
verzierungen — jetzt wird Granit gebissen, daß die Schwarte
knackt, Sie mitleidiger Hampelmann Sie! . . . Frank Wedekind,
couchez cochon, kein Wort mehr!... Bernard Shaw, — die Höhe
der Frechheit, daß Sie sich hier noch herumtreiben, Sie feind-
licher Ausländer— Ihre Helden besehen jetzt deutsche Hiebe!...
Liegen Sie bitte ganz still, Artur Schnitzler, Sie haben sich über-
lebt — wir sind zwar sehr für Nibelungentreue, aber eben des-
halb haben wir an schmachtlappigen k. u. k. Liebeleien keinen
Bedarf — bedaure sehr, sogar Anatol ist zum Cadre einge-
rückt . . . Und Sie? Strindberg heißen Sie? Sie haben mir
gerade noch gefehlt! Nach Damaskus gehn wir nicht! Marsch
in die Kuhle! . . . Tolstoj, Gorki, Tschechow — wird’s bald? —
oder ich lasse Sie als Spione verhaften! Die ganze Richtung paßt
mir nicht!“----Und Hofmannsthal und Bahr und Sternheim
und Maeterlinck und Courteiine und Heyermans und Björnson
und viele andere noch — alle, alle wurden in die Grube getan,
und wenn Herbert Eulenberg nicht schleunigst die Wacht am
Rhein gepfiffen hätte, wär’s mit ihm auch aus gewesen. Nur
7
ein gewisser Shakespeare und ein Herr Moliere mußten leider
wieder losgelassen werden: das Loch war nicht groß genug
geraten. Aber sie wurden ernstlich verwarnt, sich still zu ver-
halten und kein Aufsehen zu erregen. Auch George Noel Lord
Byron wurde aus besonderer Müdigkeit pardonniert. Und dann
wurde das Massengrab zugeworfen und vermauert und der Platz
abgesperrt und ein Posten dabei gestellt, damit Staat und Stadt
auf gar keinen Fall zu Schaden kämen.
Auf dem Wege nach Hause fiel es dem neuen Herkules noch
schwer aufs Herz, daß es wohl auch Pflicht sei, unter den rot-
goldenen Klassikern im Bücherschrank fürchterlich Musterung
zu halten, von wegen „Jungfrau von Orleans“, „Großkophta“,
„Maria Stuart“ und so, aber nach einigem Nachdenken entschied
er, daß die guten Leute vor hundert Jahren es eben noch nicht
besser gewußt hätten, und daß außerdem dieses und jenes Zitat
aus den Chosen doch auf die Dauer verflucht schlecht zu ent-
behren sei.
Und Martin von Otricoli klomm ins Feuilleton hinab und be-
gann eine blitzhafte Tätigkeit kritischer Art. (Nebenbei schrieb
er ein Kriegstagebuch.)
Aber —: der Grabposten wurde regelmäßig revidiert — es mußte
wohl nicht ganz mit rechten Dingen zugehen — eines Winter-
abends, als mf ins Theater geschritten war, in der Erwartung,
die liebe, alte „Goldene Spinne“ von Franz von Schönthan end-
lich einmal wieder krabbeln zu sehen — heiliges Gewitter, was
war denn da los? — Da saß ja der alte tote Ibsen auf der Bühne
und grinste geheimnisvoll — und ein paar Tage drauf begegnete
ihm der Gerhart Hauptmann, quietschlebendig und warm in
einen Biberpelz gemummelt — und die Wiener Christin’ fing
im nächsten Frühjahr eine neue Liebelei an . .. Tja! Erbrochen
und leer! Ganz leer! Es war doch wohl zu viel Geist hinein-
gepackt, in das Massengrab, und zu wenig draußen geblieben,
so daß der Druck von innen den von außen übermocht hatte.
Das Grab war gesprengt und blieb gesprengt. Und alle Ver-
suche, die Auferstandenen einzeln von neuem totzuschlagen,
gingen betrüblicherweise fehl.
Seitdem ist mf unwirsch und will von Geist in keinerlei Ge-
stalt mehr was wissen.
Aber er kritisiert weiter, durch Korn und Flachs.
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BRUDER MARTINUS
Bei Tages Anbruch erhebt sich ein Wind,
Weht Flitter und Fetzen zuhauf;
Sie zappeln und flattern und tanzen im Kreis
Und blähn sich mächtig auf.
Am hellen Mittag steckt das ganze Pack
Im Wechselsack.
Stille! Einer weilt in unsern Mauern —
Harfe her! Lied, Jungfraun, Fackeltanz!
Edelweiß holt aus den hohen Tauern,
Flechtet es zum Kranz!
Denn ein Meister ist’s im Reich der Geister,
Meistert Vers und Prosa, Kuß und Dolch,
Meistert auch die Schere und den Kleister,
Aber ganz besonders — den Erfolg.
Kam bescheiden als Provinz-Redakter,
Wand sich her und schlängelte sich hin,
Aber herrisch nach dem Szepter packt er,
Als die anderen zu Felde ziehn.
Schwillt ins Feuilleton gleich Faustens Pudel —
Heiahei — es lächeln Herz und Sterz —
Und stimmt an ein reisiges Gedudel,
Kritisch teils und teils tantiemenwärts.
Wär’ gern Wildenbruch-Sohn, Schiller-Enkel,
Aber dazu ist’s nicht ganz genug:
Schillern ragt er unterhalb der Schenkel,
Selbst vom Wildenbruche blieb nur — Bruch.
Dichtend so nach still verjährten Mustern —
Alle Achtung! — Plötzlich stand er da,
Arm in Arm mit andern Bühnenschustern:
Tschingdabum: Erfolgs-G. m. b. H.!
„Blickst Du freundlich — will ich lieb sein —
Rufst Du: Hurra! — brüll ich: Heil!
Wer mir feind ist, soll für Dich ein Dieb sein,
Schlägt Dich einer, trifft’s mein Hinterteil.“
%
Helfen so einander auf die Strümpfe,
Meinend, daß den Unfug niemand sieht,
Und erheben prompt ein groß Geschimpfe,
Wenn wo wer vor andern Göttern kniet.
9
Seit Du mit den Flügelhöschen wehtest,
Trutzig-treu die Tüschen-Tante schriebst,
Wieland auch und Cain verfrehseetest,
Wissen wir, was für ein Vogel piepst.
Geiferst viel auf Ibsen, Strindberg, Hauptmann
Und wer sonst noch groß und mächtig ist,
Aber von dem Brimbramborium glaubt man
Nur, daß Du — ein kluger Knabe bist,
Der nach fremdem Lorbeer gallig schielend,
Seines Minuslämpchens Tempelknecht,
Unentwegt den treuen Eckart spielend
Bunt und froh beherrscht Geschäft wie Recht.-
Aber ach: der beste Krug — er geht nur
Zu dem Brunnen, bis der Henkel kracht.
Die Vergeltung naht — o seht nur, seht nur:
Tüschen, bitte, nimm Dich doch in Acht!
Schon in Altona — ’s ist weit von Bremen —
Übele Barbaren wohnen dort,
Die auf Dichter keine Rücksicht nehmen,
Ruchlos grinsen in des Meisters Wort.
Diese lachen, johlen, brüllen, toben
„Heinemüllern“ in ein frühes Grab;
Über wüstem Krach senkt still von oben
Sich des Vorhangs Majestät herab. —
Nimm’s als Omen, Tüschen — hast genugsam
Dich gespreizt im Bühnenrampenlicht.
Altes Dörrgemüse wird geruchsam,
Und nach Wiesenblumen riecht es nicht.
Warst doch spaßig — hab den Rat zum Lohne:
Nimm den Abtritt! Noch ist’s Zeit, mein Prinz,
Keine Träne! Still! Es geht auch ohne!
Werde wieder, was Du bist: „Provinz“!
©<*ß entfSwfffe <i?eßetmntß ber «Huna QSfume
Man erinnert sich, daß rechtzeitig zu Sylvester 1919/20 — bei
mir ein Buch erschien: Anna Blume / Dichtungen von Kurt
Schwitters. Dieses Werk hat inzwischen die 10. Auflage erreicht.
Schwitters und ich haben beinahe einen ganzen Wäschekorb
voll Kritiken, Briefe, Karten u. s. w. erhalten. Die witzigsten,
boshaftesten, dümmsten und klügsten Dokumente habe ich aus-
gewählt, unterbreite sie hier den Zeitgenossen. Christof Spenge-
mann, der in Hannover lebende kluge Kunstkritiker hat eine
durchaus kongeniale Broschüre im Zweemann-Verlag erscheinen
lassen: Die Wahrheit über Anna Blume; sie ist notwendig für jeden
Intellektuellen, das Phänomen Anna Blume zu ergründen.
Daß Kurt Schwitters seit einigen Monaten an einem großen Roman
herumdichtet, war vorauszusehen. Ich bin berechtigt, schon jetzt
den Titel verraten zu dürfen: Franz Müllers Drahtfrühling — der
Liebesroman der Anna Blume. Der Roman spielt in der Siedlung,
in der Herr Schwitters zu leben gezwungen ist, und erzählt vom
Wandel und Handel der Eingeborenen. pst.
©te ©oßumenfe:
dada
„Sie müssen in ihrer Schande erschrecken, die über mich schrien:
„Da da!“ Psalm 40, 16.
So schreibt die bekannte Bibel laut Hannoverschem Kurier v. 16.1.20.
Dr. G. Praetorius an den Verleger. Hannover, 25.12.19.
M. 1. St. Herzlichen Dank für Anna Blume! Ich möchte Sie
sogar schnöderweise um noch 1 Exemplar bitten, mit Dedi-
kation des Verlegers (woran mir u. a. auch aus historischen
Gründen liegt!) — Das erste hat man mir nämlich prompt geklaut,!
Ich glaube übrigens nicht, daß es sich bei der Geisteskrankheit
von K. Schwitters um Paralyse handelt, wie viele annehmen.
Vielmehr scheint es sich um eine (ziemlich, vorgeschrittene)
Dementia praecox zu handeln. Solche Kranke sind in der Pro-
l duktion von sinnlosem Wortsalat besonders fruchtbar und furcht-
bar. Sie können in jedem Lehrbuch der Psychiatrie Beipiele
finden, die den Schwittersschen Elaboraten ähnlich sind wie ein
Ei dem andern. Noch mehr von dieser Sorte zu verlegen,
dürfte sich deshalb wohl kaum empfehlen; überlassen Sie das
11
neidlos dem Zweemann. — Hoffentlich wird der wackere Dich-
tersmann nicht so bald interniert; er scheint ja sonst ein ziem-
lich harmloser Irrer zu sein. Nur von Polemiken müßten ihn
seine Freunde fernhalten; sowas könnte ihm denn doch mal
verhängnisvoll werden!
Zweiter Brief: Hannover, 29. 12. 19.
M. 1. St. Der Fall Schw. scheint mir sehr einfach zu liegen.
Entweder ist er verrückt oder er mimt es — aus Geldgier,
wie Sie meinen. Es gibt wohl keinen Menschen, der nicht zu-
erst das Letztere angenommen hätte. Und in der Tat, gegen
eine veralbernde Silvesternummer der Silbergäule (etwa im
Sinne des ganz köstlichen Dadaistenaufrufes!) wäre ja gar nichts
zu sagen. Nur würde ich dann raten, bald die Karten aufzu-
decken! Es dürfte sonst für Ihre anderen Autoren recht pein-
. lieh sein, in dieser lieblichen Gesellschaft ediert zu werden. —
Aber einiges scheint gegen diese Auffassung zu sprechen. 1. Kenner
von Schw. (Person und Opus) versichern, daß sich diese Ver-
blödung organisch entwickelt hätte. Ich kenne den „Künstler“
Gottseidank nicht. 2. Es wäre denn doch arg unanständig, aus
Geldgier andauernd den arglosen Zweemann, den arglosen Sturm
und vor allem den braven Spengemann hineinzulegen. 3. Sehr
verdächtig ist der offene Brief an Frehsee, der denn doch be-
trüblich dumm und witzlos ist. — Schließlich, wer sich systema-
tisch zum Hanswurst macht, kann sich nicht wundern, wenn
man ihn dafür hält und dementsprechend behandelt. — Warten
wir ab! Zur Aufregung scheint mir wenig Grund; aber vom Leibe
halten würde ich mir so einen Kavalier unter allen Umständen!
Zeugnis: Hannover-Wülfel, 28. 11. 18
M&sifeer dieses, Herr Kurt Schwitters, geboren zu Hannover am
m J»i 1887, war vom 25. Juni 1917 bis zum heutigen Tage in
ainserem technischen Büro angestellt. Seine Tätigkeit bestand in
der Abfertigung von Werkstattzeichnungen und der Herausgabe
sonstiger Werkstattangaben. Herr Schwitters war pünktlich und
bestrebt, seine Aufgaben zu unserer Zufriedenheit zu erledigen.
Seine Führung war einwandfrei. Sein Austritt erfolgt heute auf
seinen Wunsch und mit unserem Einverständnis, um ihm die
Möglichkeit zu geben, sich wieder ganz seinem Beruf zu widmen.
Eisenwerk Wülfel
12
Paul Fechter dichtet:
Der Reiz der Neuheit fehlt also, und der des Ulks auch; denn
der Mann meint’s heilig ernst. Nordd. Allg. Zeitung 5.7.19.
4-
Hannoverscher Courier:
.... wirken die Leistungen Schwitters mit einem Ernst und einer
Reife, die höchst angenehm absticht. Dieser Künstler, ohne ober-
flächliche Gefälligkeit, steht ganz auf dem sicheren Boden eines
ehrlichen und hingebenden Naturstudiums, dem einzig richtigen
Ausgangspunkte jedes künstlerischen Schaffens. Und so wirkt
er hier als Charakter, die alte Wahrheit unterstreichend, daß
Talent ohne Charakter noch nichts bedeutet.
Anonymer Brief vom 21. 6. 20. 3-4 N.:
Idiot!!
Glauben Sie nicht, daß die Menschen so naiv sind, sich länger
Ihren Blödsinn in Buchform vorsetzen zu lassen. Noch eine
Veröffentlichung und Ihnen wird die Hose stramm gezogen.
Werden Sie Schuster, dann können Sie nageln. Ihrem Verleger
wird das gleiche Schicksal zu teil. Seine andern Silbergäule
werden stehen bleiben und schimmelig werden in Gesellschaft
von „Anna Blume“.
Gehen Sie ins Luftbad und heilen Sie Ihren defekten Gehirnkasten.
XXX
Prof. Dr. Biermann im Cicerone:
Nur soviel sei allen gesagt, die mit einem billigen Witz diese
Dinge in Bausch und Bogen abtun wollen und Anna Blume, das
ungezählte Frauenzimmer, zum fröhlichen Unterhaltungsstoff die-
ser ach so dunklen Tage erkürten, daß es auch in der Kunst immer
wieder Dinge gibt, die jenseits jener Alltagsmoral stehen, auf der
ein braves Kunstphilisterium seine überlegene Weisheit gründet.
Adolf Behne:
A Kurt Schwitters ist als Maler und Dichter und Polemiker ein ganz
kostbarer Humorist — und er ist vor allem... nur Kurt Schwitters.
In ihm stecken mehr künstlerische Ideen als in zwei Dutzend
richtigen Ölmalern zusammen. Das Bild „Schicksal“ sollte sich
die National-Galerie nicht entgehen lassen.
Johann Frerking:
Skeptizismus ist Denkfaulheit. (Aus Schnitters Gästebuch)
#
Der Bücherwurm:
Dadaismus ist Gehirnerweichung, markierte Gehirnerweichung
plus Schieberei.
Herr Kurt Schnitters fühlt sich dadurch nicht getroffen, da er kein
Dadaist ist.
Alfred Kerr im Berl. Tageblatt:
Dadaismus ist Wurstigkeit gegen alles Heroische; gegen alles
Ernstzunehmende; gegen alles Kulturlose; gegen alles Patheti-
sche; und wenn Hülsenbeck Geld braucht.
Herr Kurt Schnitters fühlt sich als Dadaist mit getroffen.
Brief eines Arztes aus der Breslauer Nervenklinik:
Und nun noch ein nervenärztlicherWink! Lieber Herr Schwitters,
Sie müssen bei fortgesetzter Übung dieser Form zu denken, am
Ende sich selbst schaden. Daß jemand Satzform und gebräuch-
liche Ideenassoziationen so sehr lockert, daß er mit geradezu
schmerzhafter Wollust weite Gedankensprünge macht, um gänz-
lich Fremdes, ja sogar Feindliches aneinanderzukoppeln und zu-
sammenzuwürfeln, das muß ja auf die Dauer zu Störungen des
normalen Denkens führen. Weil ich Sie im persönlichen Ver-
kehr als einen ruhigen, verständigen, urteilsfähigen Mann kenne,
habe ich keine Veranlassung, einen umgekehrten Kausalzusam-
menhang anzunehmen. Aber ich schlage Ihnen allen Ernstes
vor, um Schädigungen Ihrer Gesundheit zu verhüten: Legen
Sie einmal ein viertel Jahr lang Feder und Palette beiseite, ge-
winnen Sie Abstand von den Fragen, in denen Sie jetzt heil-
los verstrickt sind, und beschäftigen Sie sich inzwischen, wenn
Sie nicht untätig sein mögen, mit irgendeinem indifferenten
Handwerk, meinetwegen mit Reißbrettzeichnen im Konstruk-
tionsbüro, noch besser mit einer Tätigkeit im Freien. So darf
es nicht weitergehen!
Herr Dr. Paul Erich Küppers
der in Hannover die künstlerische Leitung der Kestner-Gesell-
schaft besorgt, dichtet in den „Münchener Neuesten Nachrichten“
14
vom 21. 1. 20 einen großen Kunstbrief über Hannover. Da steht
so mancherlei gedruckt, daß wir uns wohl erlauben dürfen,
Herrn Dr. Küppers einen geistreichen Spötter zu nennen. Man
lese nach:
„Wenn das Kunstleben ein Barometer für die Aktivität einer
Stadt ist, so ist Hannover heute eine der lebendigsten Städte
Deutschlands. Hier gibt es noch Kunstkämpfe, deren man anders-
wo längst müde geworden ist. Hannover ist aber nicht müde,
weil es eben erst wach geworden ist. Maler und Bildhauer, die
hier tätig waren, entsprachen den Anforderungen einer schnell
hochgekommenen Gesellschaft, die sich über die Grenzen zwischen
Kunst und Kitsch nicht klar sein konnte. Die wenigen bedeut-
samen Künstler, die hier aufwuchsen, kehrten der Stadt den Rücken,
wenn ihre Geltung die Grenzen Hannovers überschritt. Heute
haben wir wieder Künstler, die an dem anregenden neuen Kunst-
leben der Stadt leidenschaftlich Anteil nehmen. Junge Leute,
mitten in der Entwicklung, aber wie Burchartz und Gleichmann
Begabungen, auf die wir stolz sein können. Ja, die Ironie der
Geschichte will es, daß wir in dieser bisher so spießigen Stadt
das Letzte und Neueste aufzuweisen haben, was auf künstlerischem
Gebiet in dieser wirren Zeit geleistet wird: den „Merzmaler“ und
Dichter Kurt Schwitters, das enfant terrible des Expres-
sionismus, halb Kind, halb Charlatan, begabt, aber ohne Selbst-
zucht, stets zufrieden mit der eigenen Produktion und zu allerlei
künstlerischen Schandtaten bereit. Er will „den Blödsinn zur Kunst
erheben. Nicht wie die Dadaisten die Kunst durch Blödsinn
ersetzen“. Also Edeldadaist. Was er im Schutthaufen aufliest,
aus Drucksachen ausschneidet, von Zäunen und Plakaten abschreibt,
was er zusammenklebt, -nagelt, -dichtet, -malt, bleibt chaotische
Materie; bleibt vor allem Stoff für die Unterhaltung. („Haben
Sie schon das Neueste von Schwitters gehört?“) Der Haupt-
mann von Köpenick der Kunstgeschichte“.
