282 dem deutschen Volke nahe zu bringen. Geht man nämlich all jenen gefeierten realen Garantien auf den Grund, so entdeckt man bald genug, wie kurzsichtig sie gedacht sind, wie viel bloße Machtromantik und wie wenig zuverlässige Sicherheit in ihnen steckt. Denn diese Garantien sind ja doch stets nur ein An reiz für die Gegenseite, sich nun ihrerseits Garantien gegen diese Garantien zu schaffen! Ist aber ein sol cher Wettbewerb der Gewaltmittel heute nicht das unberechenbarste aller Hasardspiele geworden? Was nützt die denkbar größte nationale Machtentfaltung, wenn die Gegenkoalitionen sich in noch größerem Maßstabe organisieren? Was hilft uns alle mittel europäische Machtkonzentration, wenn in der all gemeinen rücksichtslosen Machtkonkurrenz etwa Eng land, Amerika und Japan uns gemeinsam die Meere absperren? Soll uns die Türkei dann die verlorenen Märkte ersetzen? Wer überhaupt noch aus dem Weltgericht dieser Zeit zu lernen vermag, wer Ohren hat zu hören und Augen zu sehen, der muß doch wohl heute endlich begriffen haben, daß inmitten der Konkurrenz eben bürtiger Großmächte das bloße Streben der einzelnen Nation nach äußeren Machtgarantien gar keinen wirk lichen Nationalschutz mehr bedeutet, im Gegenteil, je drohender sich ein Staat in eiserne Positur stellt, desto mehr lockt er das fremde Eisen herbei, und all seine sogenannte Macht kann ihn gegenüber einer Uebermacht von koalierten Gegnern nicht zum Herrn der Lage machen. Mit dieser Einsicht muß sich vor allem die Staatskunst eines Zentrallandes durchdrin gen — ein so gelegenes Land kann imponierende Machterfolge erringen, so lange es noch einen Vor sprung vor den Machtmitteln der andern hat; haben aber die andern diesen Vorsprung eingeholt, ant worten sie nunmehr ihrerseits in der Sprache von Blut und Eisen, und lassen sie sich auf ein Wettrüsten ein, das infolge der damit verbundenen wachsenden gegen seitigen Bedrohung und Verfeindung unvermeidlich bei irgendeinem Anlaß zur Explosion führt — da tritt eben drastisch zutage, daß jenes alles absorbierende