2 17 Aber der Staats-Rhapsode der „Blätter für die Kunst“ findet auch die von ihm zitierte Forderung (die ihm doch nur ein Spassvogel als Volkswunsch angegeben haben kann) noch abscheulich. Er sagt: Die Gnade strömt nicht nach Bedarf und Zwecke — Was kennt ihr sonst? — zur Atzung hohler Magen; Sie schafft das Heil; doch lindert keine Plagen. Das heisst: Der Antrag auf Linderung der „Plagen“ durch „Atzung“ (wie menschlich ausgedrückt!) „hohler Magen“, selbst vermittelst irgendeiner „Gnade“ wird von dem georgeschen Anonymus abgelehnt. Indessen spricht dieser Dichtersmann auch kaltlächelnd aus, was im ganzen kriegführenden Europa niemand laut zu sagen gewagt hat, einen Wunsch, den stets jede kriegführende Macht der ihr feindlichen zugeschoben hat. Er dichtet frohen Herzens davon, wie der Krieg alle Träger volkshafter Ideen beseitige: Nun fegt der Fluch sie wie verwelkte Blätter In Not und Kot: Ihr Schreien ,,macht uns satter 11 Ist kein Gebet, das den Erlöser wecke. Der politische Versemacher der Blätter für die Kunst nenne sich. Er ist uns allen Verantwortung schuldig. Wenn öffentliche Äusserung überhaupt noch einen Sinn hat, dann hat dieser zeitgemässe Dichter nichts anders getan, als einen Aufruf in Versen erlassen, die Ansage einer durch den Krieg unter stützten Bartholomäusnacht zur Ermordung aller Kameraden der Freiheit. Aber, Ihr, meine Freunde, hat denn einer von uns je an dieser Möglichkeit vor der Umgebung des Dichters George gezweifelt? Man entgegnet uns, dass der gefundene Sinn hier überraschend und unbeabsichtigt sei. Um so schlimmer; denn der öffentliche Sprecher ist das verantwortlichste Wesen. Man sagt uns, dass die Sprache erst den Sinn im Leser und Hörer bilde; und dass der edle Ausdruck der Form untrennbar von einem edlen Inhalt sei: Sehr richtig! Legen wir Rechenschaft ab, wofür die Ausdrucksform dieser Dichter ein in neres Zeichen ist. Eine so abgetane, spezialistisch verweste und kleine lite rarische Provinzangelegenheit gegenüber jeder Weltdichtung heute auch die Gedichte des George-Kreises sein mögen: Das haben wir doch schon lang gewusst, dass die Verse des Meisters George selbst nur die Schulung, die Organi sation, die Herzlosigkeit und den Musiktakt einer uns wohlbekannten Ge sinnung darstellten, den Zwang, die Vergewaltigung der Menschheit und den hochmütigen Hass, selbst in der Idylle noch. Wer von uns den Blick hundert Jahre voraus einstellte, der hat es gewusst, dass nicht Dilettanten, sondern ein Dichter in dichterischen Formen das Manometerzeichen des bourgeoisesten Weltimperialismus war. Diesen Imperialismus gibt es heute nicht mehr. Und nun mögen die Dichter, die jener Epoche angehörten, den Mund halten. Mögen sie endlich offen in die Reklamebureaus der imperialistischen Warenhäuser ein- treten, die uns diesen Krieg geliefert haben. Dort ist ihr Platz, als Preistitel schreiber für Massengrabsteine, als Drogenverkäufer von echtem Aasgeruch, und als Schmuckhändler an den Leibern ihrer Mitmenschen.