Bevor Herr Dr. Küppers dieses ernsthaft dichtete, gab er bei
einem unserer bekanntesten deutschen Verlagshäuser (Heinrich
Böhme in Hannover) eine „Anthologie moderner Dichtungen und
Graphik“ heraus. Diese Zusammenstellung ist wertvoll durch
den aufgenommenen Holzschnitt von Kurt Schwitters. Von Kurt
Schwitters, den Herr Dr. Küppers über ein Kleines so geistvoll
schmäht. Ist da nicht eine dolle Diskrepanz? Ist da nicht eine
Verschiebung der Ansichten? Über die Anthologie, die gleich-
falls mit dem ollen „Kestner“ in Verbindung gebracht ist: (Kestner-
Gesellschaft, Kestner-Bühne, Kestner-Buch; warum nicht gleich:
15
Küppersgesellschaftsbühnebuch?) sei noch bemerkt, daß sie gute
Graphik von Burchartz, Gleichmann u. a. gibt. Die Dichtung
ist, außer durch ein fabelhaftes Drama von Karl Schenzinger, fast
nur — sagen wir ruhig: vertreten. Und doch sind auch hier
zwei witzige Dinge geschehen: Herr Dr. Küppers, der große
Anti, hält durch die literarischen Beiträge die homosexuelle
Tradition des Verlages aufrecht, und der VerlegerHeinrichBöhme,
wird durch seine phänomenalen Kenntnisse der Buchdrucker-
t kunst befähigt: einfaches, durchaus einfaches holzfreies Papier
im Prospekt als „Zanders-Bütten“ anzupreisen. Man sei nicht
bürgerlich; man sage nicht, das sei Betrug, unlauterer Wettbe-
werb oder so. Man stelle nur fest, und bewundere den großen
Dilettanten. — Wir wollen noch über den „Kunstbrief“ etwas
sagen: Herr Dr. Küppers singt sich ein Lied über die Kestner-
Gesellschaft und Kestner-Bühne; sagt weiter, daß die ausge-
zeichnete, von Hans Kaiser herausgegebene Zeitschrift „Das Hohe
Ufer“ dann und wann ein bißchen verschüchtert, ein bißchen
zu sanft war, der „Zweemann“ dagegen kecker und radikaler;
daß nun auch Herr Hermann Bahlsen plötzlich gestorben sei
und Herr Dr. Brinkmann die Leitung des Kestner-Museums
niederlegen würde. Leider steht nicht die erwartete große Sym-
pathiekundgebung für Dr. Brinkmann gedruckt; auch fehlt
die Angabe, daß der Horizont der Kestner-Gesellschaft von einem
andern gegeben wird: Herrn W. v. Debschitz, daß die formale
Idee von Hans Kaiser 1913 stammt. Und zum Schluß hätten wir
gern eine, wenn auch bescheiden kleine Bemerkung über den
Verlag Paul Steegemann gehört. Man lese nach, was Balzac
über die Eitelkeit berichtet ....
Hannoverscher Kurier vom 7. 6. 20.
Generalfeldmarschall v. Hindenburg erschien gegen 11 Uhr mit
seiner Frau und seinem Sohne Hauptmann v. Hindenburg in
der Riechersschen Wirtschaft an der Seelhorststraße 38, um sein
Wahlrecht auszuüben. Beim Eintritt des Generalfeldmarschalls
erhoben sich sämtliche im Wahllokale Anwesenden zur Begrüßung
des Feldherrn. Der Generalfeldmarschall trat, nachdem er den
Wahlzettel in den Umschlag gesteckthatte, vor den Wahl tisch und
fragte den Wahlvorsteher, Fabrikdirektor ter Meer, ob eine
besondere Legitimation gewünscht wird. Nachdem der
Wahlvorsteher dies verneint hatte, übergab er dem Wahlvor-
steher das Kuvert und begab sich dann mit seiner Familie wieder
nach seiner in der Nachbarschaft belegenen Villa.
16
DIE O RIGINAL DADAisten
GEBEN DAS COPYRIGHT IHRER WERKE DEM VERLEGER PAUL
STEEGEMANN IN HANNOVER DER IN LEIPZIG WIEN ZÜRICH
DADAFILIALEN HAT
HERR KURT SCHWITTERS
AUS HANNOVER WALDHAUSEN SETZTE ALS ERSTER DADAIST
AUF EINEN DOPPEL SILBERGAUL 39/40 DIE JETZT WELTBERÜHMTE
ANNA BLUME VIER MARK
10 000 EXEMPLARE SIND IN DREI MONATEN VERKAUFT
ANNA BLUME KANDIDIERT FÜR DEN ERSTEN DEUTSCHEN REICHS-
TAG NACH DER KLEINEN REVOLUTION UND HOFFT NOCH VIEL
GELD ZU VERDIENEN JA
DIE KATHEDRALE VIER MARK
IST DIE SEHNSUCHT ALLER ZEITEN HERR SCHWITTERS HAT
SIE AUF SILBERGAUL 40/41 AUFGEBAUT
DIE WOLKENPUMPE VIER MARK
HAT UNS SCHON LANGE GEFEHLT ALS CACADOU SÜPERIEUR
KNALLT SIE AUF SILBERGAUL 52/53 ALLE BÖSEN GEWITTER AUS
DEN GEMÜTERN DER DEUTSCHEN MENSCHEN SIE SPENDET RAT
UND HILFE IN UNGLÜCKSFÄLLEN HERR ARP AUS ZÜRICH IST
DER NOBLE HERSTELLER
DIE LETZTE LOCKERUNG SECHS MARK
IST DAS ENDE ALLER FILOSOFIE DAMENSTRÜMPFE GAUGUINS
UND DADA BALANZIEREN DIE KAFFEEMÜHLE WELT DER BE-
RÜCHTIGTE DR SERNER AUS GENEVE HAT DIE LETZTE LOCKE-
RUNG GELOCKERT UND DAMIT DIE WELTRÄTSEL GELÖST
BAND 62/64
SEKUNDE DURCH HIRN SECHS MARK
DER PRACHTVOLLSTE SCHUNDROMAN ALLER ZEITEN
DAS LIEBLINGSBUCH DER LITTERARISCH GEBILDETEN BD. 59/61
DIESES WERK DES HERRN VISCHER AUS PRAG STROTZT VON
GEMEINHEIT UND UNZUCHT SIE MÜSSEN ES LESEN
EN AVANT DADA VIER MARK IST
DIE GESCHICHTE DES DADAISMUS
BAND 50/51 VERFASST VON GEHEIMRAT RICHARD HUELSENBECK
DEM BESITZER DES ZENTRALAMTS DER DADABEWEGUNG IN
DEUTSCHLAND BERLIN HIER ERFAHREN SIE DAS GEHEIMNIS DES
DADA SENSATIONELLE ENTHÜLLUNGEN AUS DEM LIEBESLEBEN
DER DADAISTEN DIE PRAKTIKEN DER ENGELMACHERINNEN DIE
LUES DES HERRN PICABIA DIE SPEISUNG DER GEISTIGEN AUF
DEM POTSDAMER PLATZ KUBISMUS FUTURISMUS EXPRESSIONIS-
MUS REVOLVER UND LITTERATUR DIE PRÜGELEI IN DRESDEN
DADA IN ALLER WELT BRUITISMUS JEDERMANN KANN DADAIST
WERDEN
FASST EINE HALBE MILLION SILBERGÄULE TRABEN AUF DER
ERDE HERUM
DER DIREKTOR PAUL STEEGEMANN HAT DAZU SOZUSAGEN ALS
VORBEREITUNG
DEN MARSTALL
DEN ANTIZWIEBELFISCH ÖFFENTLICH ERSCHEINEN LASSEN DA
WERDEN DIE SILBERGÄULE MIT ELAN UND POLEMIK VORGE-
RITTEN FÜR ZWEI MARK DIE NUMMER
17
An den Verleger: Friedenau, 30. 12. 19.
Ich empfinde tiefes Mitleid mit dem Unglücklichen. Sollte er
nicht mehr zu retten sein? Sollte nicht wenigstens der Versuch
gemacht werden, ihn durch Unterbringung in einer Heilanstalt von
seinem Irrsinn, soweit er auch vorgeschritten sein mag, zu heilen?
Wenn sie zur Deckung der Kosten eine Sammlung veranstalten
wollen, bin ich gern bereit, mich zu beteiligen.
Hochachtungsvoll
B. Guttmann
Dr. Rudolf Blümner:
Anna Blume, meine 3 Buchstaben zu Dich, bin ich.
Prager Tageblatt vom 25.4.20.
Der Paul Steegemann Verlag in Hannover, der jetzt führende
Verlag Deutschlands in jüngster und radikalster Kunst, gibt die
originellste Satire der Gegenwart „Sekunde durch Hirn“ von
Melchior Vischer heraus.
Der Antiquar Herr Franz Lafaire i. Hannov. Tageblatt:
Nur möchte ich nicht unerwähnt lassen, daß Anna Blume in
100 Jahren eine literarische Seltenheit ersten Ranges sein wird
und mindestens mit 100 Mk. in Gold bezahlt wird.
%
Deutsche Volkszeitung Hannover:
Kurt Schwitters „dichtet“ seine Geliebte Anna Blume an: „O du,
Geliebte meiner siebenundzwanzig Sinne“. Das scheint mirwieder-
um ein noch erfreulicheres Zeugnis von Selbsterkenntnis zu sein.
Denn ich halte aufrichtig dafür, daß wir es in diesen „Dichtungen“
nicht mit psychopathischen Minderwertigkeiten, sondern ent-
sprechend jener Unsumme von Sinnen mit psychopathischen
Mehrwertigkeiten zu tun haben, mit ganz fulminanten Über-
wertigkeiten in der Potenz zum Quadrat. „Ist dies schon Toll-
heit, hat es doch Methode“, kann man zudem mit Polonius sprechen,
wenn man diesen ungereimten Unsinn näher ins Auge faßt, diese
scheinbar gänzlich aus allen Fugen gegangene Dichteritis-
Paroxysmen mit ihrem wahnwitzigen Gestammel. Nein, dieses
verrückte Gelalle hat Methode, ist auf Draht gezogener Irrsinn,
offenbar sogar unter kreißenden Qualen ausgequetscht. Christof
18
Spengemann, der sich das unsterbliche Verdienst erworben hat,
diesen herrlichen Schwittersschen Geisteskindern mitdemGedichte
„Der Künstler“ zu präludieren, trifft den Nagel auf den Kopf,
wenn er seinem tiefsinnig bohrenden Seelen-Produkt auf die
epochale Frage: „Wer ist überhaupt Anna Blume?“ (zu der es
Kurt Schwitters in Seelen-Wahlverwandtschaft mit seinen sieben-
undzwanzig Sinnen hinzieht) die wundervolle Antwort gibt:
“Verbogenes Hirn!“ „KreuzundquerverschrobenesGehirn“käme
meines Erachtens der Wahrheit schon näher. Ehrlich gesagt, es
ist nicht nur ein beschämendstes Zeugnis von dem ungeheuren
künstlerischen, spirituellen und moralischen Tiefstände unserer
Zeit, daß diese Bücherreihe gleich in einer Gesamtauflage von
100000 Bänden auf Absatz zu rechnen wagt, es ist zudem, rein
wirtschaftlich angesehen, in einer Zeit drückenster Papiernot eine
ungeheure Verschwendung von Material.
©er (Wtafer <Bvtief JJcßüffe
(Aus: Schwabinger Köpfe, 40 Scherenschnitte von E. M. Engert
Die Silbergäule, Band 80-82, 6.— Mk)
19
WÄHLT ANNA BLUME
M. P. D.
Aus der Agitation fiir die Reichstagswahl 1920; aus der hannover-
schen Presse.
M.P.D. — Merz-Partei Deutschland
M. P. D. — Mehrheits-Partei DADA
Merz-Partei Deutschland = Mehrheits-Partei DADA (/<(. s.)
achtung achtung achtung
Sensation position hallucination
quallitätsdada
by steegemann hannover
ARP
ARP ist einer der fünf großen dadaistischen päpste begründer
des dadaismus
originaldada
echter spiegelgassedada nicht zu verwechseln mit den spiegel-
berger dadas
jedermann weiß es
jedes kind kennt ihn
jeder greis grüßt ihn ehrfürchtig und raunt dazu ah da kommt
der ARP
ich steegemann habe das Copyright für die wolkenpumpe
Umschlagzeichnung von arp
gedruckt als 50.—51. band der Sammlung
die silbergäule
an allen enden stehen jetzt dadaisten auf aber es sind im gründe
nur vermummte defregger
sie ahmen den Zungenschlag und das zungenzucken der wolken-
pumpe nach
ein fürchterliches menetekel zeppelin wird ihnen bereitet werden
und die dadaistische hauskapelle wird ihnen was blasen
man wird sie den silbergäulen zum fraß hinwerfen
und ihnen bärte an falsche stellen pflanzen
an sternenlassos werden sie baumeln
DIE ORIGINALDADAISTEN SIND NUR DIE SPIEGEL-
GASSEDADAISTEN
man hüte sich vor nachahmungen ..
man verlange in den buchgeschäften nur spiegelgassedadaisten
des Verlages Paul Steegemann
20
Der DADA Kongreß:
Am 2. Dezember 1919 tagte in Genf der „Erste Dadaisten ~
kongreß“. Auf dieser Zusammenkunft wurde von dem Dadaisten
Arp (Die Wolkenpumpe 4.— Mk.) eine Resolution eingebracht,
in der er erklärte, daß er vom 3. Dezember an, ab nachmittags
3 Uhr, die Sprache verloren haben werde. Der Vorsitzende
Dr. Sern er (Letzte Lockerung 6.— Mk.) schlug vor, aus sämt-
lichen dadaistischen Schriften die Vokabeln (Jan van Mehan,
Weltgericht/ Tragödie der Urlaute 4.— Mk.) zu entfernen und allge-
mein gültige Siegel für die allein zu gebrauchenden Interjek-
tionen — d. h. Laute, die nur den unmittelbaren Gefühlsausdruck
bilden und daher nicht zur Bezeichnung von Begriffen dienen,
wie „Oh“, „Ach“ und dgl. — festzustellen. Der Antrag wurde
einstimmig und mit Jubel angenommen. Desgleichen der Zu-
satzantrag, im persönlichen Verkehr den Gebrauch von Inter-
jektionen möglichst zu vermeiden und durch Handbewegungen
— ä la Taubstumme — zu ersetzen. Der Bildhauer Archipenko
verlangte, daß jede dadaistische Plastik nur verkauft werden
dürfe, wenn der Käufer sich verpflichte, sie neben seinem
Bette und nicht höher als dasselbe aufzustellen. Unter allge-
meiner Heiterkeit des Publikums brachte der Maler Schad den
Antrag ein, die Bezeichnung „Bilder“ durch ein Fingerschnalzen
anzudeuten und das Wort „Maler“ ebenso kurz wie treffend in
„Oho“ umzuwandeln. Der Komponist Igor Stravinski erklärte,
daß der dadaistische Musiker das Gehaben mährischer Schenk-
ammen bei Ausübung ihres Berufes anzunehmen und die dabei
laut werdenden Töne mit möglichster Ausnutzung der Straßen-
geräusche zu modifizieren habe. Es folgte noch eine Sympathie-
kundgebung an die römischen Trappisten, die verschämte Dadaisten
genannt wurden.
Theodor Däubler im Berliner Börsen-Courier:
Kurt Schwitters ist einer der stärksten Künstler, denen lebens-
fähige Abstraktionen gelingen.
„Sekunde durch Hirn“
die sensationelle Groteske von Melchior Vischer war Anlaß
begeisterter Zuschriften und Telegramme an Autor und Verleger
aus internationalen Literaturzentren wie Paris, Mailand, Chikago,
Kopenhagen, Darmstadt, Barcelona, Berlin, München, Genf,
Zürich u. a. Dadci-Radio
21
■L
Neues von dada:
Aus Genf wird der „Vossischen Zeitung“ geschrieben: Der erste
Weltkongreß der Dadaisten, der seit Wochen in der Grand Salle
des Eau Vives zu Genf tagt, fand kürzlich ein jähes Ende: er
wurde polizeilich aufgelöst und wird zweifellos mehreren Teil-
nehmern ein gerichtliches Nachspiel eintragen. Es kam nämlich
zwischen Tristan Tzara, dem Gründer des Dadaismus, und dem
bekannten dadaistischen Philosophen Sern er (Letzte Lockerung
t 6.— Mk.),dem Vorsitzenden des Kongresses, zu einem heftigen
Wortwechsel, in dessen Verlauf Serner einen Browning zog und
vier blinde Schüsse auf Tzara abgab, der soviel Geistesgegenwart
besaß, sofort vom Stuhl zu sinken. Die Folge war jedoch, daß die
zahlreich besetzte Gallerie, die nicht daran zweifelte, daß scharf
geschossen worden war, eine Panik ergriff, die nur durch das
rasche und umsichtige Eingreifen einiger kluger Köpfe noch recht-
zeitig eingedämmt werden konnte. Polizeiorgane, die unmittelbar
darauf erschienen, räumten den Saal und brachten Serner und
Tzara auf das in der Nähe befindliche Kommissariat, von wo sie,
nach kurzem Verhör wieder freigelassen, von den auf der Straße
wartenden Dadaisten im Triumphe auf den Schultern bis zu ihrem
Hotel getragen wurden. Tags darauf erschien zur allgemeinen Hei-
terkeit des Publikums in der„Tribune de Gene ve“ ein geharnischter
Artikel (freilich als bezahltes Inserat), in dem der Öffentlichkeit
mitgeteilt wurde, daß der Kongreß in geheimer Sitzung die Re-
solution gefaßt habe, die Verwendung von blinden Schüssen in
dadaistischen Diskussionen sei nicht nur erlaubt, sondern sogar,
weil erfrischend, erwünscht, allerdings nur unter der Bedingung,
daß der Schießende sofort eine völlig neue dritte Meinung an-
nehme. Man darf immerhin gespannt sein, welcher Meinung die
Genfer Gerichte sein werden.
