8 Sammlung. Was also tun? Schon haben achtzig Prozent der Treptower Friedensrufer die Order erhalten, einzurücken. Ihr muß man folgen; denn Gesetz geht vor Recht. Also was tun? Die Hundertzehn im Reichstage haben zwar in der heutigen Vormittagssitzung die Verant wortung für das Morden der nächsten Wochen dem Reichskanzler und den bürgerlichen Parteien zugeschoben. Doch die Flinte wird dennoch schießen, und nichts, nichts kann dem blühenden Jungen, der vielleicht schon morgen nacht auf dem Schlachtfelde verröchelt, das Leben zu rückgeben. Er war ein tüchtiger Parteigenosse, der Todgeweihte, er hat für das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht Hunderte Protestversammlungen mitgemacht. Irgendwo in einem Winkel seines durchschossenen Proletarierschädels wird vielleicht noch die Erinnerung an die letzte Resolution für den Weltfrieden nisten, wenn schon das Massengrab sich öffnet, den sozialdemokratisch organisierten Krieger auf zunehmen. Er wird fallen wie Tausende seiner Genossen: den Fluch gegen den Krieg auf den Lippen, das Gewehr schußbereit . . . Partei freunde werden vorwärtsstürmen, über ihn hinweg, vorwärts gegen die Proletarier, mit denen sie sich so oft „verbrüderten“ . . . Kann man heute, da der Krieg nun einmal Tatsache geworden ist, den Gang der Ereignisse noch bestimmen? Heute leben wir in einem Ausnahmezu stand. Heute läßt sich nicht nachholen, was etwa gestern, was etwa jahrzehntelang versäumt worden ist. Der Krieg ist da. Man schießt — und wird erschossen . . . . . . Aber der Krieg ist ja noch nicht da. Wohl kann er morgen über Deutschland hereinbrechen; aber er ist ja noch nicht da. Heute kann man gegen die Geisel der Menschheit noch alles tun, was man vielleicht morgen, vielleicht in einem halben Jahr nicht mehr tun kann. Aber tut man das? Sind wir heute dank der deutschen Sozialdemo kratie um eine einzige Kriegsmöglichkeit ärmer? Wohlverstanden: die Frage lautet nicht: was wird geschehen, wenn morgen ein Krieg uns überfällt? Auf diese Frage kann, in Preußen, nur ein Narr Antwort erwarten. Aber: ist alles geschehen, damit kein Krieg uns überfallen kann? Was hat die Arbeiterpartei getan, um den Kriegsgefahren wirk sam zu begegnen? Was tat das liberale Bürgertum? Die Antwort lautet trostlos und verzweifelt: nichts. tflacfiscfirift des ZeiU&cfio: Alle, die noch Menschen sind, und bei denen also der Krieg noch nicht außer Mode ist, wissen, daß dieses Zwischenreich der Gewalt seit dem August