SI R I US Jahrgang 1915-16 Zürich, den 1. Mai Nummer'8 Herausgegeben von Walter Serner Feststellungen Dass der Widerspruch, der in der Bezeichnung „reproduk tive Kunst“ liegt, denjenigen, welche dieser Begriff einer zu sein dünkt, nicht klar wird, macht ihn möglich. Seine Voraussetzung ist deshalb, dass sowohl das Reproduktive als auch die Kunst begrifflich nicht erfasst wurden. Wären sie es, so wäre es un möglich, dieser jenes zum Attribut zu geben und es so zu einem künstlerischen Sonderausdruck zu erheben. Denn alle Kunst ist Geist und hat mit seiner Wiedergabe, die ihn lediglich memo riert, nur den Stoff gemeinsam. Was sie von dieser unter scheidet, ist in ihrem Schöpfer beschlossen und damit jedem andern unerreichbar. Es ist in seinem Besten so an den Ur sprung gekettet, dass nicht einmal, wer ihn in sich trägt, in seiner ganzen Quelltiefe es zu wiederholen vermag und jeder andere, der es tut, wiederholt noch weniger. Es ist stets nur der Widerschein. Die Lichtquelle, von der er kommt, erfühlen kann nur, wem selbst eine zuteil ward. Widerzuspiegeln vermag sie niemand. Der vollste Beweis für diese Erkenntnis ist die Musik. Sie ist der einzige Kunstausdruck, der mit seiner Wie dergabe nicht einmal den Stoff gemeinsam hat. Deshalb ist ihr Geist so schwer zu erfühlen und seine Wiedergabe derart isoliert, dass der völlige Mangel an Widerschein das Virtuosentum, das kunstferner ist als alles andere Reproduktive, zur Folge hatte. Der Ton, die schwankendste der Sinneswahrnehmungen, wird zur Gänze unwirklich, wenn er Note wird. In ihr steht er für eine Zahl, die kein Instrument und keine Stimme je erfüllt, und für die Zeit, deren Abstraktion jene ist. Darum ist die Mathematik, die konkret gedachte Zeit, der Stoff der Musik und deren Geist das Gefühl der Sphäre, das dort am mächtigsten wird, wo es die Zeit überwindet, indem es in ihr aufgeht. Nur Beethoven er schloss es sich im dritten Satz der Appassionata und in der Waldsteinsonate und es ist tief folgerichtig, dass er fast alle Par ti uren schrieb, bevor er sie spielte und auch taub geworden un gehindert weiterkomponierte. Dass Musik von so Wenigen ge