Wie Anna Blume gegen den Dadaismus protestiert:
An Kurt Schwitters
Ich, meiner, Du, Wir? — Deiner Dich!
ich wehre und verwahre mich
und wende flammend ein:
Ich bin durchaus nicht „ungezählt“
und wenn mich schon ein Vogel quält,
kann’s nur der Deine sein!
Ich trage schlechtweg meinen Hut
auf meinem Haupt, wie’s jeder tut,
22
\
teils artig, teils kokett.
Mein Haar ist weder gelb noch blau,
vielleicht wird’s später einmal grau,
zur Zeit ist es brünett!
Zwar hab’ ich etwas Fett im Balg,
doch ist das Fett kein Rindertalg
von einem „tropfen Tier“.
Der Talg, der Dir so wohlig träuft,
und streichelnd über’n Rücken läuft,
der ist von einem Stier!
Ich habe — ob man’s sagen kann?
zwar stets geschloss’ne Hosen an,
dennoch — ich find’ es toll:
daß ich gleich einem Zirkus-Clown
der ganzen Welt zum Spott und Graun
auf Händen wandern soll!
Weil ich — im Dadaistensinn —
Anna von vorn und hinten bin,
ich, meiner, Du, Dich, wir?
so dreh ich Dir mit Seelenruh
die kalte Glutenkiste zu —
Du kannst (beiläufig) mir —-----------—
Leipziger Neueste Nachrichten
Der Firn:
Wenn da der Dadaist Kurt Schwitters erzählt, wie er geschlachtet
werden sollte, so bedauert man wirklich, daß dies nicht ge-
schehen ist. Von Erwägungen rein menschlicher Natur abgesehen,
hätte die Welt an diesem Dichter nichts verloren.
Victor Auburtin: Auch in Frankreich. (Berliner Tageblatt
vom 25.6.20.)
Die Führer der französischen Bewegung sind die Herren Francis
Picabia, Tristan Tzara, Georges Ribemont Dessaignes, und sie
geben eine luxuriös ausgestattete Zeitung heraus, die „391“ heißt,
weil nämlich 391 Chefredakteure an ihr beschäftigt sind; jeder,
der mitarbeitet, wird gleich Chefredakteur.
Vor einigen Tagen haben diese Herrschaften in Paris eine Vor-
stellung gegeben, bei der sie zeigen wollten, was sie können,
und zu der deshalb die gesamte Pariser Kritik eingeladen war.
23
Die Hauptnummer des Programms bestand darin, daß sich sieben
der Führer auf die Bühne setzten und sich dort rasieren ließen,
während die gesamte Pariser Kritik Zusehen durfte.
Hildesheimer Zeitung vom 21. 5. 1920.
Wer wollte sich unterstehen und Kurt Schwitters begreifen?
Er baut auf den Silbergäulen „Die Kathedrale“ auf. Das Heft-
chen trägt den Vermerk „Aus sanitären Gründen zugeklebt.“
Und so* ist’s in der Tat.
An Kurt Schwitters:
Ich habe „Mild“ und „Glanz“ für Sie an einen Stern gehängt
und auch mein Herz. Ihr
Paul Bommersheim
Eine anonyme Postkarte aus Friedrichsthal vom 5.1.20.
An Paul Steegemann Verlag Hannover, Vorstand des Dada-
istischen Silberkarnickel-Bundes zurVerbreitung der roten Silber-
karnickel m.d. Vogel.
O Du Verleger der 27 Sinne, schäme Dir!
Du, Deiner, Dich, Dir, ich, Dir, Du mir! Wir?,
Du gehörst beiläufig nicht hierher,
Geschmacksverderber, Geschmacksverwüster, Geldmacher!
Wer bist Du ungezählter Dada Prophet?
Die Leute sagen, Du hättest ein Vogel!
Sie wissen nicht was Geschäft ist.
Du trägst den Dadaismus auf Deine Füße
Und wanderst mit ihm auf die Hände, auf
den Händen, in die Hände.
Hallo, Dein Geschäft! Schäme Dir!
Du gehörst in die kalte Glut!
Dada Steegemann! Dada Geschäftsdadaist!
Was sagen die Leute?
Preisfrage I. Steegemann ist ein Geschäftsmann.
II. Steegemann macht Dadaismus nur
wegen das Geschäft, des Geschäft, ins Geschäft.
III. Steegemann spekuliert auf den Blödsinn der Leute!
Auf Rindertalg spekulierender Geschmacksverderber,
Steegemann, Du smarter, tropfer, schäme Dir!
(Der Verleger schämt sich)
24
Victor Klages in der Weser-Zeitung:
Die kompakte Majorität der Kretins wird auch diesmal dem
Genie einen Felsblock über den Weg wälzen.
Ein Gespräch in der Trambahn:
.......Und das Porto, lieber Meyer, ist auch so teuer heute!
Wissen Sie, wie man dies umgeht? Man schreibt eine, (bekannt-
lich nichts kostende), Postschecküberweisung, überweist seinem
Geschäftsfreunde 10 Pfg. und teilt ihm auf dem Postabschnitt
alles mit, was man ihm zu berichten wünscht. Am Ende des
Jahres, lieber Meyer, gibt mir der Geschäftsfreund die Groschen
zurück, die ich ihm in dieser Zeit überwiesen habe.
Braunschweiger Illustrierte Woche: „Bei Schwitters“
Mit Schauder betritt der andächtige Besucher das Atelier des
Meisters. Die Einrichtung erweckt weniger den Eindruck eines
Ateliers als den einer Tischlereiwerkstatt: Planken, Zigarren-
kisten, Kinderwagenräder für Merzplastiken, verschiedenstes
Zimmereiwerkzeug für die „genagelten“ Bilder liegen zwischen
Zeitungsbündeln, aus denen die wesentlichen Bestandteile für die
„geklebten“ Bilder und für die Anna Blume-Gedichte heraus-
geholt werden. Mit liebevoller Sorgfalt werden hier zerbrochene
Lichtschalter, beschädigte Selbstbinder, farbige Deckel von
Camembertkäseschachteln, abgerissene bunte Zeugknöpfe und
Straßenbahnfahrscheine aufbewahrt, um auf künftigen Schöpfun-
gen eine dankbare Verwendung zu finden. Die Privatwohnung
birgt die intimsten Werke des Meisters, die eigentlichen Merz-
bilder und -plastiken. Man sehe und staune! „Konstruktion für
edle Frauen“ — „der Lustgalgen“ — „die Kultpumpe“. Und
inmitten seiner selbstgeschaffenen Welt lebt Kuwitters, dieser
Mensch mit der anerschaffenen Physiognomie des reinen Toren,
der Verächter seiner eigenen Vergangenheit, der Schöpfer von
„A—n—n—a Blume“, der ihr gegenüber nur die einzige Be-
fürchtung hegt, der Bürger möchte ebenso radikal werden wie
sie. Weder ein Paralytiker, noch ein Aufschneider — naiv kind-
lich überblickt er das selbstgeschaffene Chaos — unberührt durch
all die ihm wohlbekannten Verleumdungen, wie man sie allzu
kollegial aufbringt, und die Runde machen läßt.
Deutsche Zeitung:
Freilich, Kurtchen mit dem Vogel ist unangreifbar und unbe-
sieglich. Nur mit Handgranaten könnte man ihn aus seiner
25
literarischen Gummizelle ausräuchern. Was willst du geistig gegen
jemanden ausrichcen, der die Waffen der Logik, des Geschmacks
und der Wahrheit nicht anerkennt? Ob du tobst, ob du lobst,
ob du fluchst, schimpfst, lachst, Kurtchens Buch an der Wand
zerkrachst . . . der Dada ist dir über mit seinem Wahnsinns-
lachen. Nimmst du ihn komisch, sagt er: so will ich genommen
sein. Nimmst du ihn ernst, nickrer tiefsinnig: Ja, abgrundernst
ist es gemeint. Mensch, ärgere dich also nicht! Denn sonst freut
sich Kurtchen. Er merzet weiter.
New York Herald vom 2. 4. 20.
Im Landtag des Staates New York hat ein Abgeordneter die Ab-
schaffung der Todesstrafe beantragt. Einige New-Yorker Zeitungen
treten mit einem ungeheuren Aufwand von Pathos für die Vor-
lage ein, andere bekämpfen sie als nicht zeitgemäß und weisen
auf die erschreckende Zunahme der Kriminalität im ganzen Lande
hin. Ein besonders unternehmendes Blatt ist schließlich darauf
verfallen, die Meinung der Leute einzuholen, die in erster Linie
an der Frage interessiert sind. Mit Genehmigung der zustän-
digen Behörden wurden also die 26 zum Tode verurteilten Mörder,
die zurzeit im staatlichen Zuchthaus Sing Sing der Vollstreckung
der Strafe entgegensehen, ersucht, sich über die Todesstrafe zu
äußern. Überraschenderweise sprachen sich die sämtlichen 26
Mörder für die Abschaffung der Todesstrafe aus, und zwar be-
tonten sie, daß es im Interesse der Allgemeinheit liege, die darauf
abzielende Reform des Strafrechts sofort und ohneVerzug durch-
zuführen. Aber damit nicht genug, auch die lebenslängliche
Zuchthausstrafe müsse abgeschafft werden; sie sei noch un-
menschlicher als die Todesstrafe. Nach ihrer Meinung müßte
die Höchststrafe für einen vorsätzlichen Mord auf 20 jahre Zucht-
haus festgesetzt werden, mehr sei der beste Mord nicht wert.
Dieser Mentalitäten-Sammlung
sei noch hinzugefügt, daß über die Stadt Hannover im Juni 1920
ein' Taifun amerikanischer Reklame tobte: Eine Woche lang
knallten von allen Häuser-Wänden, von allen Litfaß-Säulen
die bekannten „heiligen 10 Gebote“ den Beschauern die
Netzhäute wund; den Beschauern, denen diese Thesen einiger-
maßen bekannt vorkamen. Und darauf folgte, herrlich gedruckt,
der Anschlag des nun mittlerweile sattsam bekannten Anna-
Blume-Gedichtes. (Darunter stand: Dies ist eine Probe aus
26
dem schönen Buche „Anna-Blume“. Jeder Gebildete sollte es
besitzen). Solchen Unfug läßt man in Hannover sich nicht
gefallen. Die Seele der Intellektuellen begann zu kochen, man
nahm Blei- und Blaustift zur Hand und aus dem Produkt
„des Geisteskranken“, wurden priapische Verse, roh, heidnisch,
schamlos......Diese Verse werden demnächst als Privatdruck
erscheinen.
Die Presse berichtet:
Niedersächsischer Volksbote: Vor der Anschlagsäule.
Wer vor reichlich acht Tagen durch die Straßen der Stadt
Hannover ging, wird sich gewundert haben, daß an den meisten
Anschlagsäulen ein großes Papier geklebt war mit blauem Druck
auf weißem Grunde. Wohl 1 Meter hoch war das Plakat und
fiel allen in die Augen, die vorbeikamen. Was darauf stand?
Die heiligen zehn Gebote! Eins nach dem andern stand dort
mit dicken Buchstaben, und jeder der vorbei kam, mußte eins
von den Geboten lesen: Du sollst nicht ehebrechen, Du sollst
nicht stehlen, und wie die Gebote alle heißen. Es ist traurig,
daß etwas auf den Straßen ausgeboten werden muß, was uns
allen ins Fleisch und Blut übergegangen sein sollte, aber keiner
von uns wird anders als mit Dank an den Menschenfreund und
guten Christen gedacht haben, der diesen Dienst der öffentlichen
Mission in unserer Stadt getan hat, „Irret euch nicht, Gott läßt
sich nicht spotten! das stand noch unter den 10 Geboten, wei-
ter gar nichts.
Wer heute wieder durch die Straßen der Stadt geht, findet wieder
ein Plakat angeklebt: An Anna Blume! steht darüber. Lachend,
lesend, kopfschüttelnd stehen die Menschen davor. „Der Mann
ist verrückt,“ sagen die meisten, nachdem sie gelesen haben,
gehen ihrer Wege und erzählen zu Hause von dem Plakat an
der Anschlagsäule. Ob ihr Urteil recht ist, mag der Leser
selbst entscheiden.
Wir wollen gut von den Hannoveranern denken und annehmen,
daß sie lieber auf den Titel eines Gebildeten verzichten als das
angepriesene Buch kaufen. Aber sind die beiden Anschläge
nicht ein Zeichen in unserer Zeit? Zwei Mächte ringen mit
einander um die Volksseele. Hier Christentum und dort der
Geist der Zersetzung, der Auflösung, der Geist des Sichgehen-
lassens und gesteigerter Sinnlichkeit. Wüßte dieser Futuristen-
künstler nicht, daß er auf einen großen Teil des Publikums
rechnen könnte, dann hätte er sich das Geld gespart für diesen
27
Anschlag. Aber eine Menge in unserm Volke lebt, Gott sei es
geklagt, in einer geistigen Verfassung, die sich ein Denkmal
gesetzt hat in diesem Plakat. Christentum oder Bolschewismus
hat man gesagt. Was sich hier an den Anschlagsäulen breit macht,
ist geistiger Bolschewismijs. Deutscher, sei auf der Hut, daß
er nicht der Vorbote ist für eine vollständige Auflösung unserer
Kultur, unseres Staates und unseres nationalen Wollens. Wer
sein Volk lieb hat, der hilft der Kirche und der Innern Mission
im Kampfe für die Zehn Gebote auf dem ersten Plakat. Hier
ist der einzige Damm, der dem Strom des Verderbens Einhalt
gebieten kann in unserm Volke.“
Tja, alles was dem Intellektuellen, dem Bürger, dem kriegslüsternen
Christen unbequem ist, oder was zu kapieren ihm seine geistige
Obdachlosigkeit nicht gestattet: wird als „Bolschewismus“gebrand-
markt ......Vive le Bolchevisme!
Deutsche Volkszeitung:
Zeichen der Zeit.
Uns wird geschrieben: „Als vor etwa 14 Tagen in großen
Lettern die „heiligen zehn Gebote“ an den Anschlagsäulen zu
lesen waren, mußte jedem denkenden Menschen klar sein, in
welcher traurigen Zeit wir leben. War es nötig, diese uralten
Gesetze der Menschheit dem heutigen Publikum öffentlich
durch Anschläge entgegenzuhalten? Sicherlich, sonst hätten die
Männer, die sich dazu berufen fühlten, ganz gewiß Zeit, Geld
und Papier gespart. Ich glaube auch, daß viele Leser dieser
Plakate die kurzen, markigen Worte der heiligen Schrift beherzigt
und weiter darüber nachgedacht haben. Doch mit des Geschickes
Mächten ist kein ew’ger Bund zu flechten, sagt unser großer
Dichter, und heute prunkt im krassesten Gegensatz neben den
schlichten und ernsten Geboten ein gleich großes Plakat an
den Säulen. „An Anna Blume“ heißt die Überschrift, und es
folgt alsdann ein Text, der — wie der Verfasser auch selbst
schreibt — aus mindestens 27 Sinnen entstanden sein muß. Ge-
radezu haarsträubend wirken die Worte dieser Reklame für das
»schöne“ Buch von Kurt Schwitters. Nach meiner Meinung wäre
es besser gewesen, der Autor und Verleger hätten hierfür Zeit, Geld
und Papier gespart. Letzteres hätte für Schulbücher, die wegen
der großen Papierknappheit kaum herzustellen sind, zweckmäßiger
Verwendung finden können. Es bedarf keiner weiteren Kritik
28
über das widerlichste Schriftstück unserer Zeit, und dem Pub-
likum muß es überlassen bleiben, wie es über den Mann mit
27 Sinnen denkt. A. E. Kruse“
Volkswille vom 23.6. 20.:
Ein Protest.
Wir erhalten folgende Zuschrift: Die seit mehreren Tagen an
den Plakatsäulen Hannovers befindlichen Plakate mit der Über-
schrift „An Anna Blume“ haben nach meinen Beobachtungen
lebhaften Widerwillen unter der Bevölkerung hervorgerufen.
Meines Erachtens waren es meist vernünftige Menschen, die
mit Kopfschütteln die Plakatsäule verließen und dabei riefen:
„Was soll solch ein Blödsinn! Es ist eine Schande, daß das teuere
Papier für einen derartigen Unsinn verwendet wird!“ Andere
wieder sagten, man müße beantragen, daß die für das Plakat ver-
antwortlichen Personen einer Irrenanstalt zur Untersuchung über-
geführt werden müßten.
In welcher Weise sich der Unwille der Bevölkerung Luft macht,
geht aus folgenden Randbemerkungen hervor, die auf verschiedenen
der erwähnten Plakate angebracht sind:
„Du Mammonsknecht, du suchst wohl eine Opferschar,
die auch verblödet ist, wie es bei dir wohl war?
Oh, irre dich nicht, du blöder Wicht.“
und
„Mit solchem übergeschnappten „Kunst“-Kram verschwendet man
das teuere Papier.“
und
„Dieses Plakat hier gehört „beiläufig“ in den Papierkorb.“
und
»Wer dieses Buch kauft und es dann liest, der ist ein Narr und
Idiot; er erkennt nicht unser deutsches Leid in dieser schmach-
und drangsalschweren Zeit.
Ein denkender Arbeiter.“
und
„Der Verfasser scheint aus einer Gummizelle in Langenhagen
entsprungen zu sein.“
und
„Du kleiner blöder Geisteswicht, du führst deine Mitmenschen
nicht hinter das „irrende Licht“. Du hast dich mit Hohlheit
umgeben, o du nichtswürdiges dummes Menschenleben.“
Und so weiter.
29
Der Verfasser des Plakat-Inhalts scheint merkwürdige Auffas-
sungen von den geistigen Bedürfnissen der Gebildeten zu be-
sitzen, wenn er behauptet, jeder Gebildete müßte das „schöne
Buch“ lesen.
Es ist ein erfreuliches Zeichen, daß sich scheinbar die über-
wiegende Mehrheit der Bevölkerung gesunden Sinn bewahrt hat
und derartige „Mistpflanzen“ -zertreten helfen will. B.
