54 bin — in der unbedingten Nächstenliebe gipfelt, einer Liebe, die keine Aus nahme zulässt, nicht einmal die vor dem Feinde und gerade die vor dem Feinde nicht.“ Und das spricht kein Phantast, sondern ein unerbittlicher Politiker, dessen Buch voll ist von den schauerlichen Dokumenten der vergangenen Jahre. ßCameradensiimme Diese guten Worte sagt Charlot Strasser im Berner „Bund“ (Sonntagsblatt vom 16. September 1917): „Noch nie wie jetzt hat der Schaffende empfunden, dass die Stoffe sich aufdrängen, dass die Kunst nicht mehr frei ist, dass ein heiliges Gebot ihr die Aufgabe bedingt, im geistigen Kampfe einer tollen, rasenden, wahnwitzigen Welt Partei zu ergreifen. Dann etwa noch: Zeugnis und leidenschaftlichen Protest abzulegen für alle Zeiten gegen die offizielle Geschichtschreibung der Majoritäten, gegen die Generalstabsberichte, Regie rungsfiktionen und Parlamentsschlagworte. Weit hinaus über die Kompromisse und Verrenkungen der starren und bestehenden Ordnung, die den einzelnen in den Krieg einordnen darf. Weit über die alles — Geist sowie Leere, Diffe renzierung wie kulturlose Tierverwandtschaft menschlichen Wesens — nivel lierende Vergewaltigung hinaus treffen sich Empörung und bitteres Weh all derer, die dem Glauben an die sittliche, religiös läuternde Bestimmung der Kunst, an gütiges Verstehen und Näherbringen der einzelnen Menschen unter einander ihr Streben und Wirken geweiht haben. Ohne dieses Ziel ist dem gegenwärtig Schaffenden und Nachempfindenden keine neu werdende Literatur erträglich. Fast undenkbar sind ihm heute Aufgaben, die nicht aus dem ewig unverarbeitbaren Erlebnis der vergangenen Kriegsjahre zu gestalten suchen. Unwürdig Leistungen, die nicht Tendenz umwirkeri!“ Der Krieg hat Gustav Landauers menschlich grosse Zeitschrift „Socialist“ beseitigt. (Dies ging, ausser den Zwischenfällen des Schweigenmüssens wohl nicht ohne starke Enttäuschungen, Überraschungen, Lehren ab. Manche, die jahrelang im „Socialist“ veröffentlichen durften, haben seit Beginn des Krieges ihren wilden Literatur-Nationalismus entdeckt; andere, die theoretisch abgelehnt wurden, haben sich als reine Menschen und als Zukünftige ent hüllt. Im ganzen das Bild wie in jeder großen Krise einer Bewegung: Die Künstlerischen und Geschätzten waren Verräter; die Agitatorischen und Miß achteten waren Menschen!) Seitdem ist, wie mir scheint, nur ein einziges Blatt da, das unzertreten vom Polizeistiefel, den wahren Aufgaben des mensch lichen Geistes dient. Das sind die „Neuen Wege“, eine Monatsschrift, die im zwölften Jahrgang (bei R. G. Zbinden in Basel, Rheinsprung 5) erscheint. Ein Mann hat mit den elf starken Jahresbänden dieser Zeitschrift einen Block in die Welt gesetzt, um den sie nicht mit Lächeln, Schielen oder Ver gewaltigung wird herum kommen. Dieser Mann heißt Leonhard Ragaz; wer sich nicht um Personales kümmert, sondern darum, was er aus der Lektüre