78 des Optischen, die in der Zeichnung die Reinheit der Handschrift bedingt, ist für Daumier darum bestimmend gewesen, ja seine künstlerische Prämisse, und es ist ein tiefer Aufschluss, dass sein Christus ans Ende fiel. Hier war es aus. Dort war die Weite für den Niederschlag. Es ist grotesk, den Griffel Daumiers als illustrierenden Journalismus verunglimpft zu wissen zu gunsten einer Malerei, die teils marastisch ist, teils seminarhaft rangiert wird. „Oedipus“, „le meunier“ und „la Republique“ sind durchaus bedeutungslose Bilder, während dort, wo die Linie erscheint, sofort auch die Kraft zu spüren ist. Die „Noc- tambules“ erwecken die bohrende Sehnsucht nach der Zeichnung, und „le malade imaginaire“ (der in der Sammlung Mme. Esnault- Pelterie in Paris, nicht der bei Bureau) ist fast das Todesurteil der Malerei: was hier erreicht wird, ist farblos, und die souve räne Verachtung malerischer Dinge hebt die wollüstig-entsetzens volle Perspektive dieses Sujets an die Schwelle des Gedanklichen, wo sie mit einem Blick stehen bleiben muss, der zutiefst erschüttert. Die michelangelesken Croquis sind solch unterbliebene Bilder, und Honore Daumier selbst ist ein unter bliebenes Buch. Er war ein Denker, dem die mentale Form versagt und in die der ach so relativen Optik verdrängt ward. Darunter litt er wie kaum einer vor ihm, und darum wurde er einer der abgründigsten Zeichner nach Rembrandt und der Grosse, dessen „Nous voulons Barrabas“ kommenden Geschlechtein das Malen für immer verleiden könnte. Walter Serner Die Sterne, an die wir glauben, sind das Fünkchen Liebe, mit der wir unsre Welt aufbaun. Denn sie ist die wirkliche. Wie gross ist der Mensch, wie klein sind die Sterne. Der Mensch ist der Mund des Herrn, die Sonnen sind das Hohelob des Gehorsams. Aber die Sterne sind das Glück aus Demut, nur die Erde sträubt sich in ihren Bäumen und atembe gabten Wesen, sie selbst zu sein. Jeder Wurm, der den Boden bekriecht, die Hündin, die um ihre Jungen herumschnuppert, der Geizige, der den Eintrag beriecht, wollen alle ihr Anders. Jeder Le bendige, der sich beruhigen kann, ist ein Schmarotzer, bloss ein Ha bicht darf in Herrlichkeit über allem Unerwognen sieghaft fliegen: der Verstand. Aber der Verstandbegabte ist erkenntlich am unwirschen Aeckerbeblicken. Doch ist der Mensch der Weg zu den Sternen, denn er erkühnt sich, Ruhe zu verbreiten. *) Aus dem Buch „Mit silberner Sichel“, das kürzlich im Hellerauer Verlag in Dresden-Hellerau erschienen ist.