Anmerkung der Redaktion:
Der Schlußsatz dieser Zuschrift bedarf eines einschränkenden
Zusatzes. Absolut genommen ist es richtig, was der Verfasser
da von der Mehrheit der Bevölkerung sagt. Aber diese fort-
gesetzte tolle Reklame für die auf ästhetisch noch wenig vor-
gebildete Leser tatsächlich nur verwirrend wirkende „Anna
Blume“ beweist doch, daß aus dem bisherigen Vertrieb der
Schrift stärkere Einnahmen erzielt worden sein müssen, so
daß die nicht unerheblichen Kosten für diese Reklame für die
geschäftlich Interessierten erschwinglich waren. Und was das
Plakat anbelangt, so wird man trotz der vom Verfasser ange-
führten „Randbemerkungen“ aus dem Volke doch mit Goethe
sagen müssen (Brief an Zelter vom 30. Oktober 1808): „Übrigens
gibt es noch immer Menschen genug, die dergleichen Dinge
anstaunen und verehren, weil das Publikum es jedem Dank
weiß, der ihm den Kopf verrücken will . . .“
Entgegnung-.
Im Hannoverschen „Volkswillen“ vom 23. Juni ist ein Protest
eines Herrn B. gegen meine Dichtung „An Anna Blume“ und
eine Wiedergabe der Eröffnungsrede der Darmstädter Expressio-
nistenausstellung von Kasimir Edschmidt erschienen. Ich er-
laube mir, einigen Vorwürfen des Herrn B. einige allgemeine
Bemerkungen Edschmidts aus derselben Nummer des „Volks-
willens“ nachzuweisen.
B. schreibt: „Meines Erachtens waren es meist vernünftige Men-
schen, die mit Kopfschütteln die Plakatsäule mit dem Gedicht
„An Anna Blume“ verließen und dabei riefen: „Was soll solch ein
Blödsinn?“ Edschmidt: „Die Subalternen des Geistes werden,
wie seit Jahrhunderten, das ihnen Ungewöhnliche befeixen, das
wird wenig bekümmern.“
B. zitiert eine anonyme Beschreibung des Anna-Blume-Plakates
als Ausdruck des „lebhaften Widerwillens unter der Bevölkerung“:
„Wer dieses Buch kauft und es dann liest, der ist ein Narr und
Idiot.“ Edschmidt: „Troddel und. Idioten werden grinsend vor
30
den Bildern herstreichen.“ In diesem Falle muß es natürlich
heißen: „Die Gedichte lesen.“
Wie ich über solche Begeiferung durch das Publikum denke,
kann ich wieder durch ein Zitat Edschmidts aus dem „Volks-
willen“ ausdrücken: „Wie überall, haben nur die Kleinköpfigen
und die Tiere das Recht, sich den Forderungen der Zeit zu ent-
ziehen.“ Es kann niemand etwas dazu, wenn er einen zu kleinen
Kopf hat. Kurt Schwitters
Anmerkung der Redaktion:
Wir drucken diese Erwiderung aus Billigkeitsgründen ab, be-
merken aber dazu, daß für jeden Einsichtigen klar am Tage
’ liegt, daß das, was Herr K. Edschmidt zur Eröffnung einer Schau
ernster deutscher Kunst gesagt hat, nichts zu tun hat mit dieser
aufdringlich albernen Plakat-Reklame für die „Anna Blume“.
Leider ist auch zu konstatieren, daß schon mancher junge
Kunst- und Literaturbeflissene von dem Wahne befangen ge-
wesen ist, gerade er habe einen größeren Kopf als seine nicht
für ihn, oder genauer gesagt: nicht für jede von ihm ausgehende
Äußerung eingenommenen Zeitgenossen. Aber der eigene Wahn
ist nun einmal nicht das Entscheidende, auch auf diesem Gebiete
nicht . . . .“
Aber, aber: auf der Darmstädter Expressionisten-Ausstellung, füt
die der Dichter Kasimir Edschmidt verantwortlich zeichnet, sind sieben
grosse Merz-Bilder von Kurt Schwitters ausgestellt. Sollte Edschmidt
nicht doch andrer Meinung als der,, Volkswille“ sein, und Schwitters
zur ,,ernsten Kunst“ rechnen . . . .?
Wer ist Dadaist?
Ein Dadaist ist ein Mensch, der das Leben in allen seinen un-
übersehbaren Gestalten liebt, und der weiß und sagt: nicht allein
hier, sondern auch da, da, da ist das Leben! Also beherrscht
auch der wahrhafte Dadaist das ganze Register der
menschlichen Lebensäußerungen, angefangen von der
groteskesten Selbstpersiflage bis zum heiligstenWort des
Gottesdienstes auf der reif gewordenen, allen Menschen
gehörenden Kugel Erde. Und ich werde dafür sorgen, daß
auf dieser Erde Menschen leben künftig. Menschen, die ihren
Geist in der Gewalt haben und mit diesem Geist die Mensch-
heit neu schaffen. Der Oberdada
31
©te ©abaßtafte / (Eine (Re^enftoit von (Efdßunb
Als Hauptergebnis der Wahlen 1920 darf es wohl bezeichnet
werden, daß die Deutsche Volkspartei unter dem Rufe: Dada
Dada über alles (abgekürzt: Dadalles) in corpore zu den Dada-
isten übergetreten ist. Sie ist bekanntlich sowohl als auch teils
dafür und dagegen, hinwiederurrf obzwar. Dies aber ist gerade,
auf die kürzeste Formel gebracht, das Prinzip des Dadaismus.
Stresemann ist bereits zum Ei-wei-dada ernannt worden und
hat seine Mitarbeit an der „Geschichte des Dadaismus“ (er-
scheint in zwölf Lexikonoktavbänden unter der Direktion vom
Kaiserlichen Rat Huelsenbeck) zugesagt.
Über des erlauchten Schwitters „AnnaBlume“ braucht keinWort
mehr verloren werden, das sie nicht selbst bereits verloren hätte.
Des Herrn Melchior Vischer „Sekunde durch Hirn“ ist
ein ganz übler Kolportageroman. Er könnte direkt von Goethe
oder Balzac geschrieben sein.
„Die Kathedrale“ ist ein Album mit Ansichten vom Nieder-
walddenkmal, Hindenburg,. Otto Ernst, Courths-Mahler und
Henny Porten. Ein jeder guter deutscher Bürger wird es gern
im Salon auf der Plüschdecke aufliegen haben.
JanvanMehan, der weit über die Grenzen seines engeren Vater-
landes sowie seinesVerstandes hinaus bekannte holländische Dich-
ter,hat dieTragödie derUrlaute,dasWeihefestspiel(fürOberammer-
gau zur Aufführung angenommen): „Weltgericht“ geschrieben —
was sag ich, geschrieben: geseufzt, geheult, gezischelt und ge-
johlt. Das Drama besteht ausschließlich aus Vokalen. Die Kenntnis
der Konsonanten ist nicht zu seinem Verständnis erforderlich.
Es sei besonders den fortgeschrittenen Säuglingen empfohlen,
hans arp ist der Eichendorff des Dadaismus, ihr mystischer Mei-
ster Eckehard. Seine Verse sind manchmal verständlich. Zuweilen
rührensiesogardurcheinenstillenKlang. SeinVersbuchbetitelt sich
„Die Wolk enpumpe“ und ist wie alle eben empfohlenen Bücher
im Verlag der Silbergäule Paul Steegemann, Hannover, publiziert.
Huelsenbecks „Verwandlungen“ (Rolandverlag, München)
ist eine antidadaistische Groteske.
Gleichzeitig wird bekannt, daß der Verlag Erich Reiß den
allgemeinen internationalen dadaistischen Welt-, Wald- und
Wiesenalmanach ankündigt, unter Mitarbeit von George Groß,
Ludendorff, Sternickel, Pfarrer Kneip, d’Annunzio, Wulle, Tzara,
Dr. Heim, Max Pallenberg, Rudolf und Wilhelm Herzog usw.
Na, wir werden ja sehen.
32
®ueffenßedl: «Euß ber <3efdHc§fe beß ©abaißmuß
Die Geschichte des Dadaismus ist in der Tat eins der interes-
santesten psychologischen Ereignisse der letzten fünfundzwanzig
Jahre.
Täglich liest man sich in seinem Stammkaffee die Kritiken vor,
die aus aller Herren Länder kommen und durch ihre Entrüstung
zeigen, daß man mit Dada irgend jemand ins Herz getroffen hat.
Man ist betroffen, man schweigt und freut sich seines Ruhmes.
Wenn jemand ein Wort mit großer Gebärde unter die Leute
wirft, so machen sie sich daraus eine Religion. Credo, quia
absurdum.
Dada hat sich tatsächlich als einfaches Wort einen großen Teil
der Welt erobert, selbst ohne an eine Person gebunden zu sein.
Es handelt sich hier um ein magisches Ereignis.
Dada wurde im Frühjahr 1916 in Zürich von den Herren Hugo
Ball, Tristan Tzara, Hans Arp, Marcel Janco und Richard HueL
senbeck in einer kleinen Kneipe, dem Cabaret Voltaire, gegründet.
Hier hatte Hugo Ball mit seiner Freundin Emmy Hennings
eine Variete-Miniatur gegründet, an der wir alle als Mitarbeiter
aktivsten Anteil hatten. Wir waren alle durch den Krieg über
die Grenze unserer Vaterländer geworfen worden. Ball und ich
kamen aus Deutschland, Tzara und Janco aus Rumänien, Hans
Arp aus Frankreich.
Die Energien und Ehrgeize der Mitarbeiter des Cabaret Voltaire
in Zürich waren von Anfang an rein künstlerische. Wir wollten
das Cabaret Voltaire zu einem Brennpunkt „jüngster Kunst“
machen.
Das Wort Dada wurde von Hugo Ball und mir zufällig in einem
deutsch-französischen Diktionär entdeckt, als wir einen Namen
für Madame le Roy, die Sängerin unseres Cabarets, suchten.
Dada bedeutet im Französischen Holzpferdchen. Es imponiert
durch seine Kürze und seine Suggestivität. Dada wurde nach
kurzer Zeit das Aushängeschild für alles, was wir im Cabaret
Voltaire an Kunst lancierten.
Die Mitarbeiter des Cabaret Voltaire waren alle Künstler in dem
Sinne, daß sie die letzten Entwicklungen der artistischen Mög-
lichkeiten in ihren Fingerspitzen empfanden. Ball und ich hatten
in Deutschland den Expressionismus in aktivster Weise ver-
breiten helfen; Ball war ein intimer Freund Kandinskys und
hatte versucht, mit ihm in München ein expressionistisches
Theater zu gründen. Arp war in Paris mit Picasso und Bracques,
33
den Führern der kubistischen Richtung, zusammengewesen
und von der Notwendigkeit einer Abkehr von der naturalisti-
schen Auffassung in jeder Form durchaus überzeugt. Tristan
Tzara, jene romantisch-internationale Type, deren propagandi-
stischem Eifer wir eigentlich die ungeheuere Verbreitung des
Dadaismus zu verdanke# haben, brachte aus Rumänien eine
unbegrenzte literarische Versiertheit mit. Abstrakte Kunst be-
deutete uns damals, als wir allabendlich im Cabaret Voltaire
tanzten, sangen und rezitierten, soviel als unbedingte Ehrlich-
keit. Naturalismus war psychologisches Eingehen auf die Mo-
tive des Bürgers, in dem wir unseren Todfeind sahen und
psychologisches Eingehen brachte, mochte man sich auch da-
gegen sträuben, eine Identifikation mit den verschiedenen bour-
geoisen Moralen mit sich. Archipenko, den wir als unerreichtes
Vorbild in der plastischen Kunst verehrten, behauptete, die
Kunst dürfe weder realistisch noch idealistisch sein, sie müsse
wahr sein, womit vor allen Dingen gesagt sein sollte, daß jede,
auch versteckte Imitation der Natur eine Lüge sei. Dada sollte
der Wahrheit in diesem Sinne einen neuen Stoß geben. Dada
sollte der Sammelpunkt abstrakter Energien und eine ständige
Fronde der internationalen großen Kunstbewegungen sein. Durch
Vermittlung von Tzara standen wir auch in Beziehung zur
futuristischen Bewegung und unterhielten einen Briefwechsel
mit Marinetti. Boccioni war damals schon gefallen. Wir kannten
aber alle sein dickes theoretisches Buch „Pittura e scultura
futuriste“. Wir fanden Marinettis Weltauffassung realistisch und
liebten sie nicht, obwohl wir den von ihm sooft verwendeten
Begriff der Simultaneität gern übernahmen. Tzara ließ zum
erstenmal Gedichte gleichzeitig auf der Bühne sprechen und
hatte damit großen Erfolg, obwohl das poeme simultane in
Frankreich schon von Dereme und anderen bekanntgemacht
worden war. Von Marinetti übernahmen wir auch den Bruitis-
mus, le concert bruitiste, das, seligen Angedenkens beim ersten
Auftreten der Futuristen in Mailand, als Reveil de la capitale
so ungeheueres Aufsehen erregt hatte.
Die Literaturgeschichte ist eine groteske Imitation des Welt-
geschehens, und ein Napoleon unter Literaten ist die tragiko-
mischste Persönlichkeit, die man sich denken kann.
Der Literaturmakler ist nicht die unglücklichste Figur, die die
Internationale des Geistes geschaffen hat. Wieviel befreiende
Ehrlichkeit und anständige Schamlosigkeit liegt darin, die Litera-
tur als einen Handel aufzufassen. Die Literaten haben ihre
34
Diebesehre und ihre „Zinken“ — im internationalen Verkehr,
in den Winkeln der Hotelfoyers, und in den Speisewagen der
Mitropa fällt die Maske des Geistes schnell, man hat zu wenig
Zeit, um sich die Ideologie vorzubinden, die dem anderen ge-
fallen könnte. Manolescu, der große Hoteldieb, hat Memoiren
geschrieben, die hinsichtlich der Diktion und des „esprit“ höher
stehen als alle deutschen Memoirenwerke, die der Krieg her-
vorgebracht hat. Marinetti hat sehr viel von dem kommenden
großen Literaturmagier, der ebensogut Golf spielt als er über
Mallarme plaudert, oder wenn es sein muß, altphilologische
Betrachtungen anstellt und dabei doch weiß, welcher Dame der
Gesellschaft er ein Engagement zu zweien anbieten kann.
In den Städten saßen sie, malten ihre Bildchen, drechselten
ihre Verse und waren ihrer ganzen menschlichen Struktur
nach trostlos deformiert, mit schwachen Muskeln, uninteressiert
für die Dinge des Tages, Feinde der Reklame, Feinde der
Straße, des Bluffs und der großen Transaktionen, die täglich
das Leben von Tausenden in Frage stellten. Ja, das Leben!
Der Dadaist liebt das Leben, weil er es täglich wegwerfen kann,
ihm ist der Tod eine dadaistische Angelegenheit. Der Dadaist
sieht in den Tag mit dem Bewuß;sein, daß ihm heute ein Blu-
mentopf auf den Kopf fallen kann, er ist naiv, er liebt die
Geräusche des Metropolitain, er ist ein Habitue in Cooks
Reisebureau und kennt die Praktiken der Engelmacherinnen,
die hinter den fest verschlossenen Gardinen die Föten auf
Löschpapier trocknen, um sie dann als Malzkaffee zerrieben in
den Handel zu bringen. Dadaist sein kann jeder. Dada ist
nicht auf irgendeine Kunst beschränkt. Dadaist ist der Mixer
in der Teedielen-Bar, der mit der einen Hand Cura?ao schenkt
und der anderen seine Gonorrhoe auffängt. Dadaist ist der
Herr im Regenmantel, der schon zum siebtenmal die Reise um
die Welt antritt. Dadaist ist der kleine Heini mit dem Wasser-
kopf. Dadaist sollte der Mann sein, der ganz und gar begriffen
hat, daß man Ideen nur haben darf, wenn man sie im Leben
umsetzen kann — der durchaus aktive Typ, der nur durch die
Tat lebt, weil sie seine Möglichkeit der Erkenntnis in sich
schließt. Dadaist ist der Mann, der sich im Bristol-Hotel
eine Etage mietet, ohne zu wissen, von welchem Geld
er dem Zimmermädchen das Trinkgeld bezahlen soll. Dadaist
ist der Mann des Zufalls mit den guten Augen und dem coup
du pere Fran?ois. Er kann seine Individualität loslassen wie
ein Lasso, er urteilt von Fall zu Fall, er resigniert in der
35
Erkenntnis, daß die Welt allzumal in sich schließt Mohamedaner,
Zwinglianer, Sekundaner, Anabaptisten, Pazifisten usw. usw.
Die Buntheit der Welt ist ihm willkommen, aber er wundert
sich weiter nicht darüber. Abends spielt die Kapelle am See
und die Huren, die sich auf ihren hohen Stöckelschuhen wiegen,
lachen Dir ins Gesicht. Man geht so vor sich hin und macht
sich eine Philosophie für sein Abendessen. Aber ehe Du Dich’s
versiehst, bringt der Postbote Dir das erste Telegramm, daß
alle Deine Schweine an der Hundswut gestorben sind, Deinen
Frack warf man vom Tour Eiffel und Deine Haushälterin traf
der Knochenfraß. Du siehst erstaunt in den Mond, der Dir
eine gute Kapitalsanlage zu sein scheint, da bringt derselbe Post-
bote Dir ein Telegramm, daß alle Hühner, die Du besitzt, an
der Klauenseuche krepiert sind, Dein Vater fiel in eine Mist-
gabel und erfror und Deine Mutter platzte vor Kummer an-
läßlich ihrer silbernen Hochzeit (vielleicht blieb ihr auch die
Bratpfanne an den Ohren hängen, ich weiß es nicht). Die Tage
wechseln wie die Bewegung Deiner Därme und Du, der Du
sooft in Gefahr warst, an einer Fischgräte zu ersticken, lebst
immer noch. Du ziehst Dir die Decke über den Kopf und
pfeifst den Hohenfriedberger. Das ist der reine Dadaismus,
meine Herrschaften.
Wo haben diese Herren, die wert darauf legen, in einer Lite-
raturgeschichte genannt zu werden, ihre Ironie gelassen — wo
ist das weinende und das lachende Auge über dem ungeheueren
Hintern und Karneval dieser Welt?
Ja, Rimbaud begriff sehr wohl, daß Literatur und Kunst sehr ver-
dächtige Dinge sind — wie gut läßt sich dagegen als Pascah
leben oder als Bordellbesitzer, wo das Knacken der Betten
einem ein Lied von sich mehrenden Einnahmen singt. In Tzaras
Händen hat der Dadaismus große Erfolge gehabt. Sie schrieben
Bücher, die in ganz Europa gekauft wurden; sie gaben Abende,
zu denen Tausende sich drängten. Die Presse der Welt nahm
sich der dadaistischen Kunstrichtung an. Dada wurde unter
den Händen von Menschen, die keine Dadaisten waren, zu
einer ungeheueren Sensation für Europa.
