2 Ob der geduldige Sozialdemokrat mit der marxistischen Vorstellung vom „Hineinwachsen der Gesellschaft in den Sozialismus“ arbeitet, oder ob die offene Unverschämtheit des Kriegsparteiischen unsere Kata strophe als den vorläufig ersten der drei modernen punischen Kriege nennt; oder ob ihr den endgültigen Sieg Asiens über den Westen prophe zeit: das alles ist Fatalismus. Aber Fatalismus ist schlimmer als Böses tun. Fatalismus ist Böses dulden. Wer kann das verantworten, seinen Mitmenschen als Opfer für ein geschichtsphilosophisches Lehrbuch der Zukunft auszuersehen! (Und einer Geschichtsphilosophie, die man in aller Eile jetzt entwirft.) Worum handelt es sich in Wahrheit? Um das einfache, gewöhnliche, bloße Leben. Um das einfache, gewöhnliche, bloße Menschendasein, das unbegriffliche, richtige Menschendasein auf der Erde. „Kerls,“ fragte Friedrich II. seine Grenadiere, „wollt ihr denn ewig leben?“ Ja, das wollen sie. Leben wollen ist etwas Außerordentliches. Leben wollen ist das Höchste an Edelmut, an Hingabelust, an Opferfähigkeit. Leben wollen heißt wirken wollen. Sich verwirklichen wollen. Der letzte Feigling noch, der mit allen Kräften leben will, kämpft diesen erbitterten Heldenkampf gegen eine End übermacht, weil er von sich etwas Anständiges erwartet. Es gibt keinen Menschen, der bei seiner Geburt nicht mit einer Aufgabe in die Welt gesetzt wurde. Einer Aufgabe, die nur er allein erfüllen kann. Diese Auf gabe kann nur mit einem einzigen, plumpen, bekannten Wort genannt werden. Sie heißt Gemeinschaft. Gemeinschaft ist höchste Freiheit des Einzelnen und Raum für alle andern. Wo die Gemeinschaft ins Bewußtsein dringt, hat die Macht verloren. Heute gegeben ist aber die Gesellschaft. Die Gesellschaft ist da, sie wirkt heute. Ihr Wirken ist der Krieg. Die menschliche Gemeinschaft ist noch nicht da. Sie ist das Ziel; das, was kommen soll. Die Gesellschaft wirkt über uns, wir wirken nicht durch sie. Wir lassen sie geschehen. Das ist unsere Sünde. Unsere Passivität hat die Gesellschaft ermöglicht, als einen ungeheuren und sinnlos aufgestapelten Haufen von Abfällen des von uns Ungetanen. Unsere Gesellschaft ist der Riesenberg von Kehricht, den niemand wegschafft, und der in seinem steten Anhäufen uns zu ersticken droht. Aber die Gemeinschaft muß getan werden. Wir fordern sie. Daher fordert sie von uns. Wir müssen sie wollen. Ihr erster Schritt heißt Um wälzung. Doch müssen wir schreiten wollen.