64 Wilhelm Heinse : Ar ding hello, Roman (Verlag Wilhelm Born- gräber, Berlin). Als Goethe aus Italien nach Weimar zurückkehrte, waren Schillers „Räuber“ und Heinses „Ardinghello“-; begeistert gelesene Bücher. Mehr noch als von jenem wandte Goethe sich von diesem ab. Sein von Grund aus ablehnendes Urteil, das auf die Nachwelt kam, entzog ihr diesen Roman, da kein Verleger gegen die Autorität, welche die Rezensenten beherrschte neu zu edieren wagte. Heute, da die Autorität für die, welche ihrer mehr als ehedem bedürfen, eine überwundene lächerliche Bevormundung geworden ist, war das Prognostikon der Rezensionen günstig und erfüllte sich, als der „Ardinghello“ neu erschien. Nur an dem, welcher die Autorität noch (besser: wieder!) achtet, da er ihrer nicht bedarf, erfüllt es sich nicht. Ihm ist das Wort eines Grossen wahr für ewig, weil sein Zweifel starb, als er es als wahr erlebte. Ihm hätte der Umstand, dass Goethe den „Ardinghello“ tadelte, genügt, diesen nicht zu lesen, und so musste ihm die Pflicht der Feststellung, die zum Lesen zwang, die tiefe Freude dessen bereiten, der auf seinen Glauben sich verlassen kann. Der „Ardinghello“ ist ein sehr schlechtes Buch. Eine halb sentimentale Liebesgeschichte, die ohne alles Menschen-Erlebnis dahererzählt wird, unterbricht eine ebenso unfundierte Freundschaft und seitenlange Schilderungen von berühmten Renaissance- Gemälden. Schilderungen! Der Inhalt, oft sogar die Fabel der Bilder wird peinlich genau erklärt. Farben werden aufgezählt; es wird mitgeteilt, wie es mit Licht und Schatten gemeint war und wie herrlich naturbelebt eine Falte sein kann. Es Ist nicht bloss Ahnungslosigkeit, es ist sogar noch weniger, weil eingestreute kunstaesthetische Dialoge das Wissen um das enthalten, worum es sich letzthin handelt. Aber dieses Wissen steht so leer und locker da, dass es nur angelesen oder angehört sein kann und eine Sprachfremdheit verrät, die nicht noch um jedes Wort einen solch fatalen Geruch von Hohlheit zu legen brauchte. Die kosmischen Gespräche am Schluss des Romans führen geradezu eine allerschmerzlichste Assoziation herauf: Gymnasiasten von jener Gesinnung, die mit dem Briefmarken- Schacher beginnt, streiten gestikulierend über Gott und die Welt. Walter Serner. Peter Altenberg: Fechsung (S. Fischer, Verlag, Berlin). Alfred Wolfenstein: Die gottlosen Jahre (S.Fischer, Verlag, Berlin) Theodor Däubler: Wir wollen nicht verweilen (Hellerauer - Verlag, Dresden-Hellerau). Theodor Däubler: Der sternhelle Weg, Gedichte (Hellerau-Verlag, Dresden-Hellerau). Henri Guilbeaux: Pour Romain Rolland (J. H. Jeheber, Genf.) Henri Bergson: Schöpferische Entwicklung (Eugen Diederichs Verlag, Jena'. Henri Bergson: Das Lachen (Eugen Diedrichs Verlag, Jena). Inhalt der vorigen Nummer: Walter Serner: Hilfe; Peter Altenberg: Aus einem Briefe an das edie Fräulein Hilde Coste; Christian Schad: Köpfe; Max Herrmann (Neisse): Martyrium; Walter Serner: Angst; Ooll: Heimat; Gedanken Blaise Pascals; Bücherbesprechungen; mit einem Selbstbildnis (Originalholzschnitt) von Christian Schad.