120 dem Räuber in die Augen zu bohren, der nun alle Kräfte auf wandte, mit der einen Hand seinen Gegner zu erwürgen, während die andere den Kampfpreis in die Tasche zu stecken trachtete. Doch der schon fast Besiegte, dem die Verzweiflung neuerlich Kraft gab, richtete sich wieder auf und stiess mit dem Kopf so wuchtig gegen den Magen des andern, dass dieser niederkollerte . . . Weshalb einen scheusslichen Kampf schildern, der überdies länger währte, als diese kindlichen Kräfte es wahr scheinlich machten? Der Kuchen flog von Hand zu Hand und wechselte fortwähreud die Tasche. Aber, ach, er änderte auch seinen Umfang. Und als die beiden erschöpft, atemlos und blutend endlich innehielten, ganz ausserstande weiterzukämpfen, da gab es in Wirklichkeit keinen Streitgegenstand mehr. Das Stück Brot war fort. In Krumen verstreut, lag es umher, ähnlich dem Sand, mit dem es sich vermischt hatte. Dieser Vorfall hatte mir die Landschaft verleidet. Die stille Freude, die meine Seele erfüllte, ehe ich diese kleinen Menschen gesehen hatte, war völlig entschwunden. Lange betrübte mich das alles sehr und unausgesetzt fast wiederholte ich: „Es gibt also ein herr liches Land, wo das Brot Kuchen heisst und ein solch seltener Leckerbissen ist, dass es einen brudermörderischen Krieg zu verursachen vermag.“ Charles Baudelaire (Aus dem Französischen von Walter Serner) Zeichnung Hans Arp Inhalt der vorigen Nummer: Walter Serner: Die Alten und die Neuen; Theodor Däubler; Die Russin; Die Leiche; Peter Altenberg', Splitter; Paul Claudel: Der Ruhetag; Theodor Däubler: Die Schraube; mit Zeichnungen von Pablo Picasso, Alfred Kubin, Hans Arp und Christian Schad.