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Leonhard Frank
Das sind die stärksten Dichtungen, die unsre verborgenste
Wesentlichkeit um und um wühlen zur schlackenlosen Geburt
und diesen neuen Menschen in sichselbstverblutendes Bekenntnis
treiben, Wo wir klein waren und uns mit Hass heilen wollten,
wo wir dem über uns Verhängten allen Schimpf antaten, um es
zu vernichten, da siegen die dornengekrönten Schöpfer, Zerrun
gen von unerbittlicher Justiz übers eigene Gewissen, indem sie
dem Verhängnis gerecht werden, und so restlos erledigend und
vollkommen ist ihre Tat, von der Schwere der Selbstüberwin
dung ln Reife wuchtend, dass sie mit einer unendlichen Gebärde
auch uns noch endgültig vor Gott rächt. Das sind die Bücher,
die Religiosität, Ethos, Geistigkeit und umstürzende Gewalt in
einem grossen und wahrhaft erlösenden Sinne haben, die das
Verbrauchte einer ganzen Epoche zu nichts brennen und mitten
in unser Leben hinein eine Jakobsleiter bauen. Gesegnet, wenn
sie uns noch erreichen, eh es zu spät wird.
Der Roman „Die Räuberbande" lässt uns geläutert werden
in des armen Michael Vierkant Jugendsklaverei, jähem Aufschwung,
Tod und Verklärung. Nichts bleibt diesem Oldshatterhand grausig
süsser Flegeljahre geschenkt, und selbst in dem späten Augen
blick, wo der kürzeste Weg schon so nahe grüsst, reisst ihn der
Dämon zur verhängnisvollen Kurve. Alles wird ihm abverlangt
bis aufs Herz und immer steht er verlassen an einer Kreuzung,
wenn die andern schon auf breiter Heerstrasse sich tummeln.
Die unbekümmert-rabiate Indianerei der Kälberzeit ist ihm ein
Pfand für etwas Wirkliches noch, als die Genossen längst sich
zu vielfältiger, einrenkender und Fühlung nehmender „Gesetzt
heit“ hinüberzutasten begannen, Künstlertum kommt wie ein
Nachtwandeln über ihn, und vom vermeintlichen Mentor
trifft ihn hinterrücks der Hieb, von dem er sich nicht mehr
erholt. Die Schlinge Demütigung würgt seinen Hals, er zappelt,
prallt zurück, wenn ein Blitz die runde Gemeinheit der Nicht-
zufassenden jäh erhellt wie in jener Höllenvision des Schlacht
hofes, lockert sie scheinbar und knüpft sie nur umso zielbewuss
ter wie im Spessartidyll, will sie sacht abstreifen unter der Sonne
Genuas, aus der die Todesfahrt ins Eiskalte steil hinuntersaust.
Der Moloch Verleugnung steht protzig starr wider ihn auf, und
weil dem armen Oldshatterhand die Muskeln für diesen Kampf
von Kind an zerschnitten sind, wählt er das Unwiderrufliche,
das eine halbe Flucht ist. „Es gibt nur zweierlei: lügen wie
die Andern, sein wie sie oder ihre Verachtung verachten, einsam
sein. Blicke auf das Lächeln der Verheissung auf meinem Gesicht
und töte das Schwache und Feige an dir." Viel Grausiges und
Süsses versinkt. Die rührend-ungenierte Andacht beim selbst