32 reich und nicht so breit geworden, wenn der Verfasser die Richtung seines „Trotelbuches“ nicht verlassen hätte. Hier war er ungefesselt nach innen gerichtet und mit aller Jugendstärke bestrebt, höher, immer höher zu fassen. Dann trieb ihn die Hoffnung, einen neuen besseren Weg gefunden zu haben, anderswo hinaus. Auf einen Irrweg. Möge er zurückfinden. Und die grosse Richtung seines Anfangs wieder bekennen. Sagitta: Die Bücher der namenlosen Liebe (Verlag J. Frangois, Haag i. H., W. de Zwygerlaan 99). Dieses Buch, das vor seinen dumm-dreisten Verfolgern aus Berlin nach Holland fliehen musste, hat noch heute denen, für die es kämpft, nicht allzu viel Interesse zu entreissen vermocht. Der Grund liegt tief und an der Oberfläche zugleich. Die männliche Homosexuali tät, deren Verachtetsein hier durch eine erotisch-ideelle Dichtung zerschmet tert werden soll, ist sicherlich so wenig verachtungswürdig wie die Sexuali tät überhaupt. Aber sie ist Sexualität und ideell konstruiert sentimentaler als alle Sentimentalität; denn gerade das Mannesbegehren des Mannes ist am unverlogensten: der Friseur betrachtet es flott und bieder, der Geistige ernst und ablehnend. Beiden ist darum ein Werk, das die Verpönung ihrer Menschlichkeit dadurch aus der Gesellschaft schaffen will, dass es sie zum selbstbetrügerischen Mumpitz („Verlorenes Glück“) erhebt, unwichtig, wenn nicht lächerlich. Besser ungerecht verstossen, als verlogen umarmt. Gleichwohl bin ich weit davon entfernt, Sagittas Dichtungen verlogen zu heissen. Wer sein Erleben so rein persönlich zu fassen weiss, ist kein Lügner. Doch, dass es für ihn keine Lüge sein mag, beweist nichts weiter als einen bedauer lichen Einzelfall, der auf Verallgemeinerung nicht mehr Anspruch hat als ein Kommis, der sein Dummerchen für einen Engel hält. Der Dichter Sagitta aber, dem die Strophen „Wer sind wir“ und die Novellen „Fenny Skalier“ gelangen, ist ein Dichter. Trotz allem; und deshalb: Shakespeares „Romeo und Julia“ hat nicht seinen „Hamlet“ verhindert. Rudolf Leonhard: Ueber den Schlachten (Verlag A. R. Meyer, Berlin- Wilmersdorf). Auf den vierzehn Seiten eines Flugblattes etwa über ein Dut zend Kriegsgedichte, von denen ich nur das erste gelesen habe. Der Schlüss- vers, der mir lange in den Ohren hing, lautet: „Wir lieben den Krieg, wir wollen das Böse.“ Nachträglich bemerkte ich auf dem Titelblatt das Motto: „Im Taumel der ersten Wochen geschrieben — Der Rausch ist verdunstet, die Kraft ist geblieben — Wir werden uns wieder besinnen und lieben.“ Das ist keine Entschuldigung, Herr Leonhard. Wenn Sie dem Anfang, den ihre „Angelischen Strophen“ bedeuten, ein Weiter retten wollen, müssen Sie für Ihre böse Schaffensperiode ein ärztliches Attest sich beschaffen, das Sie für unzurechnungsfähig erklärt. Aber man wird das Attest für erschlichen halten. Herr Leonhard, man wird Ihnen nie wieder glauben. Walter Serner. Inhalt der vorigen Nummer: Ludwig Bäumer: Somnium mortale; Max Herrmann: O läg ich herz los; Else Lasker - Schüler: SennaHoy; Angela Hub er man: Der Weg; Walter Serner: Inferno; Walter Serner: Goethe und Napo leon; Leo Sternberg: Erwachen; E. Woronow: Der wahnsinnige Pierrot; Rabelais: Wie Stehauf, der Philosoph, die schwierige Heiratfrage behandelt. Mit einem Originaiholzschnitt von Christian Schad.