Dada verstand es, die großen Rotationsmaschinen in Bewegung
zu setzen, man sprach von ihm in der Ecole de France und
in den Büchern der Psychoanalytiker; in Madrid suchte man
es zu verstehen, in Chile raufte man sich seinetwegen die Haare,
selbst in Chi- cago erschien für einen Moment, wie auf einem
großen gespenstischen Transparent, das Wort Dada. Es hat in
33
den letzten Jahrzehnten in Europa kein ^ort, keinen Begriff,
keine Philosophie, kein Schlagwort einer Partei oder einer Sekte
gegeben, von denen man sagen könnte, das sie mit so kata-
strophaler Gewalt in das Vorstellungsvermögen einer zivili-
sierten Gesellschaft eingebrochen sind.
(Aus: Bd. 50-51 der Silbergäule: Muelsenbeck, EnavantDada4.—Mk.)
Lesen Sie Marstall Nr. 3. Der Ober-dada protestiert gegen Muelsen-
becks Geschichtsschreibung!
©er ©fester £eonßarb Sranff
(Aus: Schwabinger Köpfe, 40 Scherenschnitte von E. M. Engert.
Die Silbergäule, Band 80-82, 6.— Mk.)
37
Qteue ßoffctnbifcße (Jtunff
Jan van Mehan / Weltgericht / Die Tragödie der Urlaute
A E I O U. Fünf Akte: Die Feier / Das Gericht / Das
Faß / Der Rein fall / Der Besen. (Die Silbergäule Bd. 83184)
Vorrede des Dichters:
Im Chaos der Völker, Sprachen, Zeiten suchten wir den Menschen,
der über Zeiten, Sprachen, Völkern ist. Das große UR wieder-
zugebären aus Schlamm verfaulter Moralen, zerrissenen Geweiden
der Kulturen, Verhirnlichung ästhetischer Synthesen — gelang
noch nicht.
Abstoßung von Artikeln, Losschälung von Begriffen —Worten —
Silben aus verarmter Dürre der Satzgefüge, geschicktes Durchein-
ander, erklügelter Wirrwarr — kümmerliche Versuche.
Im Anfang war das a, das e, das i, das o, das u. Wiedererblühe
es in keuscher Anfänglichkeit orphischen Kultgesangs. Beladener
mit Diesseits und Jenseits, Symbol und Aktualität als aller Völker
Zungen in entarteter Vielfalt, verunreinigt von Zisch-, Würg-
und Brummgeräuschen, trägt Urlaut Skala aller Erschütterungen,
Quintessenz von Sein und Nichtsein.
Kunst der Vokale die neue Kunst, die erste Kunst.- Als Drama
gebiert sich Ur-Kunst. Handlung ist Symbol.
Heute ward es ans Licht gebracht! Ihr Heutigen, du Schutz-
mann, du Kellner, du Mädchen, du Vettel, du Staatsanwalt, du
Herr im Frack — eint euch mit dem Druidengreis, schließt den
Ring mit Baum und Faß, laßt ertönen ihr Mann, Ding, Herr,
Weib und Bart, laßt hervorbrechen den reinen, den ersten Laut.
Völker befreit!
Alle Erdgeborenen, ihr Holländer, Chinesen, Franzosen, Austral-
neger, Berliner, Eskimos; ihr Heizer, Friseure, Milliardäre, Pro-
fessoren, Kommis kniet in Anbetung vorm Laut, der die Erde
noch einmal dem Anfang entrollt! DEN HAAG, Mai 1920.
Otto Flakes
neuer Roman „Nein und Ja“, der jetzt in der „Neuen Rundschau“ erscheint,
setzt sich mit den Versen Arps auseinander: „Hören Sie etwas Deutsches,
Gedichte meines Freundes HansArp; wenn sie nicht böswillig sind, werden
Sie empfinden, wie rein, von Seelenproblemen unbeschwert, phantastisches
Spiel hier die Welt geworden ist, ausgeschaltet Kausalität, übersprungen
Zwischenglieder, gleichzeitig alles, Silberkugeln und Fontänen.“ — „Wo
lebt er, wie?“ „In Zürich, so reinlich, daß es im Zeitalter von Büro, Bank,
Börse unwahrscheinlich ist, er hat keinem Kritiker einen Besuch gemacht,
diniert nicht mit Sammlern, Einladung mit Schmeichelei abzahlend, liest
Laotse und Jakab Böhme, hat Hände und Füße wie eine Frau, sein
Organismus ist so unbrutal, daß er Ausschlag bekommt, wenn er Fleisch
ist.“ — Hans Arps „Wolkenpumpe“ ist Vorbild künftiger Gedichtsschreibung.
38
ferner: ©te gefofün Weffrd'ffef
1° Um einen Feuerball rast eine Kotkugel, auf der Damenseiden-
strümpfe verkauft und Gauguins geschätzt werden. Ein fürwahr
überaus betrüblicher Aspekt, der aber immerhin ein wenig unter-
schiedlich ist: Seidenstrümpfe können begriffen werden, Gau-
guins nicht. (Bernheim als prestigieuser Biologe zu imaginieren.)
Die tausend Kleingehirn-Rastas embetantester Observanz, welche
erigierten Bourgeois-Zeigefingern Feuilletonspalten servieren
(o pastöses Gepinkel!), um Geldflüsse zu lockern, haben dieser-
halb Verwahrlosungen angerichtet, die noch heute manche Dame
zu kurz kommen lassen. (Man reflektiere drei Minuten über die
Psychose schlecht behandelter Optik; klinisches Symptom, pri-
mär: Unterschätzung der Damenseidenstrümpfe; sekundär: Ver-
dauungsbeschwerden.)
3° Auch einem Lokomotivführer fällt es jährlich wenigstens ein-
mal ein, daß seine Beziehungen zur Lokomotive durchaus nicht
zwingend sind und daß er von seinem Ehgespons nicht viel mehr
weiß als nach jener warmen Nacht im Bois. (Hätte ich La
Villette genannt oder die Theresienwiese, so wären beide Be-
ziehungen gänzlich illusorisch; Fingerzeig für Habili-tanten:
„Uber topographische Anatomie, psychischen Luftwechsel und
Verwandtes.“) Im Hotel Ronceroy oder in Picadilly kommt es
hingegen bereits vor, daß es verteufelt unklar wird, warum
man jetzt gerade auf seine Hand glotzt und trillert, sich kratzen
hört und seinen Speichel liebt. Diesem scheinbar so fried-
lichen Exempel ist die Möglichkeit, daß das penetrante Gefühl
der Langeweile zu einem Gedanken über ihre Ursache sich
emporturnt, am dicksten. Solch ein lieblicher Moment arrangiert
den Desperado (o was für ein Süßer!), der als Prophet, Künstler,
Anarchist, Staatsmann usw., kurz als Rasta Unfug treibt.
7° Die schönste Landschaft, die ich kenne, ist das Cafe Barratte
bei den Pariser Hallen. Aus zwei Gründen. Ich machte da-
selbst die Bekanntschaft Germaines, die u. a. zischte: „C’est
possible que je serais bonne, si je savais pourquoi.“ Hämisch
gestehe ich es ein: ich erblaßte vor Freude. Und dann hat in
diesem freundlichen Lokal Jean Kartopaites, der sonst nur mit
Herren ohne Stehkragen sich einließ, den Verkehr mit mir brüsk
abgebrochen, weil ich so unvorsichtig war, den Namen Picasso
fallen zu lassen.
39
15° Diese Hallunken, als da sind geschlossene Persönlichkeiten,
schwer arbeitende Arrivisten etc. stoßen, selbst wenn sie es zu
stupend-stupider Einseitigkeit bringen, bestenfalls ein Löchel-
chen (meistgefragter Schüfftsteller) in irgendeine Reihe (Gummi-
ball), die sich jedoch rasch wieder auffüllt, weil die anderen,
die luftici, die so vielseitig sind und fix, daß sie windrosenhaft
stupsen („Blasen Sie Bukarest"senkrecht an!“), weitaus in der
Überzahl sind. Sehr erfreulicherweise. Anziehende oder ab-
stoßende Köpfe? Die Nasen, die sie tragen, stoßen ab oder
ziehen an. Mithin gibt es schwerlich idiotischere Optimisten
als Ri-Ra- Revolutionäre (jede Naht ein dicker Dreher!). Gol-
gatha war ein Kinderspiel, verglichen mit jener Pleite, welche
da jüngst Mitteleuropa das Antlitz deformierte . . . Erfahrung?
Die lange Nase, mit der man stets abzieht, so man nicht spontan
darauf ausging, zum Vergnügen sich selber eine zu drehen. Siehe
immerhin, schlimm be-dachter Jüngling, jenes leise Grinsen, das
Personen (sogar Gustl Pufke; und naturgemäß Leonhard Frank),
die Erfolg hatten (stattgehabte Nasführung), in ihrer näheren
Umgebung zu sichten in der Lage sind.
38° Halt, wie ist das mit der Dämonie? . . . Gemach. Der
wilde Mann steigt nämlich vom Mißtrauen gegen sich selber zur
konstanten Belauerung seiner Sätze auf und endlich gewahrt er,
daß er sich zu allem entschließen kann. Er muß sich nur dazu
entschließen. Und schon ist der Bursche dämonisch. Was das
wilde Weib betrifft, so — liegt es beiweitem gehrer: vergnügt-
verwundert im Anfang über die genußreichen Hergaben des
Körpers, baldhin entzückt von dessen enormen (raptisch) —
Hochspannungen (biegt es sich gertenhaft zwischen Scheitel
und Zehen ... es jauchzt!) und letztlich dieserhalb wild ent-
schlossen, alles zu versuchen. . . Und schon ist die Kuh
dämonisch. (Anmerkung für Zurückgebliebene: jeder wirkt in
allem, was er tut, unvermeidlich aber ein wenig kokett; deshalb
allein setzt nicht jeder Willensakt sofort in blechernstes Er-
staunen. Aber an Dämonie zu glauben ist deshalb noch kein
Anlaß vorhanden.)
44° Sachliches in die Rippen! Sehr Sachliches!!! . . . Die Be-
trachtung der riesigen alten Ritterrüstungen; daß Kerle wie
Casanova und Henri IV. mit ihrer Lues sehr gut fertig wurden:
eine Promenade durch europäische Städte assoziiert Ritter von
der (wie bitte?) — traurigen Gestalt. . . Es ist gegenwärtig in
40
jeder Hinsicht empfehlenswert, auszusterben. Man weiß heute
nicht mehr, was man mit ihr apres anfangen soll (o die öden
Pausen!) Es war einmal eine Zeit, allwo es kein Apres gab,
meine Herren Lyriker. (Die Indianer sind noch heute spiro-
chätenvirulent, aber gesund!) O daß die alten Instinkte ge-
blieben, die ihnen entsprechenden Vitalitäten jedoch abgegangen
sind! Jene waren ehemals perpetuierlich be- schäftigt; man
hatte gar keine Zeit, sich zu langweilen (zu trompeten): man
atmete bis in die Lungenspitzen, koitierte, jagte, fraß, raufte, soff,
koitierte, schwamm, grunzte, koitierte, schlief und der Tag war
hold zu Ende. Nunmehr vazieren die Instinkte von den vier-
undzwanzig Stunden vierzehn, die dem (still!) — Berufsleben
dienen oder der (ffft!) — Kontemplation, welche die sonnige
Aufgabe hat, dem Herrn die Instinkte so fein auszureden, daß
er sich zu glauben vermag, er sei zwar ein toller Kerl, aber so
gescheit, sich zu unterlassen. Affen! Entartete Affen!! Miserable
Affen!!!
45° „Was tuen wohl die Engelein, so sie nicht singen?“ Lieber
Jakob Böhme, sie beächzen sich sicherlich, so sie nicht . . .
(Kein Geringerer als der Schafskopf Dante . . .)
61° Lust ist alles. Meisterwerke sind keine Wiesenbenützungen.
Leidenschaftlichkeit ist Talion. Witze sind Inzeste. Die Moral
ist ein Kettenhandel.
78° Dem Kosmos einen Tritt! Vive Dada!!!
(Aus : Die Silbergäule, Bd. 62-64, Serner: Letzte Lockerung, 6. — Mk.)
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41
(JttefclHor (gtfcßer: JUefhtnbe burc$ %xxn
Pro und Epilog:
Ein unheimlich schnell rotierender Roman, steht unter dem Titel.
So mag es, obwohl nichts besonders unterstreichend, bei Tag
unter gewissen Blickpunkten erscheinen.
Gut denn: Roman. Doch unter den betäubenden Strahlen einer
Mitternachtssonne gelesen, scheint es erst zeitlich, dann über-,
zuletzt unzeithaft, schnittig, Stahl: Epos.
Und endlich unter dem embryonalen, ja komischen Gelicht des
ausgedörrten, beinah gekreuzigten Monds kriecht es vielleicht
höchst lächerlich als abgekicherter Schwank hervor.
Gescheit und blöde, erlogen und wahr, schief wie ein lauter lungen-
blutenderTraum, erhaben toll und toll erhaben,ganz närrisch: Fast-
nachtsspiel. Bei der schreienden Fackel der Selbstverbrennung je-
doch, beweihraucht, martervoll einTedeum, geschrillt in den katho-
lisch ehrfürchtigen Auskiang eines Gassenhauers: Aschermittwoch.
Aber Aschermittwoch mit Sonnenblumen.
Ich opfere dieses astronomische Punktierbuch, auch Bibel, ge-
schrieben in Prag zu einer Zeit, die molluskenhaft, ich mathe-
matisch wirklich nicht bestimmen kann, es sei denn mittels
ultravioletter Geometrie, jenen, von denen Karl Einstein in
Bebuquin sagt: „Zu wenig Leute haben den Mut vollkommenen
Blödsinn zu sagen. Häufig wiederholter Blödsinn wird integrie-
rendes Moment unseres Denkens“, darum sage ich einmal wieder
einen andren, durchaus neuartigen Blödsinn.
In fünfzig Jahren oder in fünfzig Minuten ist dieser mein guter
Blödsinn bestimmt apodiktische Weisheit.
Stücke aus dem Roman:
Jörg Schuh stand breit am Baugerüst, lachte zugleich mit dem
kreischen Ton des Stichels, kaute sein Brot und wußte, daß er
Stukkatör. Scharf war Wind in dieser Vogelperspektive. Mit
einem Aug am Gesims ornamentierend, mit andrem aufs Pflaster
vierzig Stock tief hinabblinzelnd auf sonnbeklexten Asfalt, der
grell herauf schrie. Trotzdem straßerasendes Gemensch sehr
winzig unten wimmelte, sah er dennoch den großen Busen der
Magd Hanne aus dem Wolkenkratzer gegenüber Nr. 69.
Der Busen, der Bubusen ist prächtig plastisch, als hätte ihn ein
Stukkatör geformt! entriß sich ekstatischer Satz aus Jörgs be-
wundernder Kehle mit oberhalb geilen Glotzaugen, die über-
kegelten, Planke schaukelte, Kopf, Füße wankten quer durch-
einander, Wind pfiff...........................................
42
■
T^un war Zeit umrahmt von Mayonnäs, kandierten Früchten, ge-
backenen Hühnern. Körper entlaust, schwoll in guterWäsche.
Spiegel warf Bild eines vornehmen Knaben. Jörg hielt Rahels
Haus für Traumland künftigen Paradieses. Wenn nicht gerade
schon jetzt Paradies, so doch immerhin Paradiesbett. Wonne
war’s ihm, täglich gegen Abend zusammen mit Rahel zu baden.
Sie spielte mit ihm, doch wußte er noch nicht, was es bedeute.
Nur leicht dämmerte ihm erste Geografie: Halbkugel, Gebirg,
Bucht, Schlucht, Waldung, See und wieder Bucht mit äquatorialer
Wärme. Bei Nacht lag er Wache vor Tür ihres Gemachs, wenn
ein Mann über die Schwelle in Schwüle getreten. Rahel liebte
Abwechslung. Aber viele rochen nach Fusel. Alle aber waren
Hünen. Erste Zeit blieb Jörg in Entwicklung zurück, deshalb
wollte ihn Rahel zum Eunuchen bestimmen. Dann aber schoß
er hoch. Bekam Muskelansätze. Brannte schon immer mit ihr
zu baden. Schon des Morgens genoß er davon im Geiste. Es
überkroch ihn etwas wie Wohlgefühl. Rahel leitete langsam über.
Und da entsann er sich dunkel, in der Budike Ähnliches be-
lauscht zu haben. Und er lernte gut: war Stier an Wucht, doch
geschmeidig, ausdauernd. Da trat Rahel, badentstiegen, nackt zu
Nacktheit sprechend, nochmals den Jüngling Jörg kritisch über-
prüfend, arabeskenhaften Ausspruch: es wäre mir leid, soviel
Talent und Kraft zu beschneiden. Nein, Du paßt nicht zum
Eunuchen, Du bist Künstler Deines leibbeseligenden, ach, ganz
wunderbaren Instruments, das Du wie einen Meißel gebrauchst,
sicher, straff, bestimmt. Wenn Du schon kein Bildhauer wirst,
so gewiß ein Frauentröster. Du bist Goliath, mein Goliath!
Da trat Jörg ungemein fest auf, daß der Lüster erschrocken
von Decke niederbrach. Man hörte aber keinen Zerlärm, denn
er, Jörg, schrie wie Urwald.
Tch bin der Abt vom Berge, begrüßte Jörg das Parlament,
1 komme soeben vom Mann im Mond und bringe Euch seine
freundlichen Grüße, Telegramme und das Offert, seine Hosen-
träger zu kaufen, die er selbst erzeugt, Marke „Herkules“ bitte.
Damit, d. h. wenn jeder von uns sie trägt, haben wir unsre
Valuta heraus. Dem Herrn Finanzminister empfehle ich un-
bedingt zehn Paar dieser Hosenträger anzulegen. Dazu würde
als gemäßigtes Kostüm sich ein Reiherhut mit Pantoffelschnallen
sehr gut machen. Übrigens: war das neue Wahlgesetz nicht sehr
gut? Konnte nicht jeder Republikaner am denkwürdigen Wahl-
tage unbesorgt seine kalte Schale löffeln, trotzdem das K. d. W.
