24 Die Untersuchung der Kriegsursache in Verbin dung mit den Kriegszielen führt uns also weiter zu einer ganz neuen Schuldfrage —, zu einer Schuldfrage der Zukunft, deren Formulierung schon heute von großer historischer Wichtigkeit ist. Bisher existierten nur zwei Scbuddfragen: die Sehuldfrage aus der Vergangenheit, 'das heißt aus der entfernteren Vorgeschichte des Krieges; die Sehuldfrage aus der Gegenwart, das heißt aus der unmittelbaren Vorgeschichte des Krieges. Beide Schuldfragen habe ich in „J’accuse“ mit einem glatten Schuldig zu Lasten Deutschlands und Oester reichs beantwortet. Die dritte Sehuldfrage, die, je mehr der Krieg wor und hoffentlich seinem Ende zuschreitet, um so akuter wird, ist die Frage der zukünftigen Gestaltung Euro gas. Diese Frage lautet: Soll Europa auch in Zukunft unter der bisherigen Völkeranarchie, unter den Macht rivalitäten der führenden Staaten, unter dem ruinösen Zustande des bewaffneten Friedens, der nichts anderes als ein latenter Krieg ist, weiter leben? Oder soll an Stelle dieses Gewaltzustandes ein Reohtszustahd treten, der den Frieden und die Sicherheit aller durch organi satorische Einrichtungen gewährleistet? Deutschland erstrebt die* Fortsetzung der bisherigen Anarchie, innerhalb deren es seine eigene Sicherheit durch Machtvergrößerung erhöhen will. Deutschlands Gegner erstreben den Rechtszustand. Die Frage, ob Deutschland auch mit diesen Zukunftsbestrebungen eine neue, eine dritte schwere Schuld auf sich lädt, hängt von der Vorfrage ab, ob es tatsächlich im Sommer 1914 von seinen Gegnern überfallen worden ist oder nicht. Ist es überfallen worden, so wäre der Gedanke an seine einseitige Zukunftssicherung zwar verfehlt, weil das Mittel dem Zweck nicht entspricht, er wäre aber nicht verbrecherisch, würde also zu den übrigen Schuldposten keinen neuen gleichwertigen ge sellen. Ist es aber nicht überfallen worden, so ist sein Gedanke an einen deutschen Gewalt- und Eroberer frieden ein Verbrechen an der Zukunft —, ein Ver brechen genau so schwer wie die, die es in der Ver-