105 Faust den Machtwillen des Junkertums brechen, das heißt Preußen modernisieren. Bis jetzt hat noch kein preußischer König 1 diese eiserne Faust besessen, und es ist höchst unwahrscheinlich, daß je einer sie be sitzen wird. Wilhelm I. war dem alten System abgewandt, weil i hm die Unanständigkeit des Hofkliquen Wesens zu wider war. Die Verfassung zu halten war ihm eine zwar schwere, aber doch hehre Pflicht. Er sprach das gleiche bei der Bildung des neuen Ministeriums aus, als er sagte: „die Regierung dürfe sich nicht von so genannten liberalen, in Wahrheit überspannten Ideen fort und fort in das Unbestimmte treiben lassen“. Und seinem Schwager in Weimar schrieb er, er wolle der Welt zeigen, „daß es möglich sei, selbst mit einer mißlichen Verfassung zu regieren, wenn man eine konservative Basis beibehalte und Ehrenmänner zur Durchführung eines solchen Systems als Helfer er wähle“. Obgleich also der neue König zunächst eine den Junkern feindliche Miene aufsetzte, hatten die Junker bei dieser Auffassung doch im Prinzip von vornherein gewonnenes Spiel. Sie brauchten nur lauter und immer lauter über die Gefahren der Demokratie, die Demütigung der alten preußischen Krone und das Heraufkommen der Republik zu schreien und sie durften sicher sein, damit ein immer aufmerksames Ohr zu treffen. Die Mannen der „Kreuz-Zeitung“ er mangelten nicht, dieses Rezept anzuwenden. Wilhelm I. hatte die Kamarilla beseitigt. Aber als „leidenschaftlicher Soldat“ (an allen Hohenzollern rühmt man ihr leidenschaftliches Soldatentum) schaffte er etwas ganz neues, das den Hofjunkern Ersatz bot: das Militärkabinett. Mit dem Leiter dieses Kabinetts, dem General von Manteuffel, begann die planmäßige Vorbereitung der bismarcksohen Kriege. Zunächst wurde eine große Heeresreform verlangt und den Kammern zur Beratung vorgelegt. Mit der Berufung von Roons zum Kriegsminister erhielt der Liberalis mus der neuen Aera einen ersten schweren Schlag, von dem er sich nicht erholen sollte. Gleich bei seiner