127 Der päpstlich-kaiserliche Universalstaat des Mittel alters leitete eine innige Verbindung der deutschen Völkerschaften mit dem zivilisiertesten Land der da maligen Welt, Italien, ein, und wenn die gewaltsamen deutschen Könige auch, sobald sie den Segen emp fangen hatten, nur Richtschwert und Vollstrecker des römischen Willens geworden waren, so verlieh ihnen diese Weihe doch die „Kulturmission“, Mehrer des Kirchengebiets und Verbreiter des Evangeliums zu sein, und damit jene heraldische Allüre einer von Redohstrompetern begleiteten theologischen Majestät, der die buntbäuerische Phantasie des deutschen Volkes noch heute nicht gewachsen ist. Jahrhundertelang ver breitete das Schwert der Kaiser den Christenglauben, wie es unter Mohammed den Islam verbreitete. Und nicht erst heute, schon zu Gutenbergs Zeiten findet sich in der Presse die Ueberzeugung, die deutsche Nation sei von Gott bevorzugt und von der Vorsehung auserwählt. Sie war aber nur von den Kardinälen auserwählt und vom Papste bevorzugt. Die deutschen Könige hatten sich diese ihre Stellung durch Bluttat und Gewalt ertrotzt. Ihre Kulturleistungen blieben weit hinter dem zurück, was gleichzeitig Arabien, Spanien und Italien in Kunst, Literatur und Wissen schaft leisteten. Noch heute sehen unsere deutschen Schulräte, Ge schichtsschreiber und Pädagogen nicht ein, daß keine Veranlassung vorliegt, auf diese Tradition besonders stolz zu sein. Deutschland war keineswegs das „mo ralische Herz der Welt“, wie Herr Scheler glauben machen will. Die Moralität war in Deutschland, von vereinzelten Mystikern und Troubadouren abgesehen, unausgebildet, abseitig und grob. Das Land war Rüst kammer und Arsenal für die weltlichen Ziele des Papsttums. In solchen Ländern ist wenig Raum für die Ausbildung verfeinerter Sitten. Profoß und Schrecken brachten den Päpsten die Barbarossas, Ottos und Friedrichs. Wen deshalb der Papst zum Kaiser salbte, dem legte er damit die Verpflichtung auf, solch „Apostolische Majestät“ (noch heute trägt der Kaiser von Oesterreich den Titel) hübe den ge-