66 wollten. Diesen Mordversuch als Rache für den Verrat an einer Idee zu deuten, geht nicht an, da die Weiber Marie Antoinette hatten töten wollen, gäbe man ihnen kein Brot, aber Beifall klatschten, als Lafayette ihr auf dem Balkon galant die Hand küsste. Jedes einzelne Weib fühlte sich von diesem Kuss geküsst und so wurde der Hunger, der eben bereit gewesen war zu morden, von einer Befriedigung, die dem Schoss zuteil ward, noch ein mal besänftigt. Ein jämmerlicher Anfang für eine grosse Revo lution. Wäre jetzt den Schreihälsen etwas zu schlucken gegeben worden, die Revolution hätte vermieden werden können. So nahmen denn die .Männer, die nicht mit Gesten sich abspeisen Hessen, die Bastille und die Frauen den König gefangen. Der Postmeister in Varennes, der den König erkannte, wäre ohne sie machtlos gewesen. Aber noch als sie vor die Pferde sich warfen, nannfen sie ihn ihren guten dicken Papa, den sie gern hätten am Leben gelassen, wenn er sie nur besser regaliert hätte, und als sein Kopf fiel, weinten viele von ihnen. Olympe de Gougez, eine der hitzigsten republikanischen Schreierinnen, jammerte er schon vor dem Konvent, dem sie sich erbot, den König zu vertei digen, obwohl sie wusste, dass sie dadurch ihren Kopf gefähr dete. Um das Menschliche zu glauben, dürfte man ihr republi kanisches Feuer nicht bezweifeln können. Es ist ein Wider spruch, der dadurch entsteht, dass das Gegensätzliche je ein Zu viel enthält. Er wird noch deutlicher in Theroigne de Mericourt: die heissblütige Flämin, welche das königstreue flandrische Re giment zu überreden wusste, die weisse Bourbonen-Kokarde mit der revolutionären Trikolore zu vertauschen, wurde irrsinnig, als ein paar neidische Weiber und deren Kumpane sie im Tuilerien- garten umzingelten, ihr die Röcke hoch hoben und sie auf den nackten Körper prügelten. Was einen Mann nur noch lei denschaftlicher emporgetrieben hätte, raubte ihr den Verstand, der unter einer unkörperlichen Demütigung nicht hätte zusammen brechen können, wäre er wirklich einer gewesen. Die Frau, deren Körper die Soldaten überredete, ging an ihrer Scham, die gleich falls keine war, zugrunde. Madame de Stael, die Napoleon aus Frankreich verbannte, da er sie für gefährlicher hielt als ihre Bücher, blieb dadurch vielleicht ein ähnliches Schicksal erspart. Sie hätte es gerechtfertigt. Man brauchte nicht zu wissen, dass ihre Bü cher ohne Rousseau, Montesquieu, de Narbonne und besonders ohne den genialischen Benjamin Constant ganz anders oder über haupt nicht geschrieben worden wären, auch nicht, dass diese Salon-Trikoteuse schliesslich Royalistin wurde; um von ihrer hysterischen Richtungslosigkeit, die ihr auf dem brennenden Bo den von Paris zumindest ein groteskes Ende gebracht hätte, über zeugt zu sein, genügt es, eines ihrer so gern kolportierten Bon mots gehört zu haben. Um wieviel besser waren nicht jene