43
gesperrt war. Trägt nicht Pater Südekum einen wundervollen;
Frack? Wahrlich, wäre ich nicht Schuh, ich möchte Wilhelm
sein! Ich bitte, beifalln Sie nicht. Und dürfen wir uns gefallen
lassen, daß unsre besten Patrioten, die Schieber von der Re-
gierung mit Steuern belegt werden? Wo doch Melchior Vischers
dada-Spiele die Wohlfeilsten sind, was wir derzeit haben. Auch
wollen mehrere Operettenkompönisten, Gründer und stille Teil-
haber prunkvoller Weltpuffs, langverdienten Professorentitel
erhalten. Man könnte ihm ja dem Weingartner oder dem Muck
ruhig entziehen. Kann uns die Regierung auf alle Fragen, welch
pyramidale Fragen, eine befriedigende Antwort geben. Nein, das
kann sie nicht, aber ich kann eine Antwort geben. Also bin ich
die Regierung. Schon schrien alle Kopfebenen: Es lebe Präsident
Jörg Schuh! — Ich danke für die Illumination. — Zuguterletzt
hatte man ja schon §eit langem nicht mehr eine so klare präzise
gedankentiefe, ja kosmoserschütternde Rede im Parlament ge-
hört, wie eben jetzt die Jörgs. Zur Begrüßung stellten sich alie
Tippmamsells in Reih und Glied, legten ihre Blusen ab und
zeigten ihre gemischten Brüste. Da freute sich das ganze Haus
und jauchzte: schließlich können wir auch das Hintre vertragen,,
oh, wir halten was aus! Da ließen geistreiche Diener die Fen-
stervorhänge herab, damit keusches Dunkel ekstatische Insassen
überstülpe. Löwen brüllten enorm, da die Menagerie ganz in.
der Nähe.
Am Kap Horn zog er sich aus und ließ seinen Leib im Winde
** wehn. Ah! stöhnte erschauernd eine U. S. A. Miß, Tochter des
kilometerschweren Petroleummagnaten, die eben auf schwanener
Jacht vorübersegelte. Sie legte an, griff mit nervigen Lawn-
Tennishänden sich selbst betastenden Jörg, gischtete schamwehen
Schrei durch stürmische Luft, zog äußerst männlichen Mann
in hygiänische Kajüte. Man war schon im Golf von Mexiko,
als Jörg, straff, in Nankinghosen, das Deck betrat, die Miß
währenddem lag noch schwach, die Hände breitete, Gruß ins
sternengebannerte Chikago, vive Bendäda Hecht! voraussandte.
Dort von Sippe der Miß hoheitsvoll begrüßt, schenkte man
ihm zwei Klistierspritzen. Schwämme sind manchmal ungesund.
Die Miß freute sich schon auf Abend: venetianische Nacht bei
mattrosa Ampelbeleuchtung. Damenstrümpfe haben auch eine
Biologie, ebenso wie Battistwäsche nach unten. Man kann so-
gar sagen, sie haben Geruch. Und darauf kommt es heute an.
Geruch erzeugt Kolonien.
44
T>onbons sind nicht nur süß wie Benzin zum Beispiel, sondern
auch Töchter von amerikanischen Petroleumkönigen. Zumal
wenn ihre Hände durch vielerlei Sport geübt sind. Das war für Jörg
«in Lueskatorsparkfest. Aber schließlich war er ja kein Tape-
zierer. So glitschte er auf einen Äroplan und fuhr wolkenquer
dem antiquarischen Appetitsbrötchen Europa zu. Über London
ließ er beglückt Wasser, sang: God save the King! Unten rief
man: Zeppelin wirft flüssige Bomben! sofort eilte der Luftvtr-
teidigungsminister Woprschalek herbei, schrie: panove, panove!
Es kamen aber nur Schusterbuben mit rotzbezapften Nasen.
Die Lords knabberten Abführpillen. Aber eine Jungfer, nur
eine Jungfer sah mit Fernrohr, woher troff der Wasserstrahl.
Da betete sie: gesegnet sei dieser Strahl, denn viele Fraungefäße
sind gedörrt und güst! dann bei sich: was heut alles vorkommt. —
Unterdessen war Jörgs Äro schon weg, schoß wie getroffner
Vogel nieder auf Helgoland, wo gerade Frau v. Tirpitz ihre Eier
sonnte, währenddem die beiden Herren Ebert und Noske sich
ln prachtvoller Badebüx fotografieren ließen. Die Dame war
unmutig ob der Störung. Jungfraun und andre Mädchen wetzten
vor Vergnügen, Schauer ihre Badeanzüge. Der Äro brannte noch,
als Jörg sich verbeugte und schrie: Ich bin ein Künstler! —
Aber womit? rülpste eine zehnjährige Göhre, die schon zwölf
Jahre verheiratet war und fünfzehn Mutter.
REKLAMETAFEL:
Lachen Sie nicht meine Herrschaften, Sie wissen nicht, ob Sie sich
selbst belachen. Dann aber lache ich. Wer sagt Ihnen, daß ein
Quadrat immer und überall ein Quadrat bleibt. Lachen Sie,
lachen Sie!
Kroolookroooloookroooolooooschüüsichüüschüüschüüüdadadaa-
daadaaadaaa Löwe, ririririririilülülülühihihihihiiiii Pferd, pou-
poupouuou taktakpoooouuuubooooboooooou Hund, schaulschaul-
schaulsususuu Hirsch, eieieiiiinöööööiöööiöööiiööööi—ööi—iööi
Vogel, schief, quer, prasselnd wie Unwetter töteten endlich ge-
fundne ichthyosaurische Urlaute die ganzen blöden Sprachen
verkommener Erdkugel. Ich bin verrückt, meinen Sie? O nein!
meine Umwelt ist nur blödsinnig, zivilisiert, beschmiert, daher
ich seltsam. Besonders seltsam pietätvollen, gesunden dicken
Leuten und Turnlehrern. Wir wollen die Kultur zertrümmern,
auch den bürgerlichen Wahnsinnder oft so schön gefärbt und in
Saffianleder gebunden, wir gehen bis zum äussersten Ende, dorthin,
45
wo schon die grosse Freiheit grenzt: Ursein. Wir trümmern.
trümmern, und da da vom Grund auf, zuerst also kroch lackierte
Sprache, daß nur übrig bleibt das einzige große DADA. —
Huelsenbeck, Baader und Schwitters seid gegrüßt. Wir habea
kein Erbarmen. Wir zeigen die Gescheitheit und prr die Vernunft
von ihrer Kehrseite. Wankt, wankt. An dem Sonnenmondtag,
an dem die Kultur mit dem schamlosen Bastard Zivilisation
zusammengekracht, da will ich dann hinknien auf Meer Ebne,.
Wüste, Hände in reine weite Luft strecken, rufen wild stark groß:
WIR SIND WIEDER JUNG!
(AusBand59-61 derSilbergäule. Vischer, Sekunde durch Hirn, 6—Mk.}
Ein Protest:
Sekunde durch Hirn. Ein unheimlich schnell rotierender
Roman. Von Melchior Vischer.
Sehr geehrter Herr Verleger!
Sie sind Optimist, wie Sie mir schrieben, nachdem ich einige andere
Bücher Ihres Verlages „verrissen“ hatte. Ich glaube Ihnen aufs
Wort, denn wären Sie’s nicht, so würden Sie kaum diesen hane-
büchenen Dada-Roman mir auf den Tisch gelegt haben. Soll ich
Phrasen machen um die Sekunde, die durch das — höchst proble-
matische — Hirn des Herrn Vischer schnellte? Verlangen Sie nicht
zuviel von mir! Man hat sein Niveau. Ebensogut wie diese Kinderei
könnte ich das Kunterbunt des Nähkastens einer Hausmutter
oder die ersten Schmierversuche eines dreijährigen Knäbleins
besprechen, und das liegt mir wirklich nicht. Aber die Frage
ist wohl erlaubt: was bezwecken Sie eigentlich mit diesen Ver-
öffentlichungen? Das Geschäft geht. Nun wohl! Es gibt Men-
schen, die mit kurzer Handbewegung auf das make money hin-
deuten, doch bin ich nicht leichtgläubig genug, um darin, bei
Verlegern sowohl wie bei Dada-Poeten, den letzten Grund der
Betätigung zu sehen. Unlängst hatte ich Gelegenheit, die Vol-
tigen der französischen Herren Picabia und Tzara kennenzu-
lernen, und ich meine: die gebärden sich eindeutiger. Wenn
überhaupt Sinn und Absicht im Dadaismus wirken, so sind sie,
meines Erachtens, politischer Natur. Der „häufig wiederholte
Blödsinn“, den auch Herr Vischer zitiert, soll vielleicht etwas
ähnliches sein wie literarische Avantgarde des Kommunismus;
man will das Publikum meschugge machen, um drüberher-
trampeln zu können. Lachen Sie? Wehren Sie ab? Schön,
dann zaubern Sie all Ihren Lieblingsschriftstellern den Grund
46
unter den Füßen weg, den diese im Notfall noch gehabt hätten.
Dann ist der Stumpfsinn offenbar, und die „wundervolle“ Ein-
banddecke, die mein ehemaliger Schulfreund Kurt Schwitters
für Ihr neuestes Opus gezeichnet hat, gewinnt symbolische
Dada-Bedeutung: kopfüber stürzt ein Idiot zwischen Regen-
schirmen (oder Maurerkellen?) in eine Pfütze. Sie haben in
Ihrem Verlage auch Leute wie Heinrich Mann, Carl Hauptmann,
Kurt Martens, Klabund, Otto Flake und Kasimir Edschmid. Ich
hoffe, daß Sie, Herr Verleger, nicht mitstürzen, sondern sich
eines Fallschirms bedienen werden, der Sie sanft am Ufer
mitteleuropäischer Vernunft absetzt. Der Optimismus hat auf
mich übergegriffen, und dafür bin ich Ihnen sehr verbunden,
registriere es auch gern als außergewöhnlichen Erfolg eines
Dada-Romans. Hatten Sie etwas anderes erwartet? Nun, die
Gehirnkatastrophe, die zu beobachten Ihnen versagt blieb,
können Sie jederzeit in allernächster Nähe studieren. Verzeihen
Sie diesen Hinweis — er ist freundlich gemeint — und nehmen
Sie die Versicherung meiner vorzüglichen Hochachtung.
Weser-Zeitung, Bremen 27. 6. 20. Victor Kluges
©te (Porfrngßßünfffertn QLtörtetfa
cuiB ber (Künffferßnetpc „JätmpfrjtfftmuB“ tn Qtttündjen
(Aus: Schwabinger Köpje, 40 Scherenschnitte von E. M. Engert / Die
Silbergäule, Band 80-82, 6.— Mk. Gleichzeitig erscheint das neue
Werk von Klabund: Marietta / Ein Liebesroman aus Schwabing.
Die Silbergäule, Band 79, 2.— Mk )
47
unb (UUgte
LOTHAR BRIEGER / DER GESCHÄFTSTÜCHTIGE
EROS / PAUL VERLAINE.
Am 5. 7.1919 erhielt ich aus Charlottenburg eine Postkarte:
„Herrn Paul Steegemann Verlag, Hannover.
Sehr geehrter Herr, hierdurch möchte ich anfragen, ob Sie unter
Ihren „Silbergäulen“ für ein kleines Gedichtbändchen „Statuen
und Bilder“ — die Art der Verse ergibt der Titel — von mir
Interesse hätten. Mein Name ist Ihnen wohl bekannt. Es sind
die ersten Gedichte, die ich überhaupt veröffentliche. Eine
Mitteilung der Umpfanggrenze des Bändchens wäre mir angenehm.
Hochachtungsvoll
Lothar Brieger
Der Name dieses Kunst-Schriftstellers ist mir sehr bekannt. Ich
lehnte umgehend ab. Inzwischen erschien bei mir als erster Sub-
skriptions-Druck die deutsche Ausgabe von Paul Verlaine's seltenem
Werk: Femmes — in einer deutschen Übertragung von Curt Mo reck.
Unterdessen hatte ich Herrn Brieger und sein Manuskript-Angebot
längst vergessen, da brachte am 14. 2. 1920 das Börsenblatt für
den Deutschen Buchhandel diesen Abschnitt:
Brieger, Lothar: Der geschäftstüchtige Eros. B. Z. am Mittag
vom 29. Januar 1920. Expedition: Berlin.
„. . . Nicht nur, daß eine Reihe von Zeitschriften erscheinen,
die unter mehr oder minder verhüllten Titeln mit künstlerisch
langweiligem und minderwertigem Inhalt in Bild und Wort plumper
Sinnlichkeit dienen, selbst der Buchverlag, und zwar nicht etwa nur
der, der schon immer etwas unbedenklich war, sondern auch
bisher einwandfreie Verleger werfen sich mit Mut auf das „neue
Geschäft“, indem sie es durch „Vorzugsdrucke“ und „Luxus-
ausgaben“ „bibliophil“ machen. Da erscheint — endlich — eine
deutsche Ausgabe von Verlaines „Femmes“, nacktesten Versen
von großartiger Technik und armseligem Gehalt, durch deren
eigenen Subskriptionsdruck dereinst der arme, elende Verlaine
seinem Elend abzuhelfen suchte. Ganze erotische Bibliotheken
entstehen „zu den höchsten Preisen“, in denen eine geschäfts-
tüchtig gewordene bildende Kunst mit einer geschäftstüchtig
gewordenen Literatur wetteifert. Im Buchhändler-Börsenblatt
macht der anständige Buchhandel bereits in erfreulicher Weise
gegen den ja dem Ernst der Zeit so gemäßen Schmutz auf
48
Bütten, mit handkolorierten Bildern und in Pergamentbänden
mobil. . . . “
Ich möchte nicht diskutieren: Hat die Ablehnung eines Manuskripts
Einfluss auf die Kritik... Aber diese merkwürdige Kritik des Herrn
Brieger hatte Einfluss auf die Geistes-Haltung einiger Mitglieder des
Börsenvereins der deutschen Buchhändler, die dem,, Volksbunde gegen
Schmutz in Wort und Bild“ eng liiert sind. Diese Herren glaubten
pornographischen Rauch zu riechen und begannen — ohne das Werk
zu kennen — eine unerhörte Hetzarbeit gegen mich, deren Gipfelpunkt
der Antrag auf Ausschluss aus dem Börsenverein war. Dass diese
Herren gleichzeitig einen Kampf gegen einige Verleger erotischer
Belletristik führen, kümmert mich nicht. Ich habe mit Pornographie,
mit ,, Sch mutz in Wort und Bild“ nichts zu tun. Mir geht es um
die Kunst, um den Geist, um das menschliche Leben.
Ich habe den Fall der Grossen Presse übergeben. Hier sind einige
Äusserungen:
BERLINER TAGEBLATT: ZANK UM VERLAINE?
Vor zehn Jahren wurde in Paris, zwischen den Bäumen
des Luxemburg-Gartens, ein Denkmal für Paul Verlaine ent-
hüllt. Ein Minister hielt eine Ansprache, ein gelehrter Professor
analysierte die Lyrik des großen Dichters, „den das Leben so
grausam zerfetzt habe und der in Schmutz und Schmerz der
Erfahrung doch immer ein unerfahrenes Kind geblieben sei“,
und mehr als ein halbes Hundert lebendiger Poeten, die (bis
auf den einen Verhaeren!) alle zusammen nicht so viel wert
waren, wie der Tote, pries in einem stattlichen Sonderdruck die
weinende Kunst des armen Lelian.
Heute, nach einem Dezennium, soll auch im Land der Dichter,
in Deutschland, ein Denkmal für Verlaine errichtet werden, aber
ein Monument der Schande. Ein junger Verleger, Paul Stee-
gemann in Hannover, hat es gewagt, Verlaines am wenigsten
gekanntes und am meisten geschmähtes Buch „Frauen“ in der
musterhaften Verdeutschung Curt Morecks als Privatdruck für
Literaturfreunde herauszugeben und wird deshalb mit einer Er-
bitterung verfolgt, die auch die Ehre des toten Dichters bedroht.
Zunächst muß die Frage erlaubt sein: warum der Lärm? Die
Ausgabe ist teuer und nur den Leuten zugänglich, die sich einen
Abzug durch Namensunterschrift gesichert haben. Es ist also
dafür gesorgt, daß Unreife ihre schmutzige Neugier nicht be-
friedigen können. Dann aber sollten wir uns doch endlich einmal
49
die Albernheit abgewöhnen, Menschlichkeiten eines Dichters
mit der Philister-Elle zu messen. Bleibt Goethe nicht Goethe,
weil auch er Verse geschrieben hat, die wegen ihrer Sinnlich-
keit lange unter Verschluß gehalten und erst vor wenigen Jahren
seinen Verehrern gezeigt wurden? Es ist ein Abstand zwischen
Goethe und Verlaine, natürlich: aber die braven Bürger, die
sich an den glücklichen Goethe" nicht herantrauen, sollten auch
etwas Achtung für den unglücklichen Verlaine beweisen. Statt
dessen wird muckerisch gesagt, Verlaines Buch „Frauen“ sei
ein pornographisches, ein schmutziges und verwerfliches Buch.
Ob der Staatsanwalt schon bemüht ist, weiß ich nicht; aber er
wird wohl nicht auf sich warten lassen. Staatsanwälte haben
auch Boccaccio und Casanova, Zola und Lemonnier verfolgt.
Ein Staatsanwalt hat den genialen Panizza ins Gefängnis gesteckt.
Warum sollte ein Staatsanwalt vor Verlaine Respekt haben, zumal
da besagter Verlaine ein Franzose ist, noch dazu ein toter?
Ob nun aber der Staatsanwalt kommt oder nicht; ein für allemal
muß gesagt sein, daß Verlaines grausames und verwildertes Al-
tersbuch keineswegs als ein Kosthäppchen für Liebhaber ero-
tischer Bücherfreuden zu betrachten ist. Es ist derb und zynisch,
ein Dokument tiefer animalischer Erniedrigung, aber in ihm ist
keine Spur jener kitzelnden Lüsternheit, die sich in vielen an-
deren öffentlich feilgebotenen Werken findet — besonders in
jenen verwerflichen Bilderblättchen, die heut in jedem Kiosk
zur Schau liegen. Und es ist das Buch eines Dichters, dessen
selbstzerfleischende Leidenschaft bei aller Hingerissenheit un-
säglich traurig stimmt.
Wer Verlaine ganz verstehen will, muß auch dies menschlichste
seiner Bekenntnisse schaudernd gelesen haben. Diese schmerzens-
volle Passion der Leidenschaft ist nichts für empfindsame Seelen,
ganz gewiß nicht. Sie ist brutal, wie das Leben. Sie ist krank,
wie der alternde Mann krank war, der diese Verse schrieb.
Dennoch: dies Werk bleibt Blut vom Blut Verlaines. Die Me-
lancholie der holden Zeilen aus den Ariettes oubliees:
II pleure dans mon coeur
Comme il pleut sur la ville . . .
bebt klagend auch durch diese wilden Rhythmen.
Nein, wir wollen es nicht dulden, daß Paul Verlaine noch im
Grabe beschimpft wird! Paul Block
Diese Sätze des Feuilletonredakteurs Dr. Paul Block brachte das
Börsenblatt am 10. 7.1920 auszugsweise zurechtgestutzt, und hängte
einen Schwanz an:
50
„Dazu dürfte zu bemerken sein, daß alle, die aus literarischem
Interesse in Verlaines Dichterseele und sein Schaffen einen tieferen
Einblick tun möchten, die französischen Originalausgaben wohl
vorziehen werden. Ein Bedürfnis, jetzt für Literaturfreunde eine
deutsche Ausgabe dieses zynischen Buches herauszugeben,
wird sich schwerlich nachweisen lassen.“
Die Redaktion des Börsenblattes ist eingesetzt vom Börsenverein der
deutschen Buchhändler, dessen Aufgabe satzungsgemäss nur darin
besteht, die wirtschaftlichen Interessen seiner Mitglieder zu vertreten.
