55 'erwachs enden ständigen Konflikte erreichten ihre größte Schärfe und in der Zaberner Angelegenheit ihren Höhepunkt gerade damals, als 'durch die Schaf fung des neuen Landtages mit allgemeinem Wahlrecht die Gesamtheit des Volkes Gelegenheit fand, ihren poli tischen Willen zu bekunden. Nichts beweist schlagen der als dies die Tatsache, daß die Abneigung gegen Neu-DeutscMland in der Gesamtheit des Volkes ihren Sitz hatte, :unid nicht etwa, wie man oft glauben machen will, bloß bei einigen „nationalistischen Hetzern“. Nun kam zu allem noch dieser Krieg, der plötzlich den Elsaß-Lothringern den preußisch-deutschen Mili tarismus in seiner ganzen Nacktheit vor Augen führte. War der 1 Elsäßer in Friedenszeiten oft geneigt ge wesen, politische Konflikte mit einem gewissen bissigen Humor auszutragen, so wurde ihm jetzt dafür mit furchtbarer Tragik von den Militärbehörden vergolten. Immer tiefer wurde der Graben, der Elsässisch und Deutsch im Reichsland schied, und ein- Geständnis von zwingender Wucht legten uns die 'letzten Reichstags- Verhandlungen mit dem Wort eines sozialistischen deutschen Abgeordneten dar: „Vier Fünftel der elsässi- schen Bevölkerung würden im Falle einer Volksab stimmung ihrem Wunsch, nach Frankreich zurückzu kehren, Ausdruck geben“! Wenn das ein deutscher Reichstagsabgeordneter sagt, so ist sicher die Wahr heit für Neudeutschland noch grausamer. So ist durch die ganze Geschichte des Landes seit seiner Annexion durch Deutschland erwiesen, daß sein natürlicher Platz nicht hier ist, und daß seiner Bevöl kerung, wie auch Frankreich gegenüber, durch den Gewaltakt des Frankfurter Friedens Vertrages Unrecht geschah. Soll wirklich Europa auf sittlicher Grundlage neu erstehen, dann muß zuerst dieses doppelte Unrecht wieder gut gemacht werden.