15 zu erheben, in welchem die Menschheit sich in ihrer wahren Gestalt, als Einheit, unversehrt und ungebrochen, findet. Oder aber, wie durch einen magischen Zauber geblendet, jene dunklen Mächte des Schicksals gegen sich selbst heraufzubeschwören, um von ihnen das zur Einheit bestimmte Wesen zerteilen und zerreißen zu lassen. Wie wenn der Erbauer eines Hauses die von ihm selbst nach einem einheitlichen Plane zusammenge fügten Steine durch einen magischen Ritus beseelte und die beseelten auf riefe, aus dem errichteten Bau herauszuspringen und ihn durch ihre Rückkehr in ihr früheres Chaos auseinander brechen zu lassen. Die letzte Aufgabe des Menschengeschlechts besteht also in seiner geistigen Einigung zur Menschheit, durch die Erkenntnis und die Verwirk lichung ihres wahren Wesens. Die bewußte Preisgabe seines freien Willens zur Einheit, die Selbstentzweiung und Selbstzersetzung durch den schuld vollen Mißbrauch seiner geistigen Kräfte — dies und nichts anderes ist der Begriff des Krieges. Die unvergleichliche und unverlierbare Gedankentat der Propheten des antiken Israel besteht in der Erkenntnis, daß die von allen ihren Gegensätzen restlos erlöste und in der ungeteilten Verehrung göttlich-menschlicher Sittlichkeit geeinte Menschheit den ewigen Frieden selber darstelle und gewährleiste: „Gott spricht Recht zwischen den Völkern, Zahlreichen Völkern lehrt er Gerechtigkeit. Sie aber schmieden aus ihren Schwertern Pflugscharen Und Winzermesser aus ihren Lanzen. Kein Volk mehr hebt gegen das andere sein Schwert, Kriegshandwerk lernen sie nicht mehr.“ (Jesajas) Die Trennungen und Grenzen, welche die Nationen zwischen die Menschen legen, die Scheidungen der Rassen, Stämme und Staaten sind die Hemmungen und Einschränkungen der naturhaften Mächte. Vor dem reinen Geiste der Menschheit sind sie Schein und Lüge. Denn die Mensch heit ist Einheit mit sich selbst. Aber der uralte, magische Zauber, der aus der Schicksalsmacht aufsteigt, entfesselt ihre dunklen Gewalten gegen jenen heiligen Geist, blendet den Willen der Menschen, richtet ihn gegen sich selbst und stürzt ihn in Verschuldung. Aus der Lüge solcher Trennungen wächst das von Blut triefende Gespenst des Krieges und der Entzweiung. Durch den Besitz der Vernunft und des geistigen Willens ist die Mensch heit mit der Freiheit begabt, den Weg der Selbstvervollkommnung, den Weg der Verwirklichung ihrer sittlichen Bestimmung, ihrer Selbstbefreiung, den Weg zur Einheit und zum Frieden mit sich selbst einzuschlagen — oder