Darüber hinaus ist die Redaktion durchaus nicht verpflichtet, Ur-
teile über künstlerische Dinge von sich zu geben,
Zeitschrift für Bücherfreunde: Dies Buch erotischer Ge-
dichte ist von dem alternden Verlaine geschrieben; es erschien
auch in Frankreich nur in einem numerierten, heute von den
Bücherfreunden begehrten Privatdruck. Ein erotisch verwildertes
Buch, aber überglänzt von dem Künstlertum des lyrischen Ge-
nius; ein Dokument gepeitschter Menschlichkeit, die Verse
eines leidenden Flagellanten, erfüllt von den animalischen Lauten
entfesselter Sinnlichkeit. Curt Moreck hat die Gedichte aus-
gezeichnet übertragen, es ist etwas von dem vibrierenden Rhythmus
Verlainiescher Kunst in seinen Nachdichtungen. Er hat den Stücken
des Buches „Femmes“ noch vier aus der gleichen Sphäre hin-
zugefügt, die aus dem Manuskript übersetzt sind. Unter ihnen
ist eins „Liebeskämpfe“ das beste des ganzen Zyklus, von auf-
bäumendem Schwung und großem Umriß. Das Buch ist auf
Bütten gut gedruckt und geschmackvoll gebunden. Hans Bethge
Vossische Zeitung: Erstmalig liegen nun diese unerhört hin-
gerissenen Verse des schon bei ihrer Entstehung Alternden in
deutscher Sprache vor. Sie sind trotz gewisser morbider Züge von
einer fast holländischen Deftigkeit, mitunter etwas knallig, aber
doch in ihrem bacchanalischen Humor farbensatteste Gemälde.
Manfred Georg
Die Neue Rundschau: Wenn es die Definition Gottes ist, keine
Gegensätze zu kennen, so hat dieses Buch ein Gott geschrieben.
Der Zusammenhang alles Seienden ist in 23 Gedichten bis zu
einem Grade sichtbar im Bilde und hörbar im Rhythmus ge-
worden, daß man mit dem Buch die Welt in der Hand zu tragen
glaubt. Was ist häßlich, schlecht, niedrig? Alles, solange man
nicht in allem das Gleichnis gefunden hat; nichts, sobald es mit
51
einem der fünf Sinne erlebt ist. Das Wesen aller Lyrik wird
klar: Ähnlichkeiten zu finden, alles mit allem zu verbinden, so
daß Alles in Einem und Eines in Allem ist. Also ist tiefste
Lyrik dort, wo Ähnlichkeiten noch zwischen Gegensätzen ge-
funden werden. Je „unwürdiger“ daher das Objekt, um so größer
die Kunst, um so tiefer die Liebe, die es gottähnlich macht. Wer
es nicht weiß, erfährt es durch dieses Buch: daß die Verrohung
der Sinnlichkeit die Schuld der Dichter ist — denn was nicht
geheiligt wird, dessen bemächtigen sich die Unheiligen. Die
„pornographischen“ Gedichte des Dichters Verlaine, die das
Unheilige heiligen, helfen daher der Vergeistigung der Mensch-
heit mehr als alle sittlichen Imperative aller Philosophen von
Aristoteles bis Kant. Leo Matthias
European Press: Lovers of Verlaine, especially those capable
of reading him in the German, should not tail to secure the rare
“Femmes“,just published under the title “Frauen“, in an excellent
translation by Curt Moreck, by the Paul Steegemann-Verlag of
Hannover. The book, which is admirably printed on fine hand-
made paper, in pretty marbled covers, also contains four bitherto
unpublished poems of Verlaine’s, found among his literary re-
mains. The book “Femmes“ is a coronal of votive songs in
which Verlaine, with that frankness, abandon and passion with
which the French salute the eternal amour, celebrates the charms
and caresses of his numerous loves-precisely as his great and
equally vagromforerunner, the merry rascal Villon, was wont to do.
George Scheffauer
Der Abdruck der Dokumente pro und contra Paul Ver-
lainewird fortgesetzt. Robert Brendels Novelle ,,Die grosse
Hure“, die Gestaltung der biblischen Erzählung von Sodom und
Gomorrha, begeistert die Tugendbündler ebenfalls zur heiter-tra-
gischen Verfolgung. Was wird erst werden, wenn Serners grosses
Prosabuch „Zum blauen Affen“ im Herbst erscheint? Man soll
das Werk in den Leipziger Buchhandlungen voraus bestellen!
52
J^annß Qttarftn &züx: ©te JStfßer^d'ufe
Merkwürdiger Name für eine Buchreihe: Dichtung, Graphik, Essais! „Die
Silbergäule“! „Verstehe ich nicht“, kopfschüttelt der Bürger: Und trifft damit
sofort die ganze Falschheit seiner Einstellung. Schon hier, bei dem Namen der
Buchreihe ist nichts zu verstehen, mit dem Verstände zu zergliedern, denkend,
erkennend auseinanderzulegen. Schon hier ist nur zu fühlen. Fühlst du
nichts, wenn du hörst „Silbergäule“, erschaust du nichts, wenn du liest „Silber-
gäule“? Ich fühle Heiterkeit, innere Freiheit, seelisches Gehobensein. Ich
sehe helle, silberne Linien, in Rhythmus springend wie galoppierende Gäule.
Das Wort „Silbergäule“ gibt meinem Innern eine Lebensstimmung, läßt mich
erleben, daß ich da bin, daß in mir das Da-Sein das All ist. Und so ist es
auch gemeint, das Wort „Silbergäule.“
Lieber Mitmensch, wenn du es nicht fühlst, du wirst es nie begreifen! Ent-
weder wird dir sofort beim Aufspringen dieses Wortes seine innere, seine
geistige Spannung und sein Gehalt offenbar, oder du bleibst ewig stumm. Nicht
weil — wie dein kalter, nüchterner Verstand will — etwa das Wort sinnlos,
verrückt wäre. Sondern weil in dir nicht der Sinn, das Gefühl ist, die aller
Kunst zugrundeliegen. Hier scheiden sich in der Tat die Geister und die
Wege, hier stehst du, lieber Mitmensch, am Scheidewege von Impressionismus
und Expressionismus, am Scheidewege von „alter“ und „neuer“ Kunst, obwohl
es keine alte noch neue Kunst, sondern nur Kunst gibt; hier stehst du an
der Grenze einer vergehenden und einer aufsteigenden Zeit, der verwesenden
und der werdenden Menschheit.
Wir alle erleben die schweren Erschütterungen, unter denen ein Neues ge-
boren wird. Dies Neue ist doch das ewig Alte: das rein Menschliche. Der
Mensch besinnt sich auf sein Wesentlichstes. Auf das, was sein Leben wert-
voll macht, sein Gottsein bedeutet: auf das Gefühl. Nichts ist er ohne das
Gefühl, nichts wird in ihm und außer ihm ohne das Gefühl. Freilich, es ist
kein Gefühl im Alltagssinne. Sondern jenes, das atmend lebt in jedem Kunst-
werke, das von jeher aus religiöser Tiefe hervorbrach, das den Einzelnen
verknüpft mit dem All, mit Gott: das Weltgefühl, das Schauen der Mystiker,
die Sehnsucht der Gotiker, die Ekstase der Fanatiker, die Hingabe der Ver-
zückten. Das Allgefühl als Mittelpunkt des Menschseins, als dessen Wesent-
lichstes, weswegen allein zu leben sich lohnt, der Quell alles Schöpferischen.
Die Jugend hat diese Klarheit im chaotischen Zusammenbruch einer auf den
Verstand, den materialistischen Willen und den Historismus eingestellten Welt
in sich erlebt, in sich erfühlt. Nicht erfahren nach stofflicher Bewußtseins-
methode. Sondern als Gewißheit seelisch erlebt! Getrieben von dieser Ge-
wißheit und von der Sehnsucht nach ihrer Erfüllung, lebt sie nun ausschließ-
lich diesem Allgefühl. Es ist ihr Ziel, Richtungspunkt, Anhalt, Aufgabe, Ur-
teil, Maßstab, einzige Lebensmöglichkeit: in allem, was du tust, das All fühlen
lassen und alles, was du tust, im Zusammenhänge mit dem All, dem Ewigen,
Unendlichen tun, das allein ist leben, ist schaffen, ist Kunst.
Leidenschaftlichste Ehrlichkeit ist ihr bei der Offenbarung und Verwirklichung
ihres Gefühlserlebens durch ihr Werk erste Pflicht. Alles, was hemmen, ver-
zerren, auf eine falsche Bahn schieben kann, wird bekämpft. Die schaffende
Jugend stellt die Welt heute absolut ein auf das reine Allgefühl, auf die rest-
los erfühlte Menschlichkeit: damit muß sie revolutionär sein und wirken.
Aus Ehrlichkeit; Aus Reife. Aus Sittlichkeit. Weil sie erlebt hat, wie jedes
53
Festhalten am Materiellen, am Stofflichen, am Impressionistischen, an der
Individualform das Wesentliche des Menschseins zerstört, davon abhält, irre
macht. Ihr geht es aber nur um dies Wesentliche — das Allgefühl — es zum
Entscheidenden aller Lebensformen und -inhalte zu machen, ist ihr mehr als
aller Stoff der Erde, ist ihre Lebensaufgabe. Nur auf diesem Wege sieht sie
die Möglichkeit, die Menschheit aus dem Chaos des nun Jahrzehnte an-
dauernden Zusammenbruches der seelisch-geistigen Welt wieder zu erheben.
Unter Aufgabe aller anderen Schwergewichte und Bindungen, ganz Geist, ganz
Seele, ganz Hingabe an das Gefühl sein: so allein wird das allzu materialis-
tische Sein soweit entmaterialisiert, daß der Mensch sich wieder auf Mensch-
sein zu besinnen ihm gemäß, zu leben vermag.
Aus solcher Stimmung wachsen die Werke der Jungen hinüber in das Reich
des reinen, abstrakten Geistes, wie die Schöpfungen der Mathematik. Hier ist
die Quelle des Kubismus geboren, nachdem zuvor der Futurismus die stoff-
lichen Formen der alten Schaffenswelt zerschlagen hatte. Hier ist die Quelle
des Expressionismus: sein Ziel einzig und allein der absolute Ausdruck des
Allerlebens, des Allgefühls, des geistigen Weltschauens auf der Grundlage des
innerlich erlebten Übersinnlichen. Zu erfassen ist diese Kunst des Kubismus,
des Expressionismus nur mit dem Gefühl. Wie jede echte Kunst, werden auch
Expressionismus, Kubismus nur erlebt, sie sind unerlernbar, nicht zu erfahren
noch durch Wissen oder Vernunftoperationen zu erkennen. Göttliche Kraft
wirkt sich in der Kunst von jeher aus: es gilt, sie schweigend zu verehren.
Alle denen, die ahnungslos den Werken der Kunst in der heute von der Ju-
gend erlebten Absolutheit der Offenbarung gegenüberstehen, sei nur gesagt,
daß kein abschätziges Übelwollen die Kraft zu vernichten vermag, die gegen-
. wärtig unter der Jugend der Welt immer stärker durchdringt. Das Wesent-
liche des Menschseins ist erlebt: Wer sich den Sinn dieses Satzes klarmacht,
weiß, daß die Quellen der Kunst mehr unter dem Schutt und unter den Trüm-
mern stoffgebundener Vergangenheit wieder entdeckt worden sind. „Silber-
gäulen“ gleich springt sie nun ins Leben; ihr junges Sprudeln schwillt zum
Strom . . .
'
Von der Literatur her werden weitere Kreise noch am ehesten in den Kern
und das Wesen derWelt- und Kunstanschauungen der jungen Kunst eindringen.
Die Buchreihe, von der hier die Rede ist, ist wie kaum eine zweite geeignet,
allen etwas zu geben, die suchen und begehren, von der Kunst für ihren Innen-
menschen rein menschliche Erlebnisse zu erobern, ethische Kräfte zu er-
werben, über den Sinn des Lebens klar zu werden. Die Prosawerke offenbaren
in zwingendster Weise den Untergrund des Expressionismus, das Allgefühl
im Besonderen für weitere Kreise. In Heinrich Manns kostbar gestalteter
Novelle „Der Sohn“ schwingt die ewige Vergänglichkeit des Seins. Otto
Flak es „Wandlung“, angesiedelt in einer historischen Welt, ist ganz
hingedrängt auf das Erlebnis der Erkenntnis des einem Individuum allein
.Möglichen, auf die Grenzen, die dem Menschen aufgebaut sind: über sie
hinauszudringen, bedeutet Glück, in ihnen sich zurecht zu finden, bedeutet
ebensooft Glück. Kurt Martens’ „Emigrant“ erfüllt sein Ich in beseligen-
der Echtheit.
Heinrich Mann, Flake, Martens: sie sind, im Besitze reifsten Könnens, Führer,
Vorbilder der jungen Generation, die mit starken Werken folgt: Kurt Mo-
recks ganz auf den Dialog gestellte „Hölle“, in der mit der Liebesnot des
Weibes scharfe Abrechnung gehalten wird, Max Krells wundervolles Erlebnis
54
„Das Meer“: ein Liebesgefühl wächst zusammen mit der Wassernatur rings
um den Ozeandampfer, Victor Curt Habichts von programmatischer Wucht
und-Willensbewußtsein in der Gestaltung des Schicksals getragenen ägyptischen
Novelle „Echnaton“ endet tragisch in der reine Sehnsucht, die Religion der all-
gemeinen Menschenliebe zu verwirklichen, an den natürlichen Widerständen
und schließlich ganz Ekstase Robert Brendels „Große Hure“. Chaos-
erleben gebiert in biblischer Welt die Erkenntnis von der Liebe dessen, der
da kommt im Namen des Herrn.
Gläubigem Vertrauen zum Sinn des Seins entspricht auf der anderen Seite
das heitere Sichhinausschwingen über alle materiellen Bindungen. Wohl
selten hat eine Zeit so reiche und sinnvolle Grotesken geschaffen, wie die
gegenwärtige. Sie hat das Vermögen, hinter die Grenzen des Bewußten zu
dringen. In der Welt des Spuks mit der Freiheit wirklichen Humors bei Mynona:
Seine Werke sind nicht um klappernder Erfindungen, um klirrenden Schellen-
klanges willen geschaffen, hinter der Spukwelt seiner Phantasie, hinter den
grotesken Sprüngen seines Geistes erhebt sich eindeutig die Kunde vom wahren
Menschentum. Seine tolle Spukgeschichte „Unterm Leichentuch“ ist
eine meisterhafte Offenbarung sinnvoller Weltüberwindung. Eine Parodie auf
Gustav Meyrink Mynona geht noch nicht so weit, wie die Dadaisten, er bleibt
noch im Banne des Grauens, des Unheimlichen, des Erstaunens. Die Dada-
isten haben— aus Verzweiflung — hindurchgefunden zum fessellosen Lachen:
Humbug ist ihnen das Menschsein, die Kunst, die Künstler, und sie sind doch
Künstler, darum gerade Mensch, Künstler, wo sie ihren Humbug sarkastisch
offenbaren: etwa in Kurt Schwitters Dichtungen „Anna Blume“. Entma-
terialisiertes Lachen erschüttert hier das Irdische mit im All frei schwebender
Heiterkeit. Fr. W. Wagners „Grotesken“, noch Christian Morgensterns be-
rühmten Versen hier und da nahe, sind voll lebenswiegenden Gelächters.
Erschütternder Schönheit und Gefühlseligkeit voll zeigt sich aller Expres-
sionismus, wo er ganz Ekstase, ganz Stimmung ist. Carl Hauptmann schreitet
hier der Jugend voran mit drei Legenden „Lesseps“, „des Kaisers Lieb-
kosende“, „der schwingende Felsen von Tandil“, die letztgenannte
die geschlossenste Komposition. Victor Curt Habicht gibt in einem drei-
aktigen Mysterienspiel „der Triumph des Todes“ das Todeserleben des
Krieges in seiner Kristallisation. Franz Weinrich zaubert in einem Gedicht
„Himmlisches Manifest“ voll besonderen Sprachreichtum die Entwicklung
der Zeit aus Kriegsmordsstimmung in „hafenfrohes“ Eingehen der Menschen in
Gott an den Tag. Persönliche Lyrik offenbaren Kasimir Edschmid in be-
rauschenden, rauschvollen Liedern, Hymnen, Strophen, „Stehe von Lichtern
gestreichelt“, die zu den schönsten und kühnsten Versen heutiger Dichtung
zählen. Anton Schnacks Gedichte „Die Tausend Gelächter“ machen
mit einem Sänger der Naturverlorenheit und einem Menschen bekannt, dessen
Stimme bald über weite Räume schwingen wird. Berta Lasks „Stimmen“
enthüllen, wie das Allgefühl die Frauenseele vertieft und süßer macht. Rudolf
Leonhard schreibt zarte, innige, keusch sinnliche „Briefe an Margit“ voll
Leidenschaft, Wärme, Blut und Farbe. Neben ihm wirken Olafs formvollendete
Verse des antiken Eros „der bekränzte Silen“, in denen die Knabenliebe
auf seelisch vornehme Art besungen wird, ein wenig zu sehr als Silberstift-
zeichnung, bei aller Feinheit, die in ihnen lebendig ist.
Doch nirgend eine Stimme, die zu töten unberechtigt wäre. Dichtung. Kunst
wuchs hier aus dem Leben der Jugend.
55
Graphische, politische Werke treten noch innerhalb der „Silbergäule“ ergänzend
neben die literarischen. Gleiches Welterleben offenbart sich. In der Graphik
durch die Macht der Linie und Fläche: Bernhard Dörries Steinzeichnungen
„Mittelalter“ sind voll Religiosität, in Max Burchartz Steinzeichnungen zu
Dostojewskis Roman „Dämonen“ hebt sich das seelische Chaos der Zeit
grauenvoll auf, in den Merzzeichnungen „die Kathedrale“ von Kurt
Schwitters gibt sich wieder jen'e Anna Blume-Humbug-Stimmung kund, für
mich persönlich freilich in einer Sphäre, in die ich nicht nachzufolgen vermag.
Politisch enthüllt die Gruppe der „Silbergäule“ ihr Weltgefühl durch den
Kommunismus, mit dem ich mich hier nicht auseinandersetzen kann. Es fällt
auch hier der Widerspruch auf zwischen der reinen Idealität der kommunistischen
Weltanschauung und der kasernenmäßigen Unfreiheit ihrer Verwirklichung:
meine Überzeugung ist, daß aller real durchgeführter Kommunismus in Zer-
störung aller menschlichen Entwicklungsfähigkeit ausläuft. Der Kommunismus
bleibt ewig eine Ideologie. Heinrich Vogelers (Worpswede) vier warm und
klar geschriebene Hefte „Expressionismus der Liebe“, „das neue Leben
(ein kommunistisches Manifest), „Proletkult“ (Kunst und Literatur der
kommunistischen Gesellschaft) und „SiedlungswesenundArbeitsschule“
enthüllen schlagend den Zwiespalt zwischen dem Idealismus einer schönen
Menschlichkeit, ihrer Verwirklichung in einer kommunistischen Siedlung, zu
der die Voraussetzung ist, daß alle Menschen von gleicher Seelenreinheit
wie Vogeler wären. Auf marxistischer Grundlage legt der Bremer Ludwig
Bäumer „das Wesen des Kommunismus“ dar, und Kurt Hiller setzt
sich scharfsinnig mit „Gustav Wynekens Erziehungslehre und dem
Aktivismus“ zugunsten Wynekens auseinander.
Die Lektüre der „Silbergäule“ macht froh bewegt. Hier lebt Jugend einer
starken, edlen Sittlichkeit. Hoffnungen umfangreicher Art werden erweckt.
Bleiben die Geister ihrem Welterleben treu, tragen sie das Entscheidende zur
Erneuerung der Menschheit herbei. Nicht zerstörerisch wirken sie, sondern
aufbauend wie nur je menschliche Tat. Die Flöte, August 1920.
DAS ANTIQUARIAT HEINZ LAFAIRE IN HANNOVER
BREITESTR. 6 KAUFT UND VERKAUFT GUTE BÜCHER
56
(Jtttffetfungen für QBücßerfreunbe
In der Bücherreihe „Die Silbergäule“ sind soeben folgende Bände er-
schienen: Wilhelm Michel, Essays über Gustav Landauer, Romain Rolland,
Hölderlin u. a. (33/33a). F. W. Wagner, Jungfraun platzen männertoll, Gro-
tesken aus dem Weltanschauungsradius Christian Morgensterns (48/49). Max
Sidow, Hermaphrodit, symphonische Dichtung aus der Gefühlswelt des
Platoschen Gastmahls (55/56). V. C. Habicht, Die letzte Lust, der langer-
wartete große expressionistische Roman, geboren aus dem tiefsten Eros-Er-
lebnis, schildernd die Welt und Umwelt des brennenden, mystischen 14. Jahr-
hunderts. Habicht erhielt 1920 die Ehrengabe der Schillerstiftung. Johann
Frerking, Martin ohne Flügelkleid, eine Kampfschrift gegen jeden bürger-
lichen Kritiker; aktuell aufrollend den großen Klabundskandal in Han-
nover 1920 (87/88).
Von den großen Dadaisten erschienen: Huelsenbeck, En avant dada, die
Geschichte des Dadaismus. Die erste große Auflage war in 14 Tagen ver-
griffen, das 6. —10. Tausend ist im Druck. Das Werk umreißt und durch-
leuchtet die ganze geistige Struktur Europas in dieser Zeit. Es ist die
einzigste neue Kunst- und Literaturgeschichte geistiger Herkunft (50/51).
Hans A rp, Die Wolkenpumpe, Dada-Dichtungen. Von Arp ist ein neuer Band
in Vorbereitung: „Der feine Hund of Bascerville“, der die bekannteren Dich-
tungen enthält (52/53). Melchior Vischer, Sekunde durch Hirn, der große
amerikanische Bluff, Börsen- und Schieberroman. Es wird dem Verleger
nachgesagt, er sei selbst der schamlose Verfasser. Aber er ist es nicht.
Melchior Vischer ist ein wirklich lebender junger Mann in Prag, verheiratet,
180 cm groß, 160 Pfund wiegend. Sein Roman erweckt auf der Erdkugel ein
großes Getöse. Noske, der auch drin mitspielt, will ihn nicht verhaften
lassen (59/61). Serner, Letzte Lockerung, dada-manifeste zur Lösung der
Welträtsel (62/64). Kein Gebildeter kann an diesem Werke vorübergehen.
Wilhelm Klem m, Traumschutt; Verse, grotesk satanistisch, wie sie heute
in Deutschland eben nur Klemm dichten kann (65/66). Heinz Wanders,
Spuk, Steinzeichnungen kongenial Meyrinkscher Novellen (67/68). Von diesen
Neuerscheinungen wird noch in den nächsten Nummern zu reden sein.
Im Druck befinden sich:
Ernst Schütte, O /vlensch! Zeichnungen der Verwesung (85/86). Schütte,
in Hannover lebend, ist als Maler und Graphiker bekannt. In diesen
Blättern bannt sein fabelhaftes Talent den Daimon. Er ist von deutschen
Zeichnern einer der Zukunftsreichsten. Jan van Mehan, Weltgericht, die
Tragödie der Vokale A EIO U (83/84) und: Das Gegenspiel (Kosmos), erstes
und zweites Buch. Der junge Haager Dichter-Philosoph fand hier den dich-
terisch gestalteten Ausdruck der Einsteinschen Relativitätstheorie.
Dieser, mit nüchternem wissenschaftlichen Apparat belasteten Theorie gab
Jan van Mehan den verständlichen Schlüssel.
Schwabing und der ganze Kreis in München lebender Dichter, Maler, Schau-
spieler wird lebendig in den 40 Scherenschnitten von E. M. Engert (80/82),
in den Schwabinger Sonetten von Hans Schiebelhuth (76/77), in der Liebes-
geschichte „Marietta“ von Klabund (79). Hier strudelt um die Vortrags-
künstlerin Marietta das lebendige Leben lebender Künstler: I. R. Becher,
Etzel, Klabund, F. S. Bachmaier, Emmy Hennings, Dorka u. a. Eine ganze
Generation deutscher Künstler lebt in diesen drei Werken.
57
Von Berta Lask erscheint: Senta, Lyrische Szenen (89/90). Man weiß all-
mählich, daß von den dichtenden Frauen in Deutschland neben der Else
Lasker-Schüler nur Berta Lask wesentlich zu sagen hat.
DAS WERK / Bücher der Weltliteratur, ist neues Verlagsunternehmen. In Vor-
bereitung befinden sichWerke von Balzac / Vivant Denon / Dostojewski / Flaubert
Gogol / Wilhelm Heinse / Kusrqin / Maupassant / Petronius / Poe / Stendhal
Der Neue Agathon/Liebesgeschichten des Orients / Briefe undTagebücher u. a.
Der erste Band erscheint im Herbst:' Gustave Flaubert: Der Bücher-
narr / erste vollständige Übertragung von Johann Frerking; illustriert
von Alfred Kubin; ca. 15.— M., gebunden.
DRUCKE FÜR SUBSKRIBENTEN
Das als erster Druck für Subskribenten auf handgeschöpftem Bütten abge-
zogene Werk: Paul Verlaine, Frauen, wird in Kürze vollständig vergriffen
sein. Eine neue Auflage erscheint nicht. Die noch vorhandenen Exemplare
kosten: in Halbpergament gebunden 100.— M.; in Ganzpergament 400.— M.
Als zweiter Druck war in Vorbereitung: Paul Verlaine, Männer. Leider
muß ich von dieser Publikation absehen. Die Herausgeber wollen das Werk
deutsch und französisch in Zürich oder Paris erscheinen lassen. Nähere
Mitteilungen geht den Subskribenten zu.
Der dritte Druck für Subskribenten gelangt im Herbst zur Ausgabe:
Aubrey Beardsley, Venus und Tannhäuser, eine romantische Erzählung.
Procop Templin gab eine vollendete, jede Nuance wiedergebende Über-
tragung dieser berühmten, prunkvoll und geistreich bestickten Erzählung.
Beardsleys geniale Arabeske ist, wie man weiß, Fragment geblieben. Nun
hat zu den zehn Kapiteln des Originals Franz Blei acht Kapitel und einen
Epilog gedichtet, der dieser ersten vollständigen deutschen Ausgabe den
sinnvollen Schluß und die Auflösung gibt: Tannhäusers Errettung vom Eros.
Es ist wohl kaum nötig, zu sagen, daß Beardsley in Blei einen genialen Er-
gänzer gefunden hat. Das Werk, ca. 300 Seiten Umfang, wird in beschränkter,
numerierter Auflage erscheinen; in Halbleder oder Halbpergament gebunden
je ca. 100 M.; in Ganzleder oder Ganzpergament je ca. 300.— M. Die Sub-
skription ist bereits eröffnet; auch dieses Werk wird in Bälde vergriffen sein.
VON DEN EINMALIGEN VORZUGSAUSGABEN in je 50 Exemplaren, auf
handgeschöpftem Bütten abgezogen und vom Dichter eigenhändig signiert,
sind noch einige Drucke lieferbar: Edschmid, Stehe von Lichtern gestrei-
chelt, 100 M. Otto Flake, Wandlung, 80.— M. V. C. Habicht, Echnaton,
80.— M. Berta Lask, Stimmen, 80.— M. Rudolf Leonhard, Briefe an
Margit, 80.— M. Kurt Martens, Der Emigrant, 80.— M. Anton Schnack,
Die tausend Gelächter, 80.— M.
VON DEN EINMALIGEN VORZUGSAUSGABEN in je 100 handschriftlich
signierten, in Halbpergament gebundenen Exemplaren, sind noch lieferbar:
V. C. Habicht, Die letzte Lust, 60.— M. Carl Hauptmann, Der schwin-
gende Felsen von Tandil, 50.— M. Carl Hauptmann, Lesseps, 50.— M.
Olaf, Der bekränzte Silen, 50.— M.
VON DEN EINMALIGEN VORZUGSAUSGABEN in 200 handschriftlich sig-
nierten, in Pappband gebundenen Exemplaren ist noch lieferbar:
V. C. Habicht, Triumph des Todes, ein Mysterienspiel, 30.— M. Franz
Johannes Weinrich, Ein Mensch, Szenen vom Tode eines Menschen, er-
scheint soeben, 30.— M.
58
DIE SIL BERGA ULE
(-ine radikale Bücherreihe
Dichtung f Graphik / tssai / Jeder Band 2.- 1)2 a c k
G E S A T12 TA U f£ AG € ÜBER sooooo B'ÄJIDt
Bd. 1/2 Rud. Leonliard / B riefe an Iüargit / Gedichte an eine Schauspielerin
Bd. 3 Heinrich Mann / Der Schn / Dovelle des 72euen Geschlechts
Bd. 4 Kurt Hiller / Gustav Wynekens Erpehungslehre und der Aktivismus
Bd. 5/7 V. C. Habidit / Echnaton / Hove Ile aus dem alten Ägypten
Bd. 8/9 Kurt Martens / Der Emigrant / Dovelle des antiken Eros
Bd. 10/11 Kasimir Edschmid / Stehe von Lichtern gestreichelt f Gedickte
Bd. 12 Heinrich Vogel er - Worpswede / Expressionismus dev Liebe
Bd. 13/14 Berta La sic / St i m m e n / Ekstatische Gedichte
Bd. 15 Bernhard Dörries / IBittelaltec / 8 Ursteindrucke
Bd. 1o Anton Schnack / Die tausend Gelächter f Verse der Lust
Bd. 17 Otto Flake / W a n cl l u n g / Dovelle der De m u t
Bd. 18 Curt Moreck / Die Hölle / Eine Ehegeschickte
Bd. 19 Heinrich Vogeler-W orpswede / Das Deue Beben
Bd. 20 Carl Hauptmann / Besseps I Ein legendarisches Porträt
Bd. 21/22 Carl Hauptmann / Des Ra isers Liebkosende f Legende
Bd. 23/24 Carl Hauptmann / Der schwingende Jeisen von Tandil f Legende
Bd. 25/26 Ludwig Bäumer-Worpswede / Das Wesen des Kommunismus
Bd. 27/28 Max Krell / Das 1)2 e e r / Erzählung
Bd. 29/30 V. C. Habicht / Der Triumph des Todes / Ein IBystecienspiel
Bd. 31/32 Franz Weinrich / Himmlisches IDanifest / Ein Gesicht
Bd. 33/33a Wilhelm Michel / Gustav Landauer / Romain Rolland / Essais
Bd. 34/35 Olaf / Der bek cän/te Silen / Verse des antiken Eros
Bd. 36 Heinrich Vogeler-Worpswede / Siedlungswesen und Arbeitsschule
Bd. 39/40 Kurt Sduvitters / Anna Blume / dada - Dichtungen
Bd.41/42 Kurt Sduvitters/ Kathedrale / J72er;-Stein;eichnungen
Bd. 43/44 Max Burdiartz / Die Dämonen f Stein;eichnungen ;u Dostojewski
Bd. 45/47 Mynona / llnte rm Leichentuch / Gespenstergeschichte
Bd. 48/49 F. W. Wagner / Jung/raun platjen männertoll f Grotesken
Bd. 50/51 Huelsenbedc / En avant dada / Geschichte des daclaismus
Bd. 52/53 Arp / Die Wolkenpumpen cacadou sup2rieur / dada
Bd. 54 Heinrich Vogeler-Worpswede / Proletkult / Essai
Bd. 55/56 Max Sidow / Hermaphrodit J D i ch t u n g
Bd. 57/58 Robert Brendel / Die große Hure / Dovelle
Bd. 59/61 Meldiior Vischer / Sekunde durch Hirn / Ein dada-Roman
Bd. 62/64 Serner / Lelfte Lockerung / dada- P2 a n i fest
Bd. 6y/66 Wilhelm Klemm / Traum schutt / Gedickte
Bd. 67/68 Heinz W anders / S p u k / Stein/eichnungen
Bd. 69/7 j V. C. Flabicht / Letzte Lust / Ein Roman
Bd. 76/77 Hans Schiebelhuth / Sch w ab in g er Sonette
Bd. 78/78aJan van Mehan / Das Gegenspiel / Kosmos f Erstes Buck
Bd. 79 Klabund/IDariettaf Ein Liebesroman aus Schwabing
Bd. 80/82 E. M. Engert / Schwabing er Köpfe / Scherenschnitte
Bd. 83/84 Jan van Mehan / Weltgericht AEIOU / Tragödie der llrlaute
Bd. 85/86 Ernst Schütte / 0 Iüensck! J Zeichnungen der Verwesung
Bd. 87/88 Johann Frerking / IDartin ohne Jlügelkleid f Klabund-Skandal
Bd. 89/90 Berta Lask / Senta / L y r i s di e S; e n e n
Bd. 91/98 Serner /3um blauen Affen /Brot. Dovellenfgebunden
Bd.99/100 Rudolf von Delius / Die leuchtenden Jrauen f Essays
V. C. Habidit / Die selige Welt / Ein P s a Im J 5 0 P f.
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Schriften von Adolf Behne
Volk, Kunst und Bildung
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Der Zweemann / Verlag / Hannover
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Skizzen, Glossen und Notizen zur neuen Kunst
Herausgeber: Hans Goltz
Redaktionelle Leitung: Dr. Leopold Zahn
Einzelheft M. 2.— plus Sortimenteraufschlag
Der Ararat, der bisher als politisches Flugblatt erschienen ist,
wird von nun an für die Neue Kunst eintreten. Seine Auf gäbe:
Beiziitragen zur Erneuerung der durch den Krieg unter-
brochenen künstlerischen Verbindungen zwischen den Nationen
durch Darbietung eines Tatsachenmaterials, das sich auf die
neue Kunst aller Kulturvölker, besonders aber der Deutschen,
der Franzosen, der Italiener und der Russen bezieht. —
Der „Ararat“ wird die knappsten Formen literarischer Mit-
teilung bevorzugen: die Skizze, die Glosse und die Notiz.
Aus dem Inhalt des ersten Heftes (des IV. Flugblattes):
Joseph Eberz: Eine autobiographische Skizze. — O. Kokoschka: Das
Mädchen mit iem Papagei. — Frankreich: W. Collin teilt uns mit ... —
Unbekannte Werke Gauguins und andere Kumtnachrichten. — Italien: Die
metaphysische Malerei. Zeichnungen eines Vierzehnjährigen. Ein neues Ri-
nascimento. — Rußland: Neue Kunstrichtungen in Rußland. 1. Bedeutende
Kunstausstellungen der Saison 1919. — Kunstnachrichten aus der Schweiz,
aus England und Amerika. —Staat shäupter und Kunst. — G. Apo 1 Jinaire:
Ma chambre ä la forme . .. Abbildungen nach Werken von Eberz, Kokoschka
und Chirico.
Inhalt des Doppelheftes 5/6:
Georg Schrimpf, Eine autobiographische Skizze. — Frankreich: Andre
de Ridder, Le Fauconnier. Jüngste Schaffensperiode. Andre Salmon,
Der Pariser Herbstsalon. Zeichnungen und Aquarelle von Picasso. Moderne
Kunst auf Pariser Auktionen im Dezember 1919. — Rußland: K.Amansky,
Die neue Monumentalskulptur in Rußland. Die Skulpto-Malerei Archipenkos.
Franpois Jammes: Gebet, mit den Eseln ins Himmelreich einzugehen.
Mit einer Radierung von Georg Ehrlich. Paul Verlaine, Pierrot. Mit
einer Lithographie von Georg Ehrlich. — Bücher, Zeitschriften, Ka-
taloge. — Notizen (Kleine Kunstcbronik). Die Arche: Bürokratie und
Kumt. — Abbildungen: Georg Schrimpf (2), Georg Ehrlich (st), Alexander
Archipenko (2), Das Bakunin-Denkmal in Moskau.
Der „Ararat“ erscheint zwanglos. Es sind 10 — ia Hefte im Jahre
geplant. Ein Abonnementspreis ist deshalb nicht festgesetzt.
Zu beziehen durch jede Buch-
handlung und vom Verlag
GOLTZVERLAG
MÜNCHEN, BRENNERSTRASSE 8
Im Herbst erscheint
WALTER SERNER
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Dreiunddreissig hanebüchene Geschichten
Preis ca. 16.— Mark
Der Titel dieses ehrlichen,
freien lind befreienden Bu-
ches ist Schauplatz, Symbol
und Ablauf bürgerlichen
Lebens. Serner trägt weder
Brille noch Monocle. Er
sieht durch ein Prisma die
hello,gabalischen Lüste der
Kleinbürger, Handlungs-
reisenden, Börsianer, Litte-
raten, Schieber, Hochstap-
ler undDirnen. Erumreisst
und vernichtet diese Welt
tragischer Lächerlichkeit
mit einer Kunst, die eben-
bürtig ist den besten Wer-
ken Heinrich Manns
und Carl Stern-
heims.
PAUL STEEGEMANN VERLAG HANNOVER