133 er darüber, dass ihn dieser Umstand gedrängt hatte, nun zu spre chen und so kam etwas Nervöses, Zittriges inseine Rede: „Aber das Problem ist wirklich sehr ernst. Man braucht doch nur zu bedenken, dass es sich hier um eine Angelegenheit handelt, die in alles hinübergreift. In der Kokotte ist dieses Problem ge- wissermassen verdichtet und durch das Geld kompliziert. . .“ Er hielt inne, da er damals die gleichen Worte gebraucht hatte. Nun schämte er sich deshalb, obwohl er es durchaus ohne Vorbe dacht getan hatte. Gegen seinen Willen sagte er aber nun doch Neues: „Doktor Mal ahnte ja nicht, dass er recht hatte. Auch der niedrigsten Kokotte, die Trieb und Berechnung nicht mehr zu unterscheiden vermag, bleibt ein furchtbares Märtyrtum, trotz allen Zoten und trotz aller Habgier. Denn sie ist ein Opfer, ein schreckliches Opfer, das sich oft sogar fast bewusst hinopfert. Ein Schurke, wer hier richtet! Und dann das Geld! Dass man es immer noch angreifen kann, da man doch weiss, dass es auch hier rollt! . . . Welcher Teufel muss das Geld erfunden haben und welcher Mensch konnte es zum ersten Mal benützen! Aber welcher Hallunke konnte sein Opfer darum betrügen!. . ." Scharoll hatten seine Worte aus sich hinausgerissen. Er kam sich wie nackt vor. Es fröstelte ihn. Da fiel es ihm auf, dass er von einem weit zurückliegenden Erlebnis, das ihn sehr aufgewühlt hatte, überwältigt worden und von seinem Ursprüng lichen Gedankengang weggeraten war. Ja wie von meinem Vorsatz .... und genau wie soeben Kanulf selbst von etwas anderem . . . Das brachte ihn sofort zurück. Er schwieg und wartete, fast ohne zu atmen. Kanulf, dessen Unsicherheit während seiner jüngsten Worte immer mehr gewachsen war, hatte die Leidenschaftlichkeit Scharolls gehässig gemacht. Da er das jedoch fühlte, vermehrte es seine Unsicherheit noch. Um sich zu sammeln, betrachtete er Scharolls Hand, die vom Tisch herabhing. Da quoll es in ihm auf, als müsse er ihm etwas Liebes sagen. Nun wusste er sich nicht mehr zu helfen und fragte viel zu laut: „Seit wann sind Sie in Berlin?" Scharoll betrat eine Bereitschaft, deren Angespanntheit ihn fast schmertzte. „Seit wann? ... Ja, seit einigen Wochen . . . Das wissen Sie aber doch . . „Gefällt es Ihnen hier?“ „Es ist doch ganz gleichgültig, wo man lebt." „Würden Sie denn auch in einem ganz kleinen Dorf, im Harz zum Beispiel leben können?" „Ja, wenn ich dort leben könnte.“ „Ja, warum sollten Sie denn dort nicht leben können ? . . . Ach so ... ja natürlich . . ." Kanulf war geradezu erbost darü ber, dass er es nicht sofort verstanden hatte. Fast wusste er schon,