90 Die Franzosenzeit und die Stein-Hardenbergsche Reform. Die Stürme der großen französischen Revolution gingen an dieser Feudalwirtschaft ganz unbemerkt vorüber. Die von Friedrich dem Großen „auf alle Art conservierte“ Rasse „defendierte“ schließlich das Land Preußen bis nach Tilsit hin. Napoleons Siege über Preußen leiteten die große Reform der Aera Stein und Hardenberg ein. Aber wenn sich auch damals die Erkenntnis Bahn gebrochen hatte, daß die Anerkennung der politischen und sozialen Errungenschaften der Revolution eine direkte Lebensfrage für Preußen geworden war, die Reform blieb auf halbem Wege stehen. In der Denk schrift, die der Minister Hardenberg von Riga aus erließ, heißt es zwar deutlich, daß „eine Revolution in gutem Sinne“ auch für Preußen notwendig geworden sei: „Demokratische Grundsätze in einer monarchischen Regierung — dies scheint mir die angemessene Form für den gegenwärtigen Zeitgeist“ schrieb damals dieser Minister. Wie das Junkerproblem der Ausgangspunkt der wirtschaftlichen und politischen, so war es auch das Zentralproblem der militärischen Reform in Preußen. Die „gute Rasse“ hatte allzu deutlich ihre Unfähigkeit bewiesen, „das Land zu defendieren“. Die Vernichtung der militärischen Vorrechte des Adels war nach Jena und Auerstedt geradezu eine Vorbedingung für die Erhaltung Preußens geworden. Hardenbergs Reform vorschläge gingen bis zur Wahl der Unteroffiziere durch die Soldaten und der niederen Offiziere durch Unteroffiziere. Der Bauernsohn Scharnhorst und der ebenfalls aus kleinsten Verhältnissen stammende Gnei- senau wurden die geistigen Häupter der neuen preußi schen Armee. Die sogenannten „Junkerstellen“ in der Armee wurden beseitigt; in dem Reglement von 1808 heißt es: „Im Frieden gewähren nur Kenntnis und Bil dung, im Kriege nur ausgezeichnete Tapferkeit und Umsicht einen Anspruch auf die Offiziersstellen.“ Die entehrenden Körperstrafen wurden abgeschafft und die „Freiheit des Rückens“ anerkannt.