18 Herr Lavater, der da auf Genialität schwur. Den Weg vcn einer Anzahl Köpfe, deren Träger Auserlesene waren, zu einer Unzahl ähnlicher, welche Tröpfe sind, hielten sie nicht weniger für ver fehlt als das Unterfangen, in einer Kutschervisage einen Dichter zu wittern. Doch sie erkannten nur im Bilde und wenn Dosto- jewskiy seines Peter Alexandrowitsch Niedertracht durch eine er tappte Grimasse in den Spiegel so ganz menschlich gestaltet, schwebt die Wahrheit wie eine weisse Ahnung hernieder. Alle Mimik ist böse. Sie ist der fulminanteste Ausdruck der Unklarheit, der Ueberhebung, der Gottlosigkeit. Sie macht verwirrt, verhasst, vertiert. Schon das Kind, das hell und freudig auflacht, horcht sekundenlang ratlos diesem Lachen nach und wird hinterher rasch wild und böswillig. Und der Erwachsene, der stets, wenn ihm ein Jubel in die Kehle kommt, eine deutlich auffahrende innere Hemmung überwinden muss, welche nach ihrer Ueberwindung noch wie drohend nebenher zu fühlen ist, wird still sofort verwirrt, darüber ärgerlich, bald mürrisch und schliesslich boshaft. Sein Schmerz verzehnfacht sich, wenn er ihm ins Gesicht tritt und nähert er sich der Unerträglichkeit, so schlägt er in fauchendes Grinsen um, dem ein klirrendes Lachen nachspringt, welches augenbliks zornig macht und grau sam und ein Leben lang schmerzt die Erinnerung daran breiter und tiefer als der Schmerz selbst es vermochte. Der des Kindes steigt bis zur letzten Kraft des Kreischens, bricht dann jäh zu sammen und lässt, leise verwimmernd, eine entsetzensvolle Leere in den nassen Augen. In solchen Minuten können Kinder morden. Freude und Schmerz sogar, die ursächlichen Pole der Mimik, sind vom Bösen und zwischeninne rollt die lange Reihe der Triebe und Schwächen, die in der Axe ihrer Grenzen scharniert sind. Sie alle sind mimisch und es ist kein Zufall, dass der Ausdruck des Guten dort falsch ist, wo er mimisch wird. Demut und Mitleid, Güte und Scham haben nur eine Geste und sind sie ganz tief, nicht einmal diese. Gier aber und Grausamkeit, Verachtung und Hohn werfen Falten und bleiben sie glatt, so sind sie falsch. Zwischen den Polwirkungen der Mimik, Ent stellung und Glätte, schwankt das weite Feld der Verstellung. Sie ist souverain und fast überall, wo Menschen beisammen sind. Wer sie beobachtet hat, wenn sie sich unbeobachtet glauben, weiss, dass sie ihre Züge als verwahrlost empfinden und sie im Spiegel glätten, bevor sie unter Menschen gehen. Hier ist es ihnen stets, als verbärgen sie sich, wenn sie lächeln, als lögen sie, wenn sie weinen, als verrieten sie sich, wenn sie ihr Gesicht vergessen. Trifft sie in solchen Momenten ein klarer Blick, so zucken sie tieferschreckt in sich hinein und ihrer Verwirrung folgt ihr Hass. Sie jonglieren mit diesem Wissen, wenn ein starker Intellekt es ihnen vermittelte, und wird es